Seitens der strategischen Zentrale der SPÖ wurde das Berufsheerthema unter wahltaktischen Gesichtspunkten aufgegriffen; gesellschafts- und sicherheitspolitische Zielsetzungen waren bestenfalls sekundär. Die Grünen haben sich dabei ins Pilz-Schlepptau nehmen lassen, eine Übereinstimmung mit der Grundphilosophie der Partei ist schwer auszunehmen.
Viele dem „Wahlvolk“ Zuzuzählenden sind verärgert; eine derart komplexe Frage wäre durch die politisch Verantwortlichen zu beantworten. Und – was steckt nun wirklich hinter diesem Manöver?
Etwa einen Monat vor der Befragung wurde die heiße Phase eingeläutet. Das Timing der „anderen“ ist perfekt: Vor Weihnachten mit halbwahren und scheinplausiblen Hits an die Öffentlichkeit treten, diese dann über Weihnachten einsinken lassen und wahrscheinlich nach der Ferienperiode wieder aufrühren. Es gehe ja darum das „Trägheitsmoment gegenüber Veränderungen“ zu überwinden und die aufmüpfigen Teile der wirklich sozialdemokratischen Basis über den Tisch zu ziehen. Eine Stärke für die Berufsheerapologeten ist dabei die zentrale Führung, ihre Schwäche das Vordergründige der Argumente:
- Derzeit aktuell sind das Feminismus-Argument – weg von der „Wehrpflichtmännermachogesellschaft“ (zwei Prozent Frauen) hin zur Berufsheer-weltoffenen Lösung (15 Prozent Frauenanteil) und das
- Freiwillige Feuerwehrargument – 90 Prozent Katastrophenhilfe macht sowieso die Feuerwehr; wozu also mehr als ein paar Pioniermaschinen?
- Dazu kommt noch Österreich als eines der letzten „urzeitlichen Wehrpflichtländer“ in Europa gegenüber den „anderen aufgeklärten“, die bereits auf Berufsheer umgestellt haben.
- Die Vorgänge um Salzburg und den zurückgetretenen Präsidenten der Offiziersgesellschaft sind da sicher nicht unwillkommen.
Grundsätzliche Zielsetzung sollte es daher sein, die wahren Absichten zu enttarnen. Es geht nicht primär um gesellschafts- oder sicherheitspolitische Verbesserungen, sondern um die Ausgangsposition für die nächsten Wahlen. So sind auch die jetzigen Hüftschüsse zwei Jahre nach angeblich intensiver, 2010 abgeschlossener Vorbereitung auf eine etwaige Umstellung auf ein Berufsheer erklärbar.
Im manchem konkreten Fall wird wohl das versachlichende Eingehen auf Suggestivhits nicht unangebracht sein:
- Zur Wehrpflichtmännermachogesellschaft: Natürlich ist ein höherer Frauenanteil wünschenswert. Das ließe sich leicht mit einem der brennendsten Themen, nämlich mit der präventiv wirkenden Gesundenvorsorge für unsere Jugend verbinden: Warum sind Frauen von der Gratisuntersuchung im Rahmen der Stellung ausgeschlossen, also diskriminiert? Anlässlich dieser wäre es zudem möglich, sowohl Frauen als auch Männer für Wehrdienst, Zivildienst, besoldeten Dienst, freiwilligen Sozialdienst oder was immer zu werben – wo denn sonst? Die Dänen haben es zusammengebracht und sind sicher keine Zwangsdienstfetischisten.
- Soll zukünftig mangels anderweitiger Katastrophenschutzvorsorgen die Feuerwehr von z.B. Lochau herangezogen werden, wenn die Wienerwaldflüsse nach einem Jahrhunderthochwasser die Landschaft verwüsten? Soll da etwas wie eine Bundesberufsfreiwilligenfeuerwehr entstehen; etwas in der Wortkonstruktion mit der Profimiliz zu vergleichendes? Zudem entspricht das Denken einem Häuslbauer, der nach zehn Jahren Versicherung mit einigen Wasser- und Glasschäden die Feuerversicherung kündigt, weil „unwirtschaftlicheweise“ das Haus noch immer nicht abgebrannt ist; die Vorsorge für den Extremfall wird also gestrichen.
- Am Rande sei angemerkt, dass es auch noch den immer aktueller werdenden Objektschutz gibt; der nur auf Sparflamme wahrgenommen wird; auch dafür bräuchte man Leute.
- Vor allem das angeblich „urzeitliche“ Wehrpflichtmodell bedürfte auf Europa bezogen einer näheren Betrachtung: Es ist eben ein Unterschied, ob ein Land groß oder klein, ob die Jugendarbeitslosigkeit hoch oder niedrig ist usw. Will man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, kommt man zu einem differenzierten Bild. Beurteilt man die mit Österreich hinsichtlich Bevölkerungsgröße, Pro-Kopf-Einkommen usw. in etwa vergleichbaren Länder, so ergibt sich: Etwa ein halbes Dutzend dieser Länder hat auf Berufsheer umgestellt; abseits der offiziellen Sprachregelung raten dort alle befragten Experten davon ab, ihrem – ohne Großkatastrophe irreversiblen – Weg zu folgen.
Den kleineren Ländern geht es meist nicht besser. Selbst nach jahrzehntelanger Vorbereitung und nach finanzieller Aufstockung will das Berufsheer nicht so recht funktionieren. Ein Land, und zwar Belgien, das Österreich in den Rahmenbedingungen (nämlich eingefrorenes Budget, überalterter Personalrucksack und Abschaffen der Wehrpflicht) am ähnlichsten war, hatte nach fünf Jahren de facto nicht mehr das, was man unter einem Heer versteht. - Dem gegenüber stehen drei Länder, die mit ihrer Wehrpflicht gut leben können: Dänemark hat damit gesellschaftadäquat reagiert und so flexibel gehandelt, dass es als Anhaltspunkt für Österreich dienen könnte.
- Der Generaltenor der Offiziersgesellschaft, „Eine Berufsarmee ist im Frieden zu groß, für die vielfältigen Einsätze zu klein und auf jeden Fall zu teuer“, trifft also den Nagel auf den Kopf.
Die Volksbefragung am 20. Jänner wurde überflüssiger Weise zu einem Menetekel Berufsheer gegen Wehrpflicht hochstilisiert. Jetzt kommt es darauf an, dieser Falle zu entkommen. Halbwahrheiten – einige wurden angesprochen – sind unredlich. Sie gehören sofort unüberhörbar entlarvt.
Jeder von uns wird mitentscheiden, gleich ob er teilnimmt oder nicht: Entweder wird via Berufsheer die Liquidation des Bundesheeres eingeleitet. Selbst die Erkenntnis, dass der falsche Weg eingeschlagen wurde, kann den Prozess dann nicht mehr stoppen.
Das Gegenstück dazu ist ein flexibles zeitgemäßes Mischsystem aus Pflicht und Freiwilligkeit, das die Betroffenen nicht mehr belastet als notwendig und den Weg Richtung ehrenamtliche Tätigkeit und Freiwilligkeit ebnet.
Die Chance bleibt gewahrt, sie muss allerdings gelebt werden. Ich sehe keine Alternative dazu.
Ernest König ist ehemaliger Kommandant der Landesverteidigungsakademie.