Die durch das hier behandelte Thema ausgelöste Diskussion war beeindruckend; sowohl in der Breite als auch in der Tiefe. Im Weiteren soll jedoch wieder zum „Auslöser“ zurückgefunden werden: Am 20. Jänner wird eine einschlägige Volksbefragung durchgeführt werden. Diese wurde in einen nunmehr nicht nur parteitaktisch hohen Stellenwert hineinmanövriert und könnte in einer wesentlichen Weichenstellung enden.
Wird Österreich danach noch ein Heer haben, das den Namen verdient – oder zumindest das Potential bewahren, ein derartiges nach den politischen Eingriffen der letzten Jahre wieder aufzubauen – oder wird es zu einem Erinnerungsposten beispielsweise im Innenministerium? Weiters – wie sind die funktionalen Auswirkungen auf den Regelkreis Pflicht/Freiwilligkeit; sägen wir vielleicht den Ast ab, auf dem wir sitzen – oder nicht?
Damit zu den angesprochenen grundsätzlichen Themen: Ob es sich um Zwangs- respektive Sklavendienst oder Dienst an der Gesellschaft handelt, unterliegt wohl der weltanschaulichen Sicht des Einzelnen.
Zur Dienstpflicht auch für Frauen: Was auch immer dafür oder dagegen sprechen möge – es entspricht nicht der derzeitigen Linie in der Europäischen Union und steht in 10 Wochen nicht zur Diskussion.
Anzumerken wäre, dass die allgemeine Wehrpflicht für Männer in Österreich in einem Verfassungsgesetz verankert ist, ebenso ein Wehrersatzdienst aus Gewissengründen. Warum er Zivildienst genannt wird, bedarf wohl kaum einer Erläuterung, wohl aber sei erwähnt, dass die Regelung selbst der Menschenrechtskonvention und damit der EU-Verfassung entspricht und rechtlich nicht als Zwangsarbeit angesehen wird.
Dazu ein kurzer Exkurs: Verfassungsgesetze haben in einer gelebten Demokratie die Funktion eines Stabilisators, um nicht Zeitströmungen zu sehr ausgesetzt zu sein; ein lockerer Umgang mit der Verfassung wäre ein Alarmsignal, das sich verstärkt, wenn Derartiges nicht als beunruhigend empfunden wird.
Es gibt objektivierbare Kriterien, die eher für die Einführung eines Berufsheeres sprechen: Dazu zählen die Größe des Landes, niedriges Einkommen, hohe Arbeitslosigkeit, besonders bei der Jugend, sowie Bündniszugehörigkeit – pro Wehrpflicht wären die Umkehrkriterien anzuführen. Entscheidend sind noch die gesetzten Anreize wie deutliche Erhöhung des Wehretats, hohe Bezahlung und eine Jobgarantie „danach“. Mit diesen Kriterien kann sich jeder selbst ein zweckmäßiges Ergebnis ausrechnen.
Zur Umstellung liegen ausländische Erfahrungswerte vor: Frankreich und Italien haben Anreizsysteme eingesetzt und sind relativ erfolgreich. Viele der „Umgestellten“, meist in unserer Größenordnung, würden jedoch das Rad gerne zurückdrehen, was nicht möglich ist, oder fordern zumindest signifikant mehr Budgetmittel, was meist versagt bleibt. Ersteres gilt für die Betroffenen, Zweiteres auch für die Verantwortlichen an der Spitze, ausgenommen Österreich. Eine Anmerkung zu „klein aber fein“ sei gestattet: Der unterbezahlte, hochmotivierte Vollprofi hat sich in keinem der Erfolgsmodelle gefunden. Dazu eine Frage an den gelernten Österreicher: Werden wir gegebenenfalls Soldaten haben, die mehr verdienen als Polizisten?
Für Österreich gibt es zwei signifikante Beispiele, zunächst das negative: Ein in der Größe mit Österreich vergleichbares EU/NATO-Land (Belgien) hat 1995 eine Umstellung mit drei Auflagen eingeleitet: Erstens keine Budgetaufstockung, zweitens keine Entlassungen und drittens Aussetzung der Wehrpflicht. Das entspricht in etwa einer realistischen Ausgangslage in Österreich. Mitlerweile ist der militärische Kompetenzverlust in diesem Land als enorm zu bezeichnen, eine Rekonstruktionsfähigkeit muss angezweifelt werden.
Das positive Beispiel ist Dänemark, das die Wehrpflicht beibehält, intelligent anwendet und damit neben den Kampfaufgaben Katastrophen- und Objektschutzaufgaben optimal erfüllen kann. Das vom österreichischen Generalstabschef genannte Mischsystem kommt diesem nahe. Im Übrigen kann man ihm wohl kaum mangelnde Zivilcourage nachsagen.
Hier sei auf die wohl bekannte, aber trotzdem wenig beachtete Weisheit verwiesen: Wer nicht aus den Fehlern (auch der anderen) lernt, ist verdammt, sie zu wiederholen.
Die in Beiträgen aufgelisteten Pro- und Kontraargumente mit einem Schwergewicht Ökonomie sind ein Ansatz zu einem objektivierenden Benchmarking; dazu zählen zum Beispiel auch die Themen Kommunikation und damit Integration; nicht nur von Migranten, sondern auch zwischen den Gesellschaftschichten.
Zusammenfassend sei angemerkt, dass Diskussionen, geführt im eigentlichen Sinne des Wortes, für alle gewinnbringend sein können; je weniger Polemik und je mehr Sachlichkeit, desto erfolgversprechender. Es sollte daher in den Beiträgen nicht um ein „Bekehren“, sondern um Denkanstöße – in beide Richtungen – gehen.
Ernüchternd ist festzuhalten, dass mit einem allfälligen Ende der Dienstpflicht voraussichtlich auch das Ende eines Heeres, das den Namen verdient, eingeläutet würde. Der Prozess dürfte auch bei Erfolglosigkeit irreversibel sein; ein Zurück von einem allfälligen ausschließlich auf Arbeitnehmern basierenden „Sicherheitsmodell“ unter Verzicht auf eine Dienstpflicht ist faktisch nicht möglