Die beiderseits des Atlantiks betriebene Politik der „finanziellen Repression“ zeigt Folgen: Auf der Suche nach Möglichkeiten zum bloßen Erhalt der Vermögenssubstanz werden Sparer in Anlagen gezwungen, die weit jenseits ihrer normalen Risikobereitschaft liegen. Blasenbildungen wie im nur scheinbar sicheren Immobilienbereich oder bei dubiosen „Wert“papieren – und damit das Risiko schmerzhafter Vermögensverluste – sind die Folge.
Die Erwartung, das Geld würde zunehmend an Kaufkraft verlieren, steigert weiters die Zeitpräferenzrate, was zu einer Verringerung der Sparneigung und erhöhten Konsumausgaben führt. Dauerhafter Wohlstand setzt die Existenz eines soliden Kapitalstocks voraus – der nicht zu verwechseln ist mit dem vom Bankensektor in beliebiger Menge herzustellendem Papier- oder Buchgeld. Dieser Kapitalstock wird aber unter den herrschenden Bedingungen nicht nur nicht aufgestockt, sondern sogar aufgezehrt. Daher sollte man sich hinsichtlich der auf uns zukommenden Entwicklung keiner Illusion hingeben: Es geht bergab. Der „Peak Wohlstand“ liegt hinter uns. Den Jungen wird es, und das nicht nur materiell, schlechter gehen als der zügig auf die Pension zumarschierenden Generation der Babyboomer.
Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, dräut eine weitere Bedrohung, derer sich die meisten Zeitgenossen noch gar nicht bewusst geworden sind: Die schleichende Einführung von Bargeldverboten. Unter allerlei Vorwänden werden von den herrschenden Dressureliten immer weiter reichende Einschränkungen des Bargeldverkehrs verordnet. Möglichst alle Zahlungen sollen über elektronisch überwachte Konten abgewickelt werden. Eine Hitliste der beliebtesten Märchen dazu:
- Es geht lediglich darum, Steuerhinterziehern das Handwerk zu legen,
- Bezahlen mit Kredit- oder Bankomatkarte ist wesentlich bequemer,
- Beim Verlust einer Kreditkarte tritt, anders als bei Bargeld, keinerlei Schaden ein,
- Anständige Bürger“ haben ohnehin nichts zu befürchten.
Da es zu den weit verbreiteten menschlichen Schwächen gehört, erst durch Schaden klug zu werden, haben die Obertanen in einigen Ländern bereits beachtliche Erfolge bei der schrittweise erfolgenden Abschaffung des Bargeldes erzielt: Italien geht mit leuchtendem Beispiel voran. Bereits jetzt gilt ein Limit von 1.000 Euro, das – falls das Land bis dahin über eine handlungsfähige Regierung verfügt – ab Mitte des Jahres auf 50 (!) Euro heruntergesetzt werden soll. Damit wird der allgegenwärtigen Cosa Nostra unzweifelhaft ein schwerer Schlag versetzt. Sie ist damit wohl so gut wie fertig. Dass indes der Besuch einer braven Familie im Eissalon schon bald im Kriminal enden könnte, falls vergessen wurde, die Kreditkarte einzustecken und sich der Gelataio auf die Annahme von Bargeld einlässt, tut dieser brillanten Maßnahme keinen Abbruch.
In Griechenland endet der Bargeldspaß bei 1.500, in Spanien bei 2.500 Euro, in Frankreich sind die regierenden Neobolschewiken noch nicht ganz mit sich im Reinen und brüten über ein zweckmäßiges Limit, in England ist der Gebrauch von 500,-- Euro-Scheinen verpönt und in Schweden träumt man bereits von der totalen Kontrolle durch den Leviathan und einem „Leben ohne Bargeld“.
Wenn das eben in Zypern über die Bühne gehende Drama nur ein Gutes gebracht hat, dann die brachial erteilte Lehre, was ein „Leben ohne Bargeld“ in einer entwickelten, arbeitsteiligen Gesellschaft bedeutet: blankes Chaos. Hätten die zypriotischen Haushalte nicht noch über gewisse Bestände an Bargeld verfügt, wäre es ihnen nach der hoheitlich verordneten fast zweiwöchigen Schließung der Banken nicht einmal mehr möglich gewesen, selbst einfachste Grundbedürfnisse zu befriedigen, also etwa Lebensmittel einzukaufen. Wer allein auf „virtuelles“ Geld in Gestalt bunter Plastikkarten angewiesen ist, muss im Fall der Fälle eben hungern. Wer an den politischen Schalthebeln sitzt, entscheidet dagegen, ob – und von wem – gegessen wird oder nicht. Entspricht das dem Wunsch mündiger Bürger?
Dass Nomenklatura und Bankenwelt entschlossen auf eine Abschaffung des Bargeldes hinarbeiten, leuchtet indes ein. Den Apparatschiks in den Politbüros geht es um eine weitere Ausdehnung ihrer Macht: Wenn es ihnen gerade nicht passt, kann sich der Bürger auf legale Weise dann nicht einmal mehr ein Stück Brot kaufen. Für die Banken ist es der zusätzlich winkende Umsatz. Schließlich bringt jede einzelne Transaktion den Finanzhäusern Geld.
Ein Leben ohne Konto wäre nicht mehr möglich – selbst einem Einsiedler nicht. Die Kontrolle des Staates über seine Bürger wäre nahezu total, denn schließlich hinterlässt jede Benutzung von Kredit- oder Bankomatkarten Spuren. Dass mit der Abschaffung des Bargeldes auch privates Eigentum ein Stück weiter dem Zugriff des Fiskus ausgesetzt wird, liegt auf der Hand. Konten einzufrieren oder abzuräumen ist für den Staat allemal bequemer, als Haussuchungen vorzunehmen, um unter Matratzen verstecktes Geld zu konfiszieren. Seine treuesten Handlanger und Komplizen – die Geschäftsbanken – stehen jederzeit bereit, dem Großen Bruder zu helfen.
Wer einwendet, er habe tatsächlich nichts zu verbergen, und es sei ihm daher egal, ob die Regierung jeden seiner Schritte überwacht, sollte sich einen Moment lang in die Lage eines regierungskritischen Nonkonformisten versetzen. Hätten die Terrorregimes des 20. Jahrhunderts über Mittel verfügt, in dem Maße jede Geldbewegung zu kontrollieren oder zu unterbinden, wie es in der Alten Welt gerade verwirklicht wird, wären die von ihnen produzierten Leichenberge noch deutlich höher ausgefallen. Und viele weitere Menschen wären dann schlicht verhungert…
Der naive Traum vom real existierenden Rechtsstaat kann – spätestens nach den rezenten Ereignissen auf Zypern – endgültig begraben werden. Jedes Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns läuft seither auf grobe Fahrlässigkeit hinaus. Der Staat ist und bleibt – wie es die zypriotische Regierung eben beispielhaft vorgeführt hat – eine kriminelle Organisation. Seine Macht kommt aus den Gewehrläufen – denen seiner eigenen Büttel oder denen der Eurogendfor, also der europäischen Gendarmerie. Rechtssicherheit gibt es nicht (mehr).
Es ist zu spät, den Anfängen zu wehren. Jetzt geht es – bis zum bevorstehenden Kollaps des herrschenden Ponzi-Systems – nur noch um Schadensbegrenzung. „Leben ohne Bargeld“ bedeutet, den in den Regierungsvierteln lauernden Räuberbanden auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein. Der Besitz von Bargeld dagegen ist ein Ausdruck von Freiheit. Entschlossener Widerstand gegen seine Abschaffung ist daher Bürgerpflicht.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.