Vor über 70 Jahren forderten damals die nazitreuen „Deutschen Christen“ in Anlehnung an die allgegenwärtige Losung „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ unter dem Schlachtruf „Ein Volk, ein Reich, ein Glaube“ die Gleichschaltung der Kirchen. Im Aufruf „Ökumene jetzt: Ein Gott, ein Glaube, eine Kirche“, der ebenso „Katholiken, werdet endlich protestantisch!“ heißen könnte, fordern 23 um das Christentum rührend besorgte Katholiken und Protestanten mit Beteiligung und Unterstützung des ZdK[i] Ähnliches. Die Ökumene ist aber zu wichtig, um sie diesen politisch korrekten Funktionären und Talkmastern zu überlassen.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken entstand 1868 und setzte sich während des Kulturkampfes für die unterdrückten Rechte der Katholiken und für die Stärkung ihrer von Bismarck inkriminierten Verbindung zum Papst („Ultramontanismus“) ein. Seit den 1970er Jahren entwickelte sich das ZdK zu einem zunehmend papstkritischen bis -feindlichen Verein. Einige seiner Mitglieder vertreten demonstrativ und unwidersprochen antikatholische Positionen.
Die Äußerungen des ZdK zu beinahe allem – vom autofreien Sonntag über Fastfood, Umweltschutz bis zu ethisch-moralischen Fragen – legen den Verdacht nahe, dass seine Funktionäre die Kirche mit einer politischen Partei verwechseln, die man durch Beschlüsse dem Zeitgeist anpassen kann.
So wird das Komitee von einigen Mitgliedern als Bühne für zusätzliche Medienpräsenz und Profilierung genutzt. Auf die Faustregel – je papstkritischer die Erklärung, desto frenetischer der Beifall der Medien – kann sich das ZdK stets verlassen.
Für einen von der katholischen Kirche üppig alimentierten Verein verwundert hingegen schon dessen Schweigen beziehungsweise allzu leises Auftreten zu Themen wie
- Der staatlich verordneten, die Identität und Persönlichkeit zerstörenden Sexualisierung bereits im Kindergarten und der Verstaatlichung der Kindererziehung vom Säuglingsalter an
- Der Diffarmierung des Erziehungsgeldes (in Trinkgeldhöhe) als „Herdprämie“
- Dem Gender Mainstreaming in allen Behörden und Institutionen
- Dem Angriff auf Ehe und Familie durch die in den Parteien und Medien geforderte Gleichsetzung der gleichgeschlechtlichen eingetragenen Partnerschaften mit ihr
- Der Gleichgültigkeit gegenüber dem Wohl der Kinder bei dem ebenfalls geforderten Adoptionsrecht
- Der Christenverfolgung in muslimischen Ländern, um nur einige zu nennen.
Mit den Stimmen der den Ökumeneaufruf unterstützenden Politiker werden Gesetze verabschiedet, die zunehmend die Ehe und Familie und die christlichen Grundlagen unserer Gesellschaft zerstören, während die anderen sonst so redseligen Unterzeichner des Aufrufs beharrlich dazu schweigen. Zu diesen Themen einen christlichen Standpunkt zu vertreten kann heute bereits existenzvernichtend sein und erfordert Zivilcourage.
Gabriele Kuby hat darüber jüngst ein Buch geschrieben „Die globale sexuelle Revolution: Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit“. Wie bedeutend das Thema ist zeigt das Vorwort von Prof. Robert Spaemann. [ii]
Die ökumenischen Vorbilder
Um die Ökumene haben sich auch große unbeugsame Geister bemüht, die sich aber den wesentlichen Unterschieden beider Konfessionen stellten, z.B. Pastor Martin Niemöller in einem 1939 im KZ Dachau verfassten Brief. Dieser erschien unter dem Titel „Damit nicht jeder sein Sträußlein pflückt“ erst anlässlich der „Dominus Jesus“ Debatte am 1.11.2000 in der FAZ. [iii]
Niemöller analysiert dort schonungslos das Wesen des Katholischen und des Protestantischen. Seine Schlüsse kämen den heutigen beiden „Amtskirchen“ höchst ungelegen. Ist es diese hochbrisante unbequeme Aktualität, deretwegen der Brief 60 Jahre unter Verschluss gehalten wurde und auch jetzt wieder totgeschwiegen wird?
