Seit Jahrzehnten werden die Österreicher im Wochentakt durch Berichte aufgeschreckt, die das größer werden von sozialer Kluft, Armut, Ungerechtigkeit, Welt-Unheil und Fußpilz beweisen sollen. Im Dezember künden gleich zwei Berichte von einer sozialen Schieflage – diesmal bei den Vermögen. Und wieder lohnt ein Blick hinter die Zahlen, um Entwarnung zu geben. Oder über das politische Motiv der Herausgeber nachzudenken.
Für den Sozial- und Reichtumsbericht der Stadt Wien scheint die Bundeshauptstadt ein Hort an himmelschreiender Ungerechtigkeit zu sein. Im Vergleich zum Rest-Österreich wären die Vermögen hier besonders ungleich verteilt: 30 Prozent der Wiener besitzen 92 Prozent des Vermögens. Doch das liegt an Österreichs bzw. Wiens Tradition als Mietergesellschaft begründet – und vor allem an der sozialistischen Politik der Stadt Wien. Denn das Vermögen der „Reichen“ besteht ja nicht in Autos, Geld und Uhren (wer könnte so etwas auch messen) – nein, das untersuchte Vermögen besteht zu zwei Dritteln aus dem fiktiven Wert von Immobilien (und zu einem Drittel aus dem der Firmenwerte).
Die Gemeinde Wien besitzt 220.000 Wohnungen, zusätzlich gibt es 80.000 Genossenschaftswohnungen. Mit Steuergeld verbilligt die Gemeinde ihre Mieten künstlich und hält Mieter so davon ab, sich für Wohnungseigentum zu interessieren. Damit besitzen 750.000 (!) Wiener am Papier zwar kein Eigentum, verfügen aber immerhin über eine höhere Realkaufkraft als Wohnungs-Eigentümer.
Geldschwemme blies Immobilienwerte auf
Die 30 Prozent der „Wiener Reichen“ entsprechen ziemlich genau den 30 Prozent der Wiener, die Wohnungs- oder Hauseigentümer sind. Die exzessive Ausweitung staatlichen Notenbank-Geldes in Europa (und den USA) hat bekanntlich die Immobilienwerte aufgeblasen. Von der Geldschwemme konnten folglich nur Eigentümer und nicht Mieter profitieren. Nur weil eine Eigentumswohnung statt 100.000 Euro jetzt aber 200.000 wert ist, ist sie gleichzeitig nicht auch größer geworden. Der Vermögenszuwachs entstand rein auf dem Papier. Warum soll der nun fiktiv „reiche Besitzer“ jetzt aber real Vermögenssteuer bezahlen, wie Arbeiterkammer und Gemeinde Wien nun unisono fordern?
Der Sozialbericht der Gemeinde Wien wurde von der Österreichischen Nationalbank (ÖNB) unter der Leitung von Ewald Novotny (SPÖ) erarbeitet. Ein eigener ÖNB-Bericht für das ganze Bundesgebiet stößt ins gleiche Horn, was den ORF sofort folgern lässt: „Die Vermögen in Österreich weisen eine Schieflage auf“.
Dabei müsste einem der Bericht eigentlich Mut machen: Über 20 Prozent der gesamt-österreichischen Bevölkerung besitzen Vermögen von über 300.000 Euro. Weitere 25 Prozent eines von 100.000 bis 300.000 Euro. Nur 39,5 Prozent haben weniger als 50.000 Euro. Und auch österreichweit entsprechen die 45 Prozent der Vermögenden haargenau dem Anteil jener Österreicher, die in den eigenen vier Wänden wohnen.
Höhere Steuern kürzen Kaufkraft
Markus Marterbauer von der Arbeiterkammer fordert nun die Erhöhung von Reichen-, Erbschafts- und Schenkungssteuer, um die vermeintliche Ungleichheit bei den Vermögen auszugleichen und sozial Schwache zu unterstützen.
Abgesehen davon, dass der europäische Armutsbericht EU Silc für Österreich ein langfristiges Absinken der Armutsgefährdeten (1993: 14 Prozent, 2011: 12 Prozent) und der „Working Poor“ (2004: 7,8 Prozent, 2010: 4,9 Prozent) bemerkt, warnt der von Marterbauer vorgebrachte ÖNB-Vermögensbericht auf Seite zehn: „Im Jahresverlauf 2012 hat sich die Inflationsrate wegen staatlicher Steuer- und Abgabenerhöhungen erhöht.“ Auf Deutsch: Es waren immer die neuen Steuern, die die Realeinkommen Europas kürzten. Und ist es nicht der Machtapparat um die Arbeiterkammer, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit immer neue und höhere Steuern fordert?
„Mieten“ verhindert jeden Vermögensaufbau. Es führt zu Altersarmut und macht politisch abhängig. Zwar ist die Miete niedriger als die vergleichbare Kreditrate – aber selbst wenn die Differenz auf ein Sparkonto wandert, so verliert das angesparte Kapital über die Zeit durch die wahre Inflation massiv an Wert. Zum Schluss hat der Mieter weder (Wohnungs-)eigentum noch Geld.
Schon im Kindesalter werden die Wiener in Gemeindekindergärten, Staatsschulen und Wiens omnipräsenter (SPÖ-freundlicher) Boulevard-Presse zu braven Miet-Deppen sozialisiert. Als Mieter ist man aber ein ganzes Leben lang auf die Mieter-Partei SPÖ angewiesen – und den Kampf ihres Mieterbundes für maßvolle Mieterhöhungen.
In der Pension steigt der relative Anteil der Miete (am geringeren) Pensionsentgelt. Nun ist man auf die „Pensionisten-Partei“ SPÖ angewiesen – und dass der SPÖ-Pensionisten-Verband für eine kräftige Anhebung der Mindestpensionen kämpft. So rennt man sein Leben lang verzweifelt seinem Traum vom materiellen Glück hinterher und hat zum Schluss doch nichts – außer ein Leben lang nur „rot“ gewählt.
Gemeindewohnungen verkaufen
Will man die Wiener vom Preisanstieg bei Immobilien profitieren lassen, muss man sie zu Immobilien-Eigentümern machen. Der schnellste Weg besteht darin, Gemeindewohnungen an Mieter zu verkaufen. Nach zwanzig Jahren Miete sollen die Wiener ihre Wohnung gegen eine Abstandszahlung erwerben können. Alternativ könnten Gemeindewohnungen auch bei kürzeren Mietzeiten zum Marktpreis erworben werden bzw. mit künftigen Mieten gut gerechnet werden können. In beiden Fällen müsste ein 20-jähriges Veräußerungsverbot vereinbart werden.
Wer Vermögens-Ungleichheiten ehrlich bekämpfen will, darf die Bevölkerungsmehrheit nicht mehr trickreich vom Immobilieneigentum fernhalten. Und wenn er es tut, dann muss er so anständig sein, dies im Vermögensbericht entsprechend zu erläutern.
Der Wirtschaftspädagoge und Betriebswirt Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. Sein aktuelles Buch „Die Gemeinwohl-Falle“ beschäftigt sich kritisch mit der Armutsdiskussion, aber auch den Thesen Christian Felbers oder Jean Zieglers.