Die Währungshüter in den Notenbanken haben sich darauf festgelegt, alles zu tun, um die dank jahrzehntelang aufgebauter wirtschaftlicher Verzerrungen notwendig gewordene Korrektur – eine Ent-Täuschung – und damit eine auf den künstlich entfachten Boom notwendigerweise folgende Rezession, zu verhindern. Zu diesem Zweck ist ihnen jedes Mittel recht. Die von der Zufuhr immer neuer, immer größerer Geldmengen abhängigen Finanzmärkte reagieren sensibel auf jedes Signal, das als Abkehr von der expansiven Geldpolitik gewertet werden könnte. Wie der Drogensüchtige von seinem Stoff, sind sie von dem durch nichts als Illusionen gedeckten Geld der Notenbanken abhängig. Wie auch beim Drogenmissbrauch muss die Dosis laufend erhöht werden, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
Um das Wesen des herrschenden Fiat-Money-Systems richtig einschätzen zu können, muss man sich ein Zitat des ehemaligen Chefs des US-FED, Alan Greenspan, zu Gemüte zu führen:
„Die Vereinigten Staaten können immer die Schulden bezahlen, die sie haben, denn wir können immer Geld drucken, um das zu tun. Daher besteht keine Wahrscheinlichkeit für einen Zahlungsausfall.“
Deutlicher kann man den Unterschied nicht herausstreichen, der zwischen einem Wirtschaftssystem, das auf echtem, werthaltigem Geld basiert und dem planwirtschaftlich organisierten Schwundgeldwesen, mit dem wir es heute zu tun haben, besteht. Greenspan nannte die Dinge unmissverständlich beim Namen: Der (im von ihm genannten Fall amerikanische) Staat – und das mit ihm in Symbiose lebende Bankensystem – nimmt Güter und Dienstleistungen entgegen und bezahlt dafür mit unbegrenzt produzierbaren, inhärent wertlosen Papierfetzen.
Ein derartiges Verhalten, von einem privaten Akteur gezeigt, würde unverzüglich eine strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen: Handelt es sich doch um einen klaren Fall schweren, gewerbsmäßigen Betruges. Seit George Orwell wissen wir allerdings, dass manche (große) Tiere eben etwas anders – etwas „gleicher“ – sind als andere. Dem Leviathan ist nichts verboten.
Kein Betrug also. Immerhin handelt es sich um einen gigantischen Umverteilungsprozess, der Wohlstand von den Produktiven zu den Unproduktiven, von den Wertschöpfern zu den Geldschöpfern, transferiert. Nur der Naivität der breiten Masse ist es geschuldet, dass das bestehende, offensichtlich auf Magie gegründete Geldwesen, nicht längst untergegangen ist.
Nun war und ist die logische Alternative zu einem System mit ungedecktem Fiat-Money, ein auf soliden Werten – traditionell auf Gold – beruhendes Geldwesen. In Krisenzeiten, bei wachsender Unsicherheit, bei niedrigen oder gar negativen Zinsen – also in jenen Phasen der „finanziellen Repression“ wie wir sie gerade jetzt erleben, bietet Gold die logische und wahrscheinlich einzige Alternative zum staatlichen Fiatgeldschwindel.
Der Wert des Goldes
Ein im Verhältnis zu den hoheitlich manipulierten Papierwährungen anziehender Goldpreis ist die logische Folge der seit Jahren auch für schlichtere Gemüter erkennbaren Fehlentwicklungen – sollte man meinen! Seit eineinhalb Jahren befindet sich aber trotz aller Voraussetzungen für eine Hausse der Kurs des gelben Edelmetalls auf Talfahrt (was allerdings nur für den Dollar- und Euroraum gilt. Gegenüber Pfund und Yen steht er nahe am Allzeithoch). Lag der Goldpreis zu seinen besten Zeiten bei rund 1.900 Dollar pro Feinunze, notiert er derzeit bei schlappen 1.600. In Euro ist der Unzenpreis auf knapp über 1.200 gefallen, nachdem er die 1.400 schon einmal gesehen hatte. Auch das für die Zukunft des Euro bestimmt nichts Gutes verheißende Wahlresultat in Italien (wo man sich eben anschickt, das Regime eines technokratischen Apparatschiks durch das von Hanswursten zu ersetzen), hatte keine entscheidende Auswirkung auf den Goldpreis.
