Es gab in Österreich seit dem verdienstvollen Wiederaufbau des Bundesheeres nach 1945 eine einzige wirkliche Heeresreform; eine, die den Namen auch tatsächlich verdient hat. Jene des Generals Spannocchi, die ab den 1970er Jahren umgesetzt wurde (Emil Graf Spannocchi, 1916?-?1992). Sein Konzept der „Raumverteidigung“ war gescheit, für das klein gewordene Österreich maßgeschneidert und sowohl mit den finanziellen Möglichkeiten des Landes vereinbar, als auch den militärischen Erfordernissen entsprechend.
Ein System, das auf die Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht gestellt war, ausgestattet mit einem zentralen Kader aus Berufsoffizieren, mit Miliztruppen und mit einer dem Zivilstand entnehmbaren Truppenreserve mit Reserveoffizieren. Mehrere Monate Miliz-Grundwehrdienst wurden mit diversen Truppenübungen ergänzt, welche in die zwanzig Folgejahre der „Bereitschaft“ fielen. So wären im Fall einer Krise dann rund 240.000?Mann eingeübt, das heißt, theoretisch auch kampfbereit gewesen.
Nach Spannocchi wurde dann heruntergewirtschaftet, Schritt für Schritt – nicht in Verantwortung der Militärs gelegen, sondern in jener der immer weiter nach links driftenden politischen Kaste. Nach 1989 wurde das Heer auf einen Krisenstand von 150.000?Mann und nach 1998 auf 110.000?Mann vermindert. In der nach Kreisky übelsten Zeit republikanischer Destruktionspolitik fanden sich dann durch Kanzler Schüssels famose „Bundesheer-Reformkommission“ die ohnehin zunehmend verringerten Truppenübungen noch weiter reduziert.
Da ohne Übungen eigentlich auch keine „Bereitschaft“ mehr besteht, also die praktikable Einsatzmöglichkeit einer Reserve dahinschwindet, ist das Heer nunmehr auf eine potentielle Größe von 55.000?Mann abgebaut (was sich aus 13.000 Berufssoldaten, 3500 für eine bestimmte Zeit verpflichteten Soldaten, 11.000 jeweils frischen Rekruten und den noch einberufbaren Abgerüsteten ergibt). Schon unter Schüssel also, dem nachgesagt wird, sehr den Wünschen der USA zugewandt gewesen zu sein, wurde die Richtung auf ein minimiertes „Berufsheer“ (=Söldnertruppe) eingeschlagen. Seither wird auch umfassend de facto unersetzliches militärisches Gerät verramscht und werden die entsprechenden Liegenschaften verkauft. So hat man bereits rund 750?Panzer abgestoßen beziehungsweise verschrottet; darunter, besonders erwähnenswert, 60?Leopard-Kampfpanzer, zentrale Ressource einer effizienten Landesverteidigung. Vom neuen Kampfflugzeug „Eurofighter“ haben wir jetzt – Konsequenz früherer und derzeitiger Trottelwirtschaft im Verteidigungsressort – nahezu um den gleichen Stückpreis 15 statt 18?Exemplare, dafür aber ohne Nachtsichtsystem.
Und als nächstes zum Verkauf ausgeschriebenes Kasernengelände ist jenes in Wien-Breitensee vorgesehen, mit etlichen denkmalgeschützten Objekten darauf, die dann wahrscheinlich der inzwischen zum allgemeinen Polit-Standard gehörenden Grundstücksspekulation zum Opfer fallen werden. Die jetzige Heeres-Debatte ist Folgeprodukt vorangegangener und andauernder Fehlentscheidungen; warum dramatisch falsch, militärisch schwachsinnig und den Interessen des Landes völlig zuwiderlaufend gehandelt wird, soll hier ausgeführt sein.
