Nachdem Frank Stronach sich nach der verlängerten Weihnachtspause wieder mit medialer Präsenz in Österreich zurückgemeldet hat, ist es an der Zeit, über die Einführungsphase seines Produktes „Team Stronach“ Resümee zu ziehen.
Der umtriebige Austro-Kanadier ist im letzten Sommer mit dem Anspruch an die Öffentlichkeit getreten, eine Partei gründen zu wollen, die Österreich erneuern und durchlüften, die aktuellen wirtschaftlichen Probleme beseitigen, die Korruption beenden, den Staat leistungsfähiger machen und zentrale Werte zur Verwirklichung all dessen beibringen würde. Seine Bewegung würde ohne faule Kompromisse in kürzester Zeit die Übernahme von Regierungsverantwortung und die Durchsetzung neuer Ideen und Impulse in Österreich bewerkstelligen können.
Tatsächlich ist es Stronach innerhalb weniger Wochen gelungen, die Medienszene aufzumischen, seinen Bekanntheitsgrad weiter zu steigern, mit einem eigenen Klub im Parlament zu reüssieren, in Umfragen großartige Zustimmung zu erzielen und die etablierten Parteien gehörig das Fürchten zu lehren. Und all das, ohne dafür einen nennenswerten Betrag aus den sagenhaften Zuwendungen für seine neue Partei in die Hand nehmen zu müssen. Die einzige Ressource, auf die er dafür zunächst zugreifen musste, war die verbreitete Abneigung gegenüber dem politischen Establishment und die beträchtliche Erwartung, die man in die Wunderkräfte des neuen Merlin setzte.
Doch von der Hoffnung auf einen Beitrag zur politischen Erneuerung ist nach einem halben Jahr nicht viel übrig geblieben. Indem er den zentralen Irrtum kultivierte, den er selbst anzugreifen vorgibt – nämlich, dass politische Kompetenz nur innerhalb der bestehenden Parteiapparate vorzufinden sei – sammelte er alle gescheiterten und im Streit verbitterten Funktionären und Mandatare zusammen, die nach ihrem Ausscheiden aus ÖVP, FPÖ, SPÖ und BZÖ nunmehr als Versorgungsfälle am Markt verfügbar waren. Er übertrug damit die Geschlechtskrankheit der Altparteien in seinen vorpubertären Parteienkörper, ohne gleichzeitig hochrangige politische Kompetenz zu importieren.
Gleichzeitig schottete ihn sein unmittelbares persönliches Umfeld – durchwegs politisch gänzlich unbedarfte Jung-Karrieristen – von jedem inhaltlichen Dialog mit seinen potentiellen Wählern und von jedem Kontakt mit interessanten Köpfen systematisch ab. Als Resultat findet sich derzeit kein einziger ministrabler Fachmann, kein einziger kreativer Querdenker und kein einziger charismatischer Vote-getter in seinem Team. Das Sammelsurium an Trittbrettfahrern und Zufallserwerbungen, das Stronach umgibt, ist für seine One-Man-Show viel eher Belastung als Unterstützung. Und so muss Onkel Frank, nach eigener Aussage, sogar das Parteiprogramm im Alleingang verfassen, um seine „Werte“ sicherzustellen.
Apropos „Werte“. Es ist noch nicht ausreichend bemerkt worden, dass die Attribute „Ehrlichkeit, Transparenz und Fairness“ bestenfalls politische Sekundärtugenden bezeichnen, aber nichts mit Werten im Sinn eines weltanschaulichen Bezuges oder eines substantiellen Werturteils mit Exklusivanspruch zu tun haben. Niemand im politischen Spektrum – von ganz links bis ganz rechts – würde gegen diese Verkaufsetiketten auftreten. Sie stehen daher auch für nichts. Dementsprechend agiert Stronach auch im vollständig ideologiefreien Raum.
