Paragraph 5 Absatz der 3 der österreichischen Strafprozessordnung ist im Vergleich zu anderen Rechtsordnungen bemerkenswert klar: Beschuldigte oder andere Personen zur Unternehmung, Fortsetzung oder Vollendung einer Straftat zu verleiten oder durch heimlich bestellte Personen zu einem Geständnis zu verlocken, ist unzulässig. Lockvögel einzusetzen, die die eigenen Bürger zu Straftaten provozieren, damit diese eingesperrt werden können, ist ein Markenzeichen nichtdemokratischer Staaten.
Der Agent Provocateur ist im österreichischen Recht also verboten. Die genannte Bestimmung bezieht sich freilich lediglich auf die Polizei. Das erstaunt. Normalerweise darf ja die Polizei in der Aufklärungsarbeit mehr als die übrigen Bürger.
Wenn es nun in Mode kommen sollte, dass Journalisten Politiker zu Straftaten verführen, muss man sich dennoch erstens die Frage stellen, ob diese Journalisten schon nach der jetzigen Rechtslage nicht selbst als Anstifter von der Staatsanwaltschaft verfolgt werden müssten. Zweitens muss man legitimerweise fragen, ob derartige Methoden, die der Polizei ausdrücklich verboten sind, der Ethik des modernen Journalismus entsprechen. Dann bietet sich ja ein weites Betätigungsfeld: von der Provokation von Gewalttätigkeiten bei Demonstrationen (beispielsweise Steinewerfen auf Polizisten) über Vermögensdelikte bis zum Mord gäbe es tolle Geschäftsmodelle.
Und drittens: Wenn Journalisten das straffrei dürfen, müsste auf Grund des Gleichheitssatzes die erfolgreiche Provokation eines strafbaren Verhaltens eines anderen für jeden Bürger straflos sein. Dann allerdings sind wir nicht mehr weit vom Überwachungsstaat entfernt, in dem sich die Bürger gegenseitig bespitzeln.
Wenn man sich all diese Konsequenzen durchdenkt, kann der Rechtsstaat eigentlich nur zu einer Konklusion kommen: Anstiften zu Straftaten sollte für alle verboten sein, nicht nur Polizisten. Auch die Macht der Medien darf nicht zu Narrenfreiheit führen.
Es ist noch gar nicht so lange her, da empörte sich Österreich gar nicht zu Unrecht über den Einsatz eines weiblichen Lockvogels in der Tierschützerszene, der ganz schön weit gegangen sein soll. Jenseits aller Verschwörungstheorien, die den meisten Beobachtern den Blick auf das Wesentliche verstellen können, sollten wir die aktuelle Gelegenheit nützen, den Agent provocateur zu ächten, um keine Vernaderungsmentalität aufkommen zu lassen. Denn diese trägt einen noch viel gefährlicheren Keim der Zerstörung in sich als die Charakterschwäche eines mittelintelligenten Durchschnittspolitikers.
Der aktuelle Anlass wirft aber auch noch eine zweite Frage auf: Wenn wir es für richtig halten, dass ein Politiker, der sich zu einer folgenlosen Bereitschaft einer Geldannahme provozieren ließ, mit vier Jahren Haft bestraft wird: Welche Strafen sehen wir dann für Politiker vor, die tatsächlich Geld genommen haben?
Dr. Georg Vetter ist selbständiger Rechtsanwalt mit Schwergewicht auf Gesellschaftsrecht und Wahrnehmung von Aktionärsinteressen in Publikumsgesellschaften.