Salzburger Zahlenspiele

Der Expertenbericht zur Finanzlage des Bundeslandes Salzburg, der am 16. Jänner 2013 präsentiert wurde, lässt unterschiedliche Schlussfolgerungen zu. Der Normalbürger wird möglicherweise daran verzweifeln, weil er eine „endgültige Klärung" erwartet, diese jedoch nicht bekommen hat. Dies liegt nicht an einer möglichen Verdrehung der Fakten. Fakten kann man nicht wirklich verdrehen, deren Präsentation allerdings schon.

Bei der Präsentation der Fakten haben sich die Experten (mit oder ohne Einflussnahme der Landesregierung) für folgende Argumentationslinie entschieden:

  1. Bis dato unbekannte Schulden in Höhe von 1.828 Mio. EUR wurden ausfindig gemacht („Schattenschulden“). Diese Schulden wurden in den vergangenen Jahren mutmaßlich zum Aufbau eines verborgenen Wertpapier-Portfolios aufgenommen. Das ist ganz furchtbar!
  2. Ein bis dato unbekanntes Wertpapierportfolio im Gesamtmarktwert von 1.354 Mio. EUR wurde ausfindig gemacht. Das ist zwar auch furchtbar, aber nicht ganz so furchtbar, wie wenn man bis dato unbekannte Schulden entdeckt.
  3. Erfreulicherweise besitzt das Land Salzburg noch andere Finanzwerte, sodass sich ein gesamtes Finanzvermögen in Höhe von 1.902 Mio. EUR ergibt. Diesem Finanzvermögen stehen oben genannte Schattenschulden in Höhe von 1.828 Mio. EUR gegenüber.
  4. Glücklicherweise gibt es demzufolge einen Vermögensüberhang von 74 Mio. EUR!

Obige Argumentationslinie klingt zweifellos überzeugend. Sie ist jedoch gleichzeitig ein Offenbarungseid.

Man kann ein Schattenportfolio haben und man kann Schattenschulden haben. Man kann aber nicht wirklich ein offizielles Depot mit Schattenschulden finanzieren, weil ja jeder Adam Riese (zumindest der Rechnungshof) fragen würde, womit man denn die Wertpapiere bezahlt hat. Umgekehrt wäre es schon möglich, ein Schattendepot mit offiziellen Schulden zu finanzieren. Die Schulden wären dann bekannt, die Vermögenswerte nicht – und die Schulden würden zu Verlusten mutieren.

Die offizielle Argumentationslinie sagt jedoch ganz eindeutig, dass es Schattenschulden gab mit dem einzigen Zweck, ein Schattenportfolio zu finanzieren. Damit wird es ganz einfach: Man ziehe vom Wert des Portfolios die Schulden ab. Bleibt etwas übrig, hat man gut gewirtschaftet. Hat man ein Minus, dann hat man wirklich ein Minus.

Wenn man vom Schattenportfolio in Höhe von 1.354 Mio. EUR die Schattenschulden in Höhe von 1,828 Mio. EUR abzieht, dann verbleibt ein Minus (Schuldenüberhang) in Höhe von 474 Mio. EUR. Anders ausgedrückt: Man hat 1.828 Mio. EUR Schulden aufgenommen und das Geld in Wertpapiere investiert. Diese Investition ist derzeit nur mehr 1.354 Mio. EUR wert. Ein Normalbürger würde dies als Verlust betrachten.

Interessanterweise liegen diese 474 Mio. EUR nicht allzu weit weg von jener ‚Verlustwarnung‘, die Frau „R“ angeblich errechnet hatte. Frau „R“ sagte, dass diese Verluste entstehen würden, wenn man das Schattenportfolio zu aktuellen Marktkursen liquidieren würde. Die Experten haben nun das Schattenportfolio zu aktuellen Marktkursen bewertet und kamen auf einen Verlust, der sogar über der ‚Verlustwarnung‘ von Frau „R“ liegt.

Wie konnten die Experten die oben ausgeführte Argumentationslinie glaubhaft darstellen?

Das Land Salzburg hatte zusätzlich zum Schattenportfolio noch offizielle Finanzwerte in Höhe von 548 Mio. EUR (451 Mio. EUR Derivatportfolio; 97 Mio. EUR Barguthaben). Diese offiziellen Finanzwerte wurden mit offiziellen Schulden finanziert.

Im Expertenbericht wurden die offiziellen Finanzwerte den Schattenschulden zugeordnet. Daraus ergab sich ein Vermögensüberhang von 74 Mio. EUR aus den so genannten „Finanzgeschäften“, allerdings auch ein Schuldenüberhang von 800 Mio. EUR in der finanziellen Gesamtsituation. Hätte man sich nicht verspekuliert, wäre dieser Schuldenüberhang in der finanziellen Gesamtsituation um 474 Mio. EUR niedriger gewesen.

Klaus R. Kastner
Vier Jahrzehnte Bankmanagement in sechs Ländern (Österreich, Deutschland, England, USA, Chile, Argentinien), davon 1980-87 in Chile/Argentinien als Country Manager vor Ort einer der größten amerikanischen Gläubigerbanken; Studien an Harvard und INSEAD; derzeit in Griechenland tätig.

 

Tabellarische Übersicht

 

Vermögenswerte   Verbindlichkeiten  
Finanzmanagement      
Schattendepot 1.354 Schattenschulden 1.828
Derivateportfolio 451    
Barguthaben 97    
Finanzvermögen 1.902 Schulden 1.828
Abzüglich
Schattenschulden
1.828    
Vermögensüberhang 74    
Sonstige Aktiva   Passiva  
Wohnbaukredite 605 ÖBFA Schulden 605
    Offizielle Verschuldung 874
Summe Aktiva 605 Summa Passiva 1.479
    Abzüglich Aktiva 605
    Schuldenüberhang 874
Gesamte Finanzsituation      
Summe Aktiva 2.507 Summe Passiva 3.307
    Abzüglich Aktiva 2.507
    Schuldenüberhang 800

Erläuterung: ÖBFA = Österreichische Bundes-Finanzierungsagentur

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