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Ein Weihnachtspackerl von der Pharmaindustrie für die Kinder?

Um die Kindergesundheit ist es in Österreich nicht zum Besten bestellt. Neben Übergewicht und Diabetes sind da vor allem die mangelhaften Leistungen der Krankenkassen für Kinder ein zentrales Problem. Wer Kinder hat, der weiß, wovon ich rede.

Brillen, Zahnspangen, Legasthenikertherapien (in Deutschland von der Krankenkasse bezahlt), Psychologe hier, Therapie da. Es gibt die Eltern, die sich diesen Luxus leisten können und alles auch privat zahlen – und eben die anderen, die das nicht können. Die rennen von Pontius zu Pilatus und hören Antworten wie: „Die nächste freie Ergotherapie auf Kassenkosten gibt’s in circa 18 Monaten.“ Das tröstet eine Mutter sicher, deren Zweijähriger jetzt motorische Probleme hat.

In dieser Hitliste führt das jüngste Bundesland übrigens: Das Burgenland hat sieben Kinderfachärzte mit Kassenvertrag für das ganze Bundesland und zwei Spitalsabteilungen für Kinder. Da empfehle ich jedem Gesundheitspolitiker, einmal ein paar Stunden in der Ambulanz zu verbringen. Das eröffnet neue Welten. Keine Sorge, der Herr Landesrat für Gesundheit hat erst kürzlich eine Umfrage gemacht: Die Burgenländer sind zufrieden mit ihrem Gesundheitswesen. Da fragt sich nur: Wen hat er gefragt? Ich kenne keinen von den zufrieden Strahlenden. Denn im Burgenland gibt es nicht einen einzigen Logopäden mit Kassenvertrag, keine Physiotherapeuten mit Vertrag. Keinen Facharzt für Kinder-Neuropsychiatrie. Die gibt’s sowieso nur privat. Also offenbar paradiesische Zustände.

Geld für Kindergesundheit falsch investiert

Zurück zu den Kindern: Die Pharmig, ein Interessenverband der Pharmaindustrie, schüttet nun viel Geld aus, damit etwas für die Kindergesundheit geschieht. Klingt gut. Aber wie tut sie das? Und wer bekommt das meiste Geld? Das meiste Geld haben sich ausgerechnet die Krankenkassen von der Pharmig geholt. Wäre die medizinische Grundversorgung nicht eigentlich etwas, das die Krankenkassen leisten müssten?

Und ganz zufällig saßen die Krankenkassen auch in jenem Gremium, das über die Geldverteilung zu beschließen hatte. Von insgesamt 112 eingereichten Projekten bekommen 18 eine Unterstützung durch die Pharmig. Fast alle jener Initiativen, die sich eigenständig um die Verbesserung der Gesundheit der Kinder und Jugendlichen bemühten, gingen leer aus.

Stattdessen möchte die Wiener Gebietskrankenkasse plötzlich psychische Gesundheit groß schreiben und mit dem Pharmig-Geld Workshops für Jugendliche finanzieren. Wie wärs, wenn sie endlich einmal die Therapie psychischer Krankheiten zahlt? Mediziner kritisieren, dass die Verschreibungen von Methylphenidat steigen (Ritalin, Concerta), aber das ist die einzige Therapie, welche die Kasse bei der Krankheit ADHS zahlt – von Psychotherapie, Ergotherapie oder ähnlichem werden hingegen nur rund 20 Prozent gedeckt. Nun wird uns vorgegaukelt, dass Workshops in 35 Schulen der Sekundarstufe 1 eine gezielte Förderung der psychischen Gesundheit und langfristige Einsparungen erreichen werden.

Zu den Nutznießern des Pharmig-Geldes zählen auch die Steiermärkische Gebietskrankenkasse und die SVA (der gewerblichen Wirtschaft), die ganz zufällig durch ihren Vize-Präsidenten McDonald ebenfalls im Gremium vertreten war. Dort will man Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche fördern. Wie viele Menschen nehmen Vorsorgeuntersuchungen wahr? Wie viele davon sind bei der SVA? Im Übrigen  gehört die SVA zu den wenigen sehr positiv bilanzierenden Kassen. Warum muss sie gesponsert werden? Ein Schelm, wer hier irgendwelche Zusammenhänge erahnt.

Gleich fünf Gebietskrankenkassen kassieren gemeinsam mit der Liga für Kinder und Jugendgesundheit zum (an sich zweifelsfrei wichtigen) Thema frühe Hilfen.

Aber es kommt noch besser: Das Ludwig-Boltzmann-Institut für Health Promotion Research wird auch gesponsert. Dieses Institut wird regelmäßig mit Studienaufträgen des Unterrichts- und Gesundheitsministeriums gefüttert und veranstaltet dann datenrechtlich bedenkliche Studien wie die HBSC-Studie (Health Behavoiur in School-aged Children). Medial wird dann groß diskutiert, wie viele dieser schrecklichen Jugendlichen rauchen und Alkohol trinken. Dann kommt die Studie in eine Lade und fertig. Ändern tut sich nichts – bis zur nächsten Studie. Vielleicht hat sich dann das Problem von alleine gelöst?

Dieses Institut wird jetzt in einer epidemiologischen Studie die psychische Gesundheit erheben. In bewährter Art wird das in Schulklassen erfolgen, wie bei HBSC sind 11-, 13-, 15- und 17-Jährige die Objekte, deren Eltern wahrscheinlich wieder nicht um ihre Zustimmung gefragt werden. Was braucht‘s dringender: Konkrete Therapien oder die Aufbereitung der epidemiologischen Situation?

Aber es haben auch zwei wirklich sehr interessant klingende und sicher dringend bedürftige Projekte den Zuschlag bekommen. Beide kümmern sich um Autisten (Angeblich war der Attentäter beim kürzlichen Amoklauf in Newtown/Connecticut Autist). Dabei bleibt aber eine große Unbekannte, nämlich: Welches Projekt hat wie viel Geld bekommen?

Ich vermute, die Projekte der Krankenkassen liegen im sechsstelligen Bereich, die für Autisten und andere Randgruppen bleiben vierstellig. Und jetzt möge jeder für sich beurteilen, ob das ein schönes Geschenk für Kinder unter dem Christbaum ist.

Der Hintergrund der Pharmig-Aktion: Anstatt die Spannen der Großhändler und Erzeuger zu kürzen, haben diese einen Solidarbeitrag beschlossen. Also: Die Pharmabranche ist solidarisch mit dem Defizit der Kassen. Und zahlt. Sie zahlt insgesamt 82 Millionen Euro Solidarbeitrag.

Davon werden über mehrere Jahre 6,75 Millionen Euro, das sind also rund acht Prozent des ganzen Kuchens, in das hehre Ziel der Kindergesundheit investiert. Aber ganz zufällig haben sich eben bei der Verteilung dieses Betrags wieder primär die Kassen selber bedient. Da schaltet man halt nach gut österreichischer Art eine angeblich völlig unabhängige Kommission dazwischen, welche die Projekte auswählt und lauter liebe Menschen, die Kindern etwas Gutes tun wollen. Tun sie aber nicht, auch wenn sie die angebliche Kinderfreundlichkeit knapp vor Weihnachten verkünden.

Der Autor ist ein Wiener Arzt

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