Die allgemeine politische Unzufriedenheit in Österreich lässt sich unter anderem an der steigenden Zahl der Neugründungen politischer Parteien der letzten Jahre bemessen. Wer hier aber sein eigenes Süppchen kochen will, scheitert bald an der Realität der hiesigen Machtverhältnisse, an ausgekochten strukturellen und gesetztlichen Behinderungen und nicht zuletzt an der Resignation der Bevölkerung.
Die letzte Partei, die es aus eigener Kraft in den Nationalrat geschafft hat, waren die Grünen. Sie waren zu fast 100 Prozent bekannt und sie haben gerade einmal die Hürde von vier Prozent geschafft … Und das ist lange her.
Angesichts des starren Machtblocks eines süffisant agierenden politischen Establishments steigt daher aber auch die Bereitschaft zu politischen Kooperationen in den Reihen der Klein- und Kleinstparteien in Österreich. Und zu den neuen Parteien gesellen sich bald auch immer mehr politische Netzwerke, Arbeitsgemeinschaften und Kooperationsplattformen, die versuchen, bei zahllosen Projekten und Aktionen zerstreute Kräfte zu bündeln.
Man will etwas verändern und weiß, man schafft es nicht alleine, sondern nur wenn viele an einem Strang ziehen.
Diese Erfahrung haben auch jene Gruppen für sich gemacht, die sich als Mutbürger im Sommer 2012 zu einer Kooperationsinitiative gefunden haben. Und sie haben neue Hoffnung geschöpft im gemeinsam ausgearbeiteten Konzept:
Das Ziel der Mutbürger ist die bestmögliche Repräsentanz der Wähler in der Politik durch Bürgerbeteiligung. Das Arbeitskonzept ist die Schaffung von Know How im Bürgerbetiligungsprozess durch fortgesetzte Schulung (vornehmlich auf Gemeindeebene) darüber, wie und mit welchen „Werkzeugen“ Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse zu repräsentativen Ergebnissen führen. Also ein sehr langfristiges Bildungs-Konzept.
Sie sind darin sicher Idealisten, weil sie sich unmittelbar nicht viel und ab sofort sehr langfristig einen Haufen Arbeit erwarten können. Und sie sind sicher eine ideologisch breit gestreute Plattform politisch engagierter Gruppen. Gerade die individuelle Historie jeder einzelnen Gruppe und ihrer über die Jahre erarbeiteten Kompetenzen, sowie die Originalität neuerer Gruppen macht aber die Stärke ihrer Vielfalt aus. Der Konsens liegt in den gemeinsamen Werten, die sie nicht „entschieden“, sondern im mühsamen Prozess „gefunden“ haben.
Dabei sind ihnen alle willkommen, die die Demokratie verbessern wollen und die gemeinsamen Werte unterstützen und das glaubhaft machen können.
Genau der konsensierte Verzicht darauf, die eigenen ideologischen und inhaltlichen Ziele voranzustellen – zugunsten eines offenen Meinungsbildungsprozesses mit den Bürgern – macht den Paradigmenwechsel aus, auf den es ankommt, um überhaupt miteinander kooperieren zu können. Manche sind für eine Partnerschaft schon reif, andere beobachten erst einmal oder überlegen noch, oder müssen überhaupt erst eigene Erfahrungen (bei Wahlantritten) sammeln.
Die gemeinsame Klammer dieses Verbands kann daher aber auch kein ausgefeiltes Oktroy eines inhaltlichen Programms sein, sondern muss im Fokus auf strukturelle Änderungen liegen, die sich bisher in zwei Hauptforderungen kondensiert haben:
- das Subsidiaritätsprinzip als oberste Maxime allen politischen Handelns – wie es überall anerkannt, aber nirgends wirklich zugelassen wird
- die konsequente Gewaltenteilung als wichtigstes Werkzeug gegen Machtkonzentration (und in der Folge Machtmissbrauch wie z.B. institutionalisierte Korruption) – wie sie seit dem achtzehnten Jahrhundert selbstverständlich, aber bis heute nicht einmal in der Verfassung unumgehbar festgeschrieben ist
Damit haben die Mutbürger wesentliche Strukturen der direkten Demokratie ermittelt, als deren Experten sie sich sehen. Auch hier zeigt sich eine nur durch harte Arbeit näherbare Vision, weil genau diese Forderungen eine Machtverteilung von der Parteienoligarchie auf die breite Basis der Bevölkerung bedeutet, die schwer und ohne Druck durch gemeinsame Wahlantritte keinen Millimeter weit zu erreichen ist…
Nur eine oberflächliche Sichtweise stößt sich dabei am bisherigen Fehlen konkreter inhaltlicher Programmziele. Die gibt es nämlich nicht von der Mutbürgerpartei, sondern sie entstehen konsequent subsidiär durch die Stimmbürger, möglichst durch Konsensbildung, wo nicht möglich durch andere Werkzeuge des Entscheidungsprozesses (z.B. von simplen Mehrheitsabstimmungen bei weniger polarisierenden Themen bis z.B. systemischem Konsensieren bei schwierigen Themen), aber strikt nur nach einem erfolgreichen Meinungsbildungsprozess.
Von den Mutbürgern gibt es also nur die Schulung, aber nicht das vorgefertigte bis ins Detail ausgearbeitete Programm. Das Programm entsteht im Volk und wird von den Mutbürgern lediglich ermittelt und berichtet.
Auch die Kandidaten kommen aus dem Volk. Sie müssen sich von den Bürgern, die sie vertreten wollen, auf fachliche und vor allem auf soziale Kompetenz prüfen und wählen lassen. Auch diesen Wahlprozess begleiten die Mutbürger bei Bedarf mit fachlicher Unterstützung.
So steckt hinter der unaufgeregten Formel „Neue politische Kultur schaffen“ keine leere Phrase, sondern das Kondensat eines Paradigmenwechsels, der in erster Linie viel, viel, viel Arbeit durch sie selbst bedeutet. Inhaltliche Ziele müssen hingegen sehr allgemein bleiben. Die Mutbürger können dazu lediglich Vorschläge anbieten.
Der Wechsel vom Elitenklüngel zur konsequenten Anwendung des Subsidiaritätsprinzips, der Bürgerbeteiligung und anderer Werkzeuge der direkten Demokratie bedeutet eine andere Sichtweise, als alle Verantwortung auf die „Politiker“ zu schieben. Er bedeutet Mut und Reife zur Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und Selbsthilfe. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern ist ein Prozess, den die Mutbürger einleiten und begleiten wollen. Dazu ist vor allem die Auseinandersetzung mit den Details sachpolitischer Themen, die Rücksicht auf das Gemeinwohl, das Ordnen der eigenen Gedanken und das verständliche Artikulieren im Meinungsbildungsprozess von den Stimmbürgern oftmals erst zu lernen.
Die Motivation dazu sollte von einem gesetzlich gut geregelten Recht auf Selbstbestimmung kommen, das aber überhaupt noch nicht vorhanden ist. Denn wir leben in einer politischen „Passiv-Gesellschaft“, in der man uns das „Selbst-Denken“ und erst recht das „Selbst-Handeln“ abgewöhnen will.
Ein Henne/Ei-Problem also, das nur schrittweise und im persönlichen Gespräch zu lösen ist, um Druck von der Bevölkerung auf gesetzlich geregelte Selbstbestimmung zu generieren. Die Schweiz bietet einen Einblick, in welche Richtung dieser politische Kulturwandel gehen könnte.
Am 18. Oktober 2012 haben die Mutbürger Ihre Antritts-Pressekonferenz abgehalten. Die Grundzüge sind auf der Homepage zu finden.
Gerald Grüner (Obmann-Stellvertreter NFÖ/Mutbürger)
www.mutbuergerpartei.at
www.nfoe.at