Es ist nicht erkennbar, für welche Art von Gesellschaft, für welche Grundsatzentscheidungen, für welche Entwicklungsrichtung diese Partei steht. Pragmatische Erfolgsorientierung, der Wunsch, dass es allen irgendwie gut gehen soll und der zum Selbstzweck hochstilisierte Kampf gegen alles Etablierte sind keine Grundlage für eine identifizierbare politische Programmatik. Dazu kommt, dass Stronach selbst an zentralen Politikfeldern kein Interesse zu haben scheint. Sicherheitspolitik, Bildungs- und Wissenschaftspolitik, Lebensschutz, Familienpolitik, Migrationspolitik, Gefahr Islam, Justizpolitik, Kulturpolitik, Grund- und Freiheitsrechte, ja selbst Wirtschaftsordnungspolitik gehen vollständig am Wahrnehmungshorizont des Parteigründers vorbei. Und auch im Hinblick auf EU- und Euro-Kritik ist außer einer pauschalen Ablehnung bislang nichts zu bemerken.
Dies wird der neuen Partei auch in Zeiten des (vermeintlichen) Relativismus keine Wähler zuführen. Denn ein dauerhafter Gestaltungsanspruch ist ohne eine konsistente weltanschauliche Grundlage nicht möglich. Damit fällt das Team Stronach aber auch als treibende Kraft der Erneuerung dieses Landes aus. Dies ist aber zugegebenermaßen auch nicht die Hauptleistung, die das Publikum vom Team Stronach erwartet. In Zeiten sinkender Wirtschaftsleistung und Wertschöpfung, zunehmenden EU- und Parteienfrusts, wachsenden Gesinnungs- und Meinungsdrucks, zunehmender Angst vor Überfremdung und Kulturlosigkeit fällt Stronach die Funktion des Hofnarren, des Sprachrohrs aller Unzufriedenen, des Aggressionsventils und des (verbalen) Rächers der Enterbten zu – eine sichere Bank für die Mobilisierung von Verzweiflungs- und Protestwählern. Und angesichts der vielen Probleme, mit deren Bewältigung sich die Bürger von der Politik im Stich gelassen fühlen, angesichts der vielen gesellschaftlichen Baustellen und dampfenden Misthaufen der politischen Nomenklatura wird es Stronach schwer fallen, nicht den einen oder anderen Treffer zu landen, wenn er um sich schlägt.
Stronach und sein Team werden im Zuge dessen das System der Pateiendemokratur mit EU-superstaatlichem Überbau nicht überwinden, zu seiner Refraktionierung aber Wesentliches beitragen. Der Selfmade-Millionär übernimmt hier ungewollter Weise die Rolle des Eisbrechers. Es wird darauf ankommen, welche Kräfte in seinem Kielwasser dieses „window of opportunity“ für echte Veränderungen nutzen, bevor das Wasser hinter ihm wieder zufriert.
Für den Verlauf dieses Jahres sei eine Prognose riskiert. Stronach wird zunächst in den Landtags-Wahlen weit hinter den Erwartungen zurückbleiben, denn in den Bundesländern kommt es auf die regionale Verwurzelung und die quantitative Präsenz von Funktionären an. Er wird aber, sollte er bis zum Herbst in keinen Po-Grapsch- oder Finanzskandal verwickelt werden, bei der Nationalratswahl an die zehn Prozent herankommen und damit ein politisches Erdbeben auslösen. Und während die etablierten Parteien an ihren Wunden lecken, Satrapen-Kämpfe ausfechten und sich in gegenseitigen Schuldzuweisungen ergehen, werden sich erstmals Neuclusterungen des politischen Spektrums um die alten Gravitationszentren ausbilden, die sich – je nach gesamteuropäischer Wirtschaftslage – materialisieren oder noch in Warteposition bleiben werden.
Onkel Frank aber wird die Lust an seinem neuen Spielzeug verlieren und nach einem neuen Projekt Ausschau halten. Er wird dabei von seinen karrierefreudigen Jung-Mitarbeitern nach einer entsprechenden Gehaltserhöhung tatkräftig unterstützt und von den Kreisen, denen er möglicherweise noch etwas schuldig ist, bestärkt werden. Denn „wer das Gold hat, macht die Regel“.
Mag. Christian Zeitz ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Angewandte Politische Ökonomie