Nach einer Meldung des deutschen Nachrichtenmagazins „Spiegel“ und einer vom Marktforschungsinstitut GfK vorgelegten Studie ist die EZB im Begriff, das Vertrauen der Anleger zu verlieren. Nur weniger als ein Drittel der Investoren in Europa glaubt demnach noch daran, dass die EZB in der Lage wäre, die Inflation wirksam zu kontrollieren. Das ist gerade dieser Tage höchst bemerkenswert, weil die von der EZB bisher gezeigte Geldpolitik als geradezu „moderat“ gelten kann, wenn man sie mit der ihrer internationalen Konkurrenten vergleicht.
Die kürzlich erfolgte Ankündigung der Bank of Japan, ihr Inflationsziel von einem auf zwei Prozent zu erhöhen, und dem Markt – wörtlich – „unbegrenzte Mittel“ an neuer Liquidität zuführen zu wollen – um endlich aus der seit zwanzig Jahren auf dem Land lastenden Krise herauszukommen – ist von heimischen Kommentatoren überraschend zurückhaltend thematisiert worden. Dass es sich dabei faktisch um eine Kriegeserklärung an die ebenfalls hart auf Inflationskurs segelnden USA und Großbritannien, aber auch an das hinsichtlich seiner monetären Politik etwas „konservativere“ Euroland handelt, wurde von Wirtschaftsfachleuten kaum zum Thema gemacht. Diese etwas andere Art des Merkantilismus, der Versuch, der Exportwirtschaft durch die Verschlechterung der eigenen Währung auf die Sprünge zu helfen, kann und wird allerdings nur dann erfolgreich sein (und selbst das nur kurzfristig), wenn die Wettbewerber zeitgleich nicht auf dieselbe Idee kommen. Genau das aber ist – siehe die expansive Geldpolitik des US-FED und der BOE (Bank of England) – der Fall. Wo also wird die Reise enden, wenn sich alle Zentralbanken zur selben Zeit die Inflationierung ihrer Währungen aufs Panier schreiben?
Es ist zu erwarten, dass es nach der Ankündigung der BOJ (Bank of Japan), die Geldproduktion zwecks Unterstützung der auf den Export angewiesenen Industrie hochzufahren, entsprechende (gleichartige) Gegenmaßnahmen aus Europa und den USA geben wird – also eine weitere Intensivierung des schon bisher betriebenen „quantitative easing“. Dass keine dieser Maßnahmen in der Vergangenheit je etwas anderes als explodierende Staatsschulden bedeutet, die angepeilten Ziele aber regelmäßig völlig verfehlt hat, kümmert die hohe Politik offenbar keinen Deut. Dass Japan trotz jahrzehntelanger Verschuldungspolitik nach wie vor in der Krisenstarre verharrt, führt nicht etwa dazu, seine offensichtlich fehlgeschlagene Geldpolitik zu überdenken, sondern sogar zu deren weiterer Intensivierung.
Was zehn Milligramm Valium i. v. helfen nicht gegen den Lungenkrebs? OK – versuchen wir es eben mit zwanzig!
Der Umstand, dass die Notenbanken in den USA und in England (zumindest derzeit noch) unter erheblich stärkerem politischen Einfluss stehen als die EZB, könnte zur Folge haben, dass – was angesichts der anhaltenden Eurokrise geradezu paradox erscheint – ausgerechnet der Euro kurz- bis mittelfristig zur härtesten Währung des „kapitalistischen“ Teils der Welt avanciert. Denn die EZB ist insofern – so seltsam es klingen mag – ein Hort der Stabilität, als die widerstrebenden Interessen innerhalb der Eurozone ihren Einsatz zur Erreichung politischer Ziele einigermaßen schwierig machen: Während die maroden Südstaaten – inklusive des traditionell erzsozialistischen Frankreichs – meinen, mittels hemmungsloser Geldvermehrung (auf Kosten Dritter) ihrer Probleme Herr werden zu können, sind die wirtschaftlich verhältnismäßig gesunden Staaten, wie Deutschland, Holland, Finnland und Österreich, eher am Kaufkrafterhalt und einem entsprechend zurückhaltenden Einsatz der Notenpresse interessiert. Der im Verhältnis zum Dollar, dem Pfund und dem Yen gemessene Wert des Euro könnte daher beim Wettlauf um eine möglichst rasche Abwertung zunehmen (was natürlich gar nichts über seinen „wahren Wert“ – seine Kaufkraft nämlich, aussagt).
Über die längerfristige Wirkung der Weichwährungspolitik braucht man sich keiner Illusion hinzugeben. Die historische Evidenz ist klar: Mittels Währungsverschlechterung schafft man keinen Wohlstand, man zerstört ihn. Ohne breites Vertrauen in die Währung geht es nämlich nur in eine Richtung: nach unten. Deutschland etwa hat mit der Hyperinflation der frühen Zwanzigerjahre nicht nur einer wirtschaftlichen Katastrophe den Weg bereitet, während es sein „Wirtschaftswunder“ nach dem Kriege mit einer beinharten Währung geschafft hat. Seinen Erfolgen als Exportnation hat die harte DM keinen Abbruch getan. Das pausenlos die Abwertungskarte spielende Italien dagegen steht – trotz einst wesentlich besserer Ausgangsbedingungen als „Sieger“ – deutlich schlechter da. Außerdem sei nicht übersehen, dass das BIP pro Kopf Deutschlands – trotz (oder gerade wegen!) seiner Hartwährungspolitik längst mit dem der seit vielen Jahren einer stark inflationistischen Geldpolitik anhängenden USA gleichgezogen hat. Soviel zu den Segnungen einer mit der Weichwährungspolitik einhergehenden Kaufkraftverschlechterung.
Eine stabile Währung, die das Vertrauen der Bürger, Unternehmer und Investoren genießt, ist die unabdingbare Voraussetzung für die Schaffung von Wohlstand. Eine expansive Geldpolitik dagegen ist lediglich dazu geeignet, kurzfristig Entspannung zu schaffen und die ökonomisch ahnungslosen Sozialisten in allen Parteien ruhig zu stellen, während sie langfristig neue Probleme kreiert: Fehlallokationen, Blasenbildungen und zyklische Krisen. Setzen zeitgleich alle Währungskonkurrenten auf die Abwertungspolitik, wird das Ergebnis ein globales Währungsdesaster sein.
Einziger Trost: Spätestens wenn die Kaufkraft bei null angelangt ist, findet das böse Spiel sein Ende…
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.