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Der markige Tiroler Fritz Dinkhauser verlässt also die Politik. Sein Alter und vor allem die schlechten Aussichten für die Landtagswahl sind die Gründe dafür. Vermutlich wird damit die derzeit zweitstärkste Tiroler Partei auch gleich wieder ganz aus dem Landtag verschwinden. Ein guter Anlass, eine Gesamtbilanz über die diversen politischen Sternschnuppen zu ziehen.
Von Dinkhauser über seinen Mittiroler Fritz Gurgiser, über Frank Stronach, Hans-Peter Martin bis zum BZÖ Jörg Haiders zieht sich ein roter Faden. Diesen kann man auch im Ausland etwa bis zu den Piraten und dem italienischen Komiker Beppe Grillo fortsetzen, und in der Vergangenheit bis zu Franz Olah. Sie alle sind politische Phänomene, die von den Medien hochgeschrieben werden, die aber rasch wieder untergehen, sobald die Medien das Interesse an ihnen wieder verloren haben. Auch kehlig-apokalyptische Dinkhauser-Sprüche oder das amerikanische Deutsch von Stronach oder das alemannische Eiferertum von Martin oder die täglich neue Richtungsänderung von Haider verlieren nach einer gewissen Zeit ihren Reiz für Fernseh-Zuschauer und Zeitungs-Leser.
Bei vielen der Genannten liegt freilich dazwischen der Gipfel ihrer Erfolgskurve sehr hoch: Dinkhauser beispielsweise war als Führer der zweitstärksten Partei mit mehr als 18 Prozent sogar quasi Chef der Opposition im Tiroler Landtag. Aber eben nur eine Legislaturperiode lang.
Das hat der ÖVP in dieser Zeit das Regieren sehr erleichtert. Denn Dinkhauser ist über seine gutmenschlichen Sprüche hinaus an der Sachpolitik weitgehend gescheitert, bis auf ein oder zwei Spezialthemen wie die Agrargemeinschaften war er nicht ernstzunehmen. Er hat sich, ein typischer Tiroler, auch sehr rasch in parteiinternen Streitereien verloren. Aus dieser Krise hat er nicht einmal dann mehr einen Wiederaufstieg geschafft, als sich auch die Tiroler ÖVP in inneren Streitereien verirrt hat, und als Günther Platter durch unsinnige Attacken auf das Gymnasium sowie die Annahme von Jagdeinladungen seine Partei beschädigt hat.
Bis auf die Piraten haben sie alle noch etwas gemeinsam: Es ging und geht überall um One-Man-Shows. Ein Dinkhauser, ein Stronach, ein Martin, ein Grillo, in hohem Ausmaß auch ein Silvio Berlusconi oder der bei uns weniger bekannte Laibacher Bürgermeister Zoran Jankovic sind eloquent und lebendig. Sie verschaffen den Medien im Gegensatz zu traditionellen Politikern, die auch in langen Interviews viel reden, aber möglichst nichts sagen wollen, eine Zeitlang Unterhaltungswert, Schlagzeilen und bessere Einschaltquoten. Sie strahlen unabhängig von ihrem Alter das Image aus, etwas ganz Anderes als die mausgrauen Altpolitiker, etwas ganz Neues zu sein. Ihre Reden versprechen Lösungen jahrelang ungelöster Probleme.
Jedoch: Dieser Effekt nützt sich rasch ab. Sie sind alle nicht konzept-, nicht pakt-, nicht problemlösungs-, nicht kompromissfähig – mit der zeitweisen Ausnahme Berlusconis (Dafür ist dieser umso tiefer in Strafverfahren verwickelt, ebenso wie Martin und Jankovic). Und kein einziger der Genannten hat seinem Land, seiner Region oder gar Europa in irgendeiner Weise den Stempel aufdrücken können.
Fast alle großen Persönlichkeiten der westeuropäischen Nachkriegszeit, die wirklich Geschichte gemacht und Dinge verändert haben, sind aus den großen Traditionsparteien herausgegangen. Ob das nun in Österreich ein Schüssel, ein Kreisky oder ein Raab gewesen ist. In Deutschland ein Schröder oder ein Adenauer, in Großbritannien ein Blair oder eine Thatcher, in Italien ein De Gasperi oder ein Moro. Lediglich Charles de Gaulle war eine Ausnahme: Der französische Kriegsheld hat im Alleingang die Gründung einer eigenen Partei geschafft, die auch ohne ihn am Leben geblieben ist.
Die einzige Neugründung, die nachhaltig das politische Spektrum in etlichen Ländern Westeuropa belebt hat, waren die Grünen. Sie konnten auf das breite Netzwerk der 68er Bewegung, auf die vielen Bürgerinitiativen gegen alles und jedes, auf die alternative Szene, auf die jedem modischen Trend verfallende Kulturschickeria, auf die heimatlos gewordenen Kader der diversen kommunistischen Totalitarismen und zeitweise auch auf Teile des umweltbesorgten konservativen Bürgertums setzen.
Was anfangs sehr heterogen war, hat jetzt nach Eliminierung der Bürgerlichen seinen sicheren Platz links von den Sozialdemokraten gefunden, wo dafür fast alle linkssozialistisch-kommunistischen Gruppierungen verschwunden sind. Die Grünen wollen den Sozialdemokraten nun auch als Mehrheitsbeschaffer dienen, nachdem sie diese gleichzeitig schon inhaltlich stark verändert haben (freilich nachweislich zum Nachteil der orientierungslos gewordenen Ex-Arbeiterpartei). Das ist aber bisher nur in Deutschland einige Jahre gelungen.
In Osteuropa ist der politische Trend allerdings ähnlich wie in Frankreich. Da sind die heutigen Parteien nach den Jahrzehnten der gesellschaftlichen Destruktion durch den Kommunismus weniger tief in der Gesellschaft verankert, als es die westlichen lange waren. Um nur ein Beispiel zu nennen: In Tschechien waren sowohl ein Vaclav Havel wie ein Vaclav Klaus schon auf der Bühne und wichtig, bevor sich Parteien bilden konnten.
Osteuropas Parteienlandschaft ist heute wie im Westen am Beginn des letzten Jahrhunderts in einem Zustand, den man am besten als Liquid Democracy beschreiben könnte (Ja ich weiß, dass dieser Ausdruck bei den Piraten und in der EDV-Welt eigentlich etwas ganz anderes heißt). Fast jede erfolgreiche Partei wird in den Reformländern bei der nächsten Wahl auch wieder zertrümmert.
Zurück zu den politischen Sternschnuppen in Westeuropa. Heißt ihr regelmäßig kurzes Leben, dass dort das politische Gesetz gilt: Extra factiones veteres nulla salus? Gibt es außerhalb der alten Parteien kein Heil? Können sich Rot und Schwarz und Grün und die da und dort existierenden dritten Lager (mit liberalen, nationalen oder separatistischen Wurzeln) auf Dauer der Macht gewiss sein?
Nichts wäre falscher, als wenn sie diese Hoffnung hegen sollten. Auch wenn sich bisher das Neue überall als nicht nachhaltig erwiesen hat, geht die Erosion des Alten munter voran. Man denke nur, dass in Österreich Rot und Schwarz, die Jahrzehnte deutlich über 90 Prozent gelegen sind, heute darum zittern müssen, wenigstens gemeinsam 50 Prozent zu erreichen.
Was heißt das? Politik wird diffuser, von momentanen Stimmungen geprägt, von Einzelthemen, von unvoraussehbaren Zufälligkeiten, von der kurzfristigen medialen Ausstrahlung einzelner Personen, vom Verschwinden alter Lager ohne das Entstehen dauerhafter neuer. Das kann gefährlich werden.
Das könnte aber auch durch eine ernsthafte Öffnung für die Direkte Demokratie in einem neuen konstruktiven Aufbruch münden. Und nur so, sicher nicht durch irgendeine neue Heilsgestalt. Die Erkenntnis vieler Menschen, sich in einer immer komplizierter und differenzierter werdenden Welt nicht auf Dauer mit einer Person, einem Lager identifizieren zu können, droht ohne die Entwicklung direktdemokratischer Mechanismen in totaler politischer Frustration zu enden. Die Menschen sind durchaus bereit, sich ernsthaft auch mit solchen komplizierten Sachfragen zu befassen, an denen die Politik scheitert. Wie der vergangene Sonntag gezeigt hat.
Direkte Demokratie von der Parteien Gnade kann aber kein Dauerzustand sein. Die Bürger und nicht die Parteien sind der Souverän. Sie wollen daher selbst bestimmen, worüber sie selbst abstimmen und was sie ihren politischen Angestellten überlassen: Ein Minister ist auf deutsch ebenso ein Diener wie ein Mandatar ein Beauftragter ist.