Zur Heeresdebatte…
Die Wehrpflicht abschaffen, den „Jungen“ die „Sinnlosigkeit“ eines „öden“ Militäralltags ersparen, ihnen nicht wertvolle Monate ihres Lebens „stehlen“, eine „Berufsarmee“ einführen – das ist zur Zeit die Argumentationslinie der Sozialisten. All dies ist im Grunde auch der alte Klassenkampf, in diversen Wahlkampfauftritten jüngster Zeit reaktiviert – die Abneigung der Linken allem Militärischen gegenüber, das nicht völlig von ihr kontrolliert wird. Natürlich entspräche ein bestausgerüstetes und bestfinanziertes Berufsheer höchster Qualität einer Stärkung der Landesverteidigung; in etwa so, wie der Umzug vom Gemeindebau ins Palais Schwarzenberg eine Verbesserung der Wohnqualität bedeuten würde. Allerdings ist es eine Frage des Geldes.
Das Heeresbudget wird ständig gekürzt. Der momentane Verteidigungsminister (Sozialist und Zivildiener) vertritt die Idee das Heer, mir nichts dir nichts, in eine reine Berufsarmee von etwa 15.000?Mann umzuwandeln. Dieses Projekt kann mit den Begriffen zu wenig (in Bezug auf die Sicherheitsbedürfnisse des Landes) und zu teuer (in Bezug auf das zur Verfügung stehende Geld) charakterisiert werden. Bis jetzt rekrutiert sich das Heer kostengünstig aus den wehrpflichtigen Bürgern aller Schichten Österreichs; die Wehrpflicht spart Geld und ermöglicht dennoch eine partiell hinreichende militärische Ausbildung der Einberufenen. Die Qualität der militärischen Ausbildung, zumindest, was den Offizier anbelangt, ist in Österreich übrigens immer noch exquisit und hält jedem internationalen Vergleich stand.
Das projektierte „Berufsheer“ aber würde sich bei Wegfall der Wehrpflicht in Anbetracht des zu erwartenden Soldes (1200,-?€ pro Soldat und Monat, wenn es hoch kommt) wohl nahezu ausschließlich aus sozial Deklassierten rekrutieren; wenn man überhaupt die Leute dafür zusammenbekäme. Da stellt sich dann tatsächlich die Frage nach der Qualität. Und für diese gibt es anscheinend schon europäische Vorgaben – die Engländer sollen mittlerweile zahlreiche Rekruten für ihr Berufsheer aus den Gefängnissen holen; die Belgier haben einen Veteranenverein mit arbeitslosen Frühpensionisten kreiert; und die Spanier werben Analphabeten aus Lateinamerika.
Überdies käme bei uns dazu, dass der zum Heeresdienst als Alternative bestehende und mittlerweile bei Rettung und Pflege auch bewährte Zivildienst mit diesem Modell liquidiert würde. Dass ein „freiwilliger bezahlter Sozialdienst“, den sich einige unbedarfte Linke vorstellen, ebenso wenig funktionieren würde, wie ihr Bundesheer „light“, ist völlig absehbar; auch hier wären zur Einrichtung eines zum jetzigen auch nur vergleichbar effizienten Dienstes auf Angestelltenbasis enorme Gelder notwendig, die man kaum auftreiben wird können.
Warum brauchen wir das Bundesheer überhaupt? Selbst wenn wir davon ausgehen, dass klassische Bedrohungen von außen, wie sie in Zeiten der Existenz der kommunistischen Hegemonie über das östliche Mitteleuropa noch gegeben waren, auf längere Sicht nicht zu erwarten sind, so bleiben zentrale Sicherungsaufgaben des Staates bestehen, für die im Notstandsfall das Heer einzusetzen ist. Wie etwa: Der Schutz der Energieinfrastruktur, also Leitungen, Umspannwerke, Pipelines; der Schutz des Trinkwassersystems; der Schutz der Verkehrseinrichtungen, also Flughäfen, Bahnhöfe, Schienen, Straßen, Brücken; der Schutz der Behörden; der Schutz der Kulturgüter; der Katastropheneinsatz; ein allfälliger Grenzschutz.