Als ein großer Zeuge des Ringens um die Ökumene ist auch Wilhelm Freiherr von Pechmann [iv] zu nennen. Er war der erste gewählte Präsident der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und galt als einer der bedeutendsten Laien in ihr. Von Anfang an war er entschiedener Gegner des Nationalsozialismus und unterhielt enge Beziehungen zu Kardinal Faulhaber.
Briefe und Aufzeichnungen von Pechmanns [v] sind ein authentisches Zeitdokument, weil sie damals und nicht hinterher geschrieben wurden. Sie dokumentieren auch sein dramatisches Bemühen um Ökumene. Seine Darstellung der unterschiedlichen Lage der Protestanten und Katholiken im dritten Reich straft die Versuche, letztere als Mitläufer zu bezichtigen, lügen.
Ein katholischer Beitrag zur Ökumene ist z.B. die Rede, die der Schriftsteller Martin Mosebach unter dem Titel „Dies ist mein Leib“ auf Einladung der evangelischen Stadtkirche von Darmstadt über die Eucharistie gehalten hat.[vi]
Das Fehlen solchen religiösen Basiswissens – sowohl bei Katholiken wie Protestanten – ist einer der Gründe für die heutige prekäre Lage der Kirchen im deutschsprachigen Raum. Diesen Zustand haben die Bischöfe und wir Gläubigen zu verantworten. Daran werden aktionistische Aufrufe von ökologisch, ökonomisch und ökumenisch Gerührten, die nichts mehr fürchten, als politisch unkorrekt zu sein, nichts ändern.
Wann erwachen die verbeamteten und wohlgenährten Amtskirchen aus dem Schlaf, von den Folgen der 50-jährigen Anbiederung an den Zeitgeist verwandelt wie der Kafkasche Georg Samsa?
Prophetisch hat bereits 1963 der polnische Philosoph Leszek Kolakowski, damals noch Marxist, im „Stenogramm einer metaphysischen Pressekonferenz, die der Dämon am 20.12.1963 in Warschau abgehalten hat,“ diese Anbiederung und ihre Folgen mit Spott und beißender Ironie beschrieben. [vii]
Der „Anschluss“ als der Königsweg?
Den ökumenischen Königsweg hat der Protestant Johannes Gross gewiesen, als er anlässlich eines der sogenannten „Kirchenvolksbegehren“ 1999 im FAZ-Magazin bemerkte:[viii]
„Engagierte Reformkatholiken wollen, dass Geistliche heiraten und Frauen Geistliche werden können und dass die Sexualmoral der Kirche modernisiert werde. Es gibt eine Kirche, die diese Wünsche längst erfüllt, nämlich die protestantische. Trotzdem kommt keiner dieser Katholiken auf die Idee, sich ihr anzuschließen. Ja, warum denn wohl?“
Gleichzeitig warnte Gross jedoch vor Alternativen dieser Art:
„Obacht bei einer Sache, die sich als Alternative bezeichnet! Da will sich ein Interesse andienen, das auf eigenem Fuß nicht stehen kann, sich an seinem Gegensatz festhält und, das Bessere zu sein vorgebend, ihn bewirtschaftet.“
Franz Lassak ist Architekt und lebt in München.
Endnoten
[i] ZdK: Zentralkomitee (einiger) deutscher Katholiken
[ii]http://www.fe-medien.de/epages/fe-medien.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/fe-medien/Products/00150, http://www.gabriele-kuby.de/buecher/die-globale-sexuelle-revolution/
[iii] im FAZ Archiv; oder leicht gekürzte Fassrung, kostenlos: http://www.mscperu.org/deutsch/Debatte/tradition_protestantisch.htm
[v] Widerstand und Solidarität der Christen in Deutschland 1933-1945: Eine Dokumentation zum Kirchenkampf aus den Papieren des D. Wilhelm Freiherrn von Pechmann von Friedrich W Kantzenbach (2000): nur noch antiquarisch erhältlich oder als Reprint bei Bezirkausschuss Maxvorstadt: Tal 13, Tel. 089 22 80 26 73
[vi] Die Tagespost Nr. 68 vom 08.06.2004, Hanser Ausgabe des auch im linken Feuilleton gelobten Buches „Häresie der Formlosigkeit. Die römische Liturgie und ihr Feind“, komma-magazin: http://komma-magazin.de/cms/Ehrfurcht/Eucharistie
[vii] in „Gespräche mit dem Teufel. Acht Diskurse über das Böse“, Pieper München
[viii] FAZ Magazin 1999, auch in „Nachrichten aus der Berliner Republik. Notizen aus dem inneren und äußeren Leben 1995-1999“, Berlin 1999, S. 72, Nr. 205