Wir brauchen mehr Hirschbach! – Gedanken zur Volksbefragung

Die Exponenten der seit vielen Jahren in diversen Bereichen höchst engagierten Waldviertel Akademie luden für den Tag neun vor der ersten österreichweiten Volksbefragung zu einer Podiumsdiskussion über das am 20. Jänner zur Abstimmung stehende Thema „Wehrpflicht oder Berufsheer“ nach Hirschbach ein. Hirschbach, wo genau ist das, fragte selbst ich Waldviertler mich?

Und dorthin kommen ein ehemaliger Verteidigungsminister, der amtierende Generaltruppeninspektor, der Caritas-Präsident (er ließ sich von seinem Generalsekretär vertreten), der Präsident des Roten Kreuzes in Niederösterreich und als Moderator ein renommierter Journalist? Also auf nach Hirschbach! Es liegt ziemlich in der Mitte des Waldviertels (circa 15 km östlich von Gmünd) und der Vereinssaal war mit geschätzten 250 Personen bis auf den letzten Platz gefüllt. Das Thema ist also offensichtlich ein großes Anliegen für die Bevölkerung, auch wenn der geringe Anteil Jugendlicher nicht nur für den ebenfalls am Podium vertretenen Jugendvertreter ein Thema war.

„Unser“ Bundesheer und seine Zukunft, untrennbar mit unserem über die Neutralität definierten und entstanden Österreichbewusstsein verbunden, steht zur Debatte! Welches andere Thema würde es wert sein, Gegenstand der ersten österreichweiten Volksbefragung zu werden? Im Bemühen, Bürgerrechte und Elemente der direkten Demokratie zu stärken, wie es immer wieder hierzulande und auch auf EU-Ebene betont und gefordert wird, wäre diese Gelegenheit demnach höchst zeitgerecht und gelegen gekommen.

Applaus, Applaus, wenn nicht die Geschichte ganz anders begonnen hätte und die Art und Weise, wie gerade zu diesem Thema das Volk aufgefordert wurde, sich zu äußern, einem engagierten Bürger schlichtweg den Magen umdreht! Die Debatte wurde durch einen regionalen Wahlkampf vom Zaun gebrochen, ein beflissener Minister fühlte sich verpflichtet, strammstehend zu reagieren, der hohen Politik wurde das Thema schnell zu heiß und so reichte sie es dem Wählervolk zur Entscheidung weiter („was immer rauskommt, werden wir befolgen“). Konkrete und fundierte Information wird es auch bis zur Stunde null vor der Abstimmung nicht geben. Schlimmer konnte es der jungen Pflanze Bürgerbeteiligung und gerade diesem enorm bürgernahen Thema kaum ergehen!

Meine vielleicht naive Vorstellung von Bürgerbeteiligung – sicher  jedenfalls für diesen Fall – ist, dass die von uns für die Zukunftsgestaltung gewählten Politiker das Thema aufbereiten, klare Eckpunkte setzen, Rahmenbedingungen festlegen, Alternativen ausarbeiten, fundierte Zahlen und Fakten für diese auf den Tisch legen und auch verifizieren lassen (jeder Hersteller von Hautcreme muss heutzutage nachweisen, dass diese wirklich Falten beseitigt, wenn er sie als solche anpreist!), und die Bevölkerung dann erst um ihre Entscheidung oder Präferenzen fragen. All das ist in diesem Fall nicht geschehen!

Das Konzept einer neuen Sicherheitsstratgie liegt dem Vernehmen nach seit einiger Zeit in den Schubladen des österreichischen Parlaments. Es wäre doch wohl nicht unlogisch gewesen, dieses Papier vor einer Volksbefragung über die Zukunft des Bundesheeres ebendort ausführlich zu diskutieren? Weite Bereiche unserer Sozialdienste hängen unmittelbar vom derzeitigen System des Zivildienstes ab. Die Berechnungen, wie viel neue Lösungen kosten, gehen meilenweit und nicht nachvollziehbar auseinander. Wie soll auf dieser Nicht-Basis das Volk entscheiden?? Brauchen wir ein verpflichtendes „Österreichjahr“ (wie es eine Diskussionsteilnehmerin treffend nannte) für alle Jugendlichen – also auch die weiblichen – und dürfen wir das überhaupt (Menschenrechte)? Auch das und vieles andere wäre vor einer Abstimmung zu klären gewesen! Kein Wunder also, dass sich auch die Teilnehmer an dieser Veranstaltung, wie die Diskussionsbeiträge zeigten, weitgehend rat- und orientierungslos vor der Abstimmung alleingelassen fühlen.

Ein randvoller Vereinssaal in einem kleinen Ort im Waldviertel zeigt sehr deutlich, dass es engagierte Institutionen der Zivilgesellschaft gibt, die sich der wichtigen Themen annehmen, dass es hochkarätige Podiumsteilnehmer gibt, die bereit sind sogar in so entlegene Gegenden zu kommen und eine Bevölkerung, die interessiert und willig ist, zu hochpolitischen Fragen Stellung zu beziehen. Diesem Engagement haben die Akteure der repräsentativen Demokratie durch das mutwillige Ansetzen einer Volksbefragung ohne entsprechende Vorarbeit und Information zu diesem wichtigen Thema einen riesigen Bärendienst erwiesen, sich ihrer Verantwortung in unverzeihlicher Weise entzogen und für die Zukunft einen unermesslichen Schaden angerichtet.

Das Volk ist reif für Instrumente der direkten Demokratie, unsere Politiker offensichtlich noch nicht!

DI Karl G. Doutlik, geb 1945, zuletzt tätig in der Europäischen Kommission u.a. als Leiter der Vertretung in Österreich.

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