Was ist passiert? War der Goldpreis durch Spekulation bereits zu weit in die Höhe getrieben? Ist eine „Goldblase“ geplatzt? Eine einfache Erklärung für das paradox anmutende Phänomen des lahmenden Goldpreises gibt es nicht. Mehrere Gründe treffen wohl aufeinander:
- Dass Gold ein – wenn auch besonderer – Rohstoff ist, ist einer davon. Wie jeder andere Rohstoffpreis unterliegt er Nachfrageschwankungen und spekulativen Erwartungen.
- Als Indikator für den Wert von Papiergeld ist der Goldpreis oft das Ziel konzertierter Aktionen, um seinen Geldwert – besonders in politisch heiklen Lagen – nicht allzu deutlich ansteigen zu lassen. Nichts käme dem politischen Establishment weniger gelegen, als der durch einen steigenden Goldpreis dokumentierte Verfall der Kaufkraft des gesetzlichen Zahlungsmittels.
- Die im Verhältnis zur Neuförderung gewaltige Menge an Beständen („stock-to-flow-ratio“) ist ein weiterer Grund. Nur etwa 2.500 Tonnen jährlicher Neuproduktion stehen 170.000 Tonnen Bestand gegenüber. Bereits anteilsmäßig kleine Verkäufe, etwa zur Abdeckung von anderweitig gemachten Verlusten oder zur Einlösung verbindlicher Finanzierungszusagen, können den aktuellen Preis in Papierwährung nach unten drücken.
Aus Sicht der „Goldbugs“ gibt es indes einige beruhigende Indikatoren: Der Großteil des Goldhandels wird in „Papiergold“ (in Form von Optionen, Fondsanteilen oder Minenaktien) abgewickelt. In diesem Bereich ist die beschriebene Korrektur erfolgt. Die Nachfrage nach „physischem Gold“ dagegen ist ungebrochen. Von einem Abverkauf von Barren und Münzen war bislang nichts zu hören. Dass die Goldminen im Durchschnitt einen Goldpreis von mindestens 1.600 Dollar pro Unze brauchen, um rentabel arbeiten zu können, wird vermutlich abnehmende Fördermengen zur Folge haben. In Gold investierte Anleger müssen sich also in Geduld üben und den „Durchhänger“ aussitzen, wenn sie keine Verluste realisieren wollen.
Die von Tag zu Tag prekärer werdende Lage auf den internationalen Finanzmärkten erhöht die weltweite Instabilität des Papiergeldsystems. Ein einziger, unvorhersehbar und unvermittelt auftauchender „Schwarzer Schwan“ könnte schon ausreichen, um das Kartenhaus deckungsloser Fiat-Währungen zum Einsturz zu bringen. Ein folgenschwerer Terroranschlag, eine Flutkatastrophe, ein Vulkanausbruch, ein kriegerisches Ereignis in einer sensiblen Weltregion – eine x-beliebige Begebenheit der Kategorie „unknown unknown“ (Ex-US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld) – könnte den Auslöser dafür bilden. Tritt ein solches Ereignis ein, kann alles sehr rasch gehen. Sich erst dann mit physischem Metall eindecken zu wollen, wenn die Herde verschreckter Investoren erst einmal zu rennen begonnen hat, könnte erhebliche Schwierigkeiten bereiten.
Doch auch ohne einen besonderen Anlass ist ein Kollaps der hemmungslos vermehrten Papierwährungen letzten Endes unvermeidlich. Es fehlt lediglich an der Kristallkugel, um dessen genauen Zeitpunkt zu prognostizieren. Wer also nicht über den Fatalismus – oder sollte man besser sagen Zynismus – von Maynard Keynes verfügt („Auf lange Sicht sind wir alle tot.“), ist gut beraten, auch dann ein wenig „echtes Geld“ zu halten, wenn es gerade nicht besonders hell glänzt.
Schon Voltaire hatte erkannt: „Papiergeld kehrt früher oder später zu seinem inneren Wert zurück – null.“ Es gibt kein Beispiel eines hoheitlich manipulierten, papierenen Zahlungsmittels, das dieses Schicksal nicht früher oder später geteilt hätte…
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.