Dass die verfügbaren Polizei- und Feuerwehreinheiten zahlenmäßig dafür nicht ausreichen, wird deutlich, wenn man pro Bundesland rund tausend Objekte als solcherart schützenswert annimmt, was wahrscheinlich recht gering veranschlagt ist. Eine in der Schweiz durchgeführte Sicherungsübung, den Flughafen von Zürich-Kloten betreffend, benötigte alleine schon 7000 Mann. Wie sehr solche Sicherungsaufgaben aktuell bleiben, belegen etwa die häufiger werdenden und kaum behinderten Buntmetalldiebstähle am heimischen Bahnnetz. Und nachdenklich stimmen sollte es, wenn man liest, dass die auf ihre Landesverteidigung hohen Wert legende Schweiz unlängst Manöverannahmen mit dem Titel „Instabiles Europa“ wählte.
Dass die von den Vertretern des „Fortschritts“ nun angestrebte miniaturisierte „Berufsarmee“ wesentlichen Aspekten einer Landesverteidigung kaum gerecht werden könnte, ist völlig offenkundig. Es geht also bei der Reduzierung des Heeres auf eine reine Berufsarmee ganz gewiss nicht um Interessen des Landes. Beim näheren Hinsehen ergeben sich aber andere Interessensgefüge.
… und ihren Hintergründen
Was mag der Sinn solch einer neu eingeführten Berufsarmee sein? Für die Wahrnehmung jener Aufgaben, für welche an sich das Bundesheer zuständig wäre, wird sie zu klein sein. Wofür sie völlig ausreichen würde, wäre aber der Einsatz „Out of area“, der „Auslandseinsatz“ also. Es sind derzeit die USA, die bei ihren zahlreichen militärischen „Sicherungsoperationen“ zur „Verteidigung von Frieden und Demokratie“ in allen Erdteilen eine gesteigerte personale und budgetäre Entlastung durch die „Partnerstaaten“ erheischen. Dieser in Washington vertretene Ansatz wird uns solcherart kommuniziert, dass „Sicherheit im Verbund mit anderen“ anzustreben sei.
In dieses politische Wollen ist etwa die „NATO-Partnerschaft für den Frieden“ einzuordnen, oder auch die „breite Beteiligung“ von rund 50?Staaten, darunter Österreich, an der Besetzung Afghanistans. Man könnte die Sachlage auch undiplomatischer formulieren und zur Auffassung gelangen, dass die USA – beziehungsweise die sie eigentlich beherrschenden Oligarchen – zur Führung ihrer diversen Rohstoffkriege vermehrt auf die Mittel ihrer Vasallenstaaten in Europa zurückzugreifen wünschen. Zum Beispiel auf leicht einsetzbare Kontingente für ausgelagerte unangenehme Besatzungsaufgaben.
In dieses Bild passt auch der Besuch des sozialistischen Verteidigungsministers im Oktober 2012 im Pentagon. Antreten zur Befehlsausgabe? Die hierzulande gepflogene Außenpolitik ist lange schon von den Höhen zur Zeit Figls und Raabs in morastige Abgründe geraten. Unter Kreisky war sie so sowjetorientiert, dass Österreich auf den strategischen Karten des schon erwähnten Pentagons angeblich dem Ostblock zugerechnet wurde. Damals hätte man den völlig legitimen Kampf Amerikas gegen die weltweite kommunistische Expansion unterstützen müssen. Heutzutage sind es die USA, die weit über die ihnen zustehende Sphäre hinaus eine globale Bevormundungs- und Ausbeutungswirtschaft betreiben. Heute wäre gegen diese Politik zu optieren, statt, wie es in unserer Republik der Fall ist, sich bedingungslos den Zumutungen aus Washington zu fügen.
Zur Wehrpflicht
Wehrpflicht gab es bis zur Heeresreform des Marius schon im alten Rom; auch bei den Germanen galt eine Gefolgschaftsverpflichtung der Freien. Im Mittelalter setzte sich dies in gewisser Weise in wehrpflichtartigen Diensten des Bauern gegenüber dem Grundherrn fort und der feudale Lehensmann hatte dem Lehensherrn ohnehin Heerfolge zu leisten. Erst das späte Mittelalter im Übergang zur Neuzeit brachte die allmähliche Ablösung solcher Wehrdienste durch die vermehrte Anwerbung von Söldnern, die (wie bei den Legionen des antiken Imperiums) als gut geübte Kriegshandwerker gegen Bezahlung eingesetzt wurden.
Wallenstein schuf auf dieser Basis das stehende Kaiserliche Heer, welches das bestausgerüstete und disziplinierteste seiner Zeit war, dessen enorme Kosten allerdings von ihm vorgestreckt und dann vom geschlagenen Gegner bezahlt wurden. Ausnahmen in dieser Entwicklung bestanden auch – so etwa in der Schweiz und in Tirol, wo ein Großteil der Bevölkerung den Brauch, Waffen zu führen, beibehielt. Söldnerheere erleichtern den Krieg, wenn man ihre Bezahlung durch andere erzwingen kann. Sie erschweren (zumal teuer, wenn gut) den Krieg, wenn man selbst für die Kosten aufkommen muss.
Die „allgemeine Wehrpflicht“ kam dann mit den Terror- und Expansionskriegen, welche die französische Revolution über Europa brachte; die „Levée en masse“, die jeden Franzosen und jede Französin auf den Kampf für die revolutionäre Republik dienstverpflichtete, entsprach dem totalitären Ungeist der Ideologie der „Aufklärung“. Im völlig gerechtfertigten Widerstand gegen die Revolution griff dann – das Scharnhorst-Konzept – auch Preußen nach seiner verheerenden Niederlage auf die Wehrpflicht der Männer aller Stände zwischen 20 und 40?Jahren zurück, was ihm schließlich die siegreiche Führung des Freiheitskampfes von 1813-1814 ermöglichte. Auch Spanien und Tirol erwiesen während der französischen Unterdrückung in der Revolutionszeit die hohe Wirksamkeit des Widerstandes einer Bevölkerung unter Waffen.
Nach den Kriegen zu Anfang der zweiten Hälfte des 19.?Jahrhunderts wurde die Wehrverpflichtung (für den Mann und in gewissen Altersgrenzen) in den meisten Staaten Europas etabliert, was auch eine erhebliche Steigerung des Ansehens des Soldatenstandes mit sich brachte. Das Abnehmen dieses Ansehens im heutigen Europa zeigt sich etwa in den weitgehend unbestraften niederträchtigen Äußerungen und Maßnahmen von politischen Funktionären gegen militärische Tradition und das zugehörige Totengedenken. Und dies korrespondiert selbstverständlich mit den gegenwärtigen Tendenzen diverser Regierungen, sich der Wehrpflicht möglichst zu entledigen.
Und dies hat auch mit den öffentlich nicht ausgesprochenen, aber klar erkennbaren Absichten des etablierten Systems zu tun, die Bevölkerungen weitgehend zu entwaffnen und vom Militärischen fernzuhalten. Angesichts der mittels „Finanzkrise“ vorgenommenen Ausplünderung eben dieser Bevölkerungen und dem drohenden Herannahen europaweiter Unruhen, werden zusätzlich zu den von „außen“ einwirkenden politischen Vorgaben so auch die mit diesen zusammenklingenden „innenpolitischen“ Aspekte deutlich. Statt allgemein rekrutierter Milizarmeen soll also die jederzeit auch im „Inneren“ einsetzbare Soldtruppe aufgestellt werden.
Es wird der „plötzliche“ dringliche Wunsch gewisser (und gewiss nicht dem allgemeinen Wohl verpflichteter) Kreise nach Abschaffung der Wehrpflicht nur zu verständlich. Und neben den zahlreichen anderen guten Gründen empfehlen wir gerade auch deshalb und in Zeiten wie diesen ein „Ja“ zur Beibehaltung der Wehrpflicht und des Zivildienstes bei der „Volksbefragung“ am 20.?Jänner?2013. Das Tirol von 1809 soll uns hier ein ermutigendes Beispiel sein.
Nur ein wehrhaftes Volk vermag, dem Unrecht mit Widerstand entgegenzutreten.
Albert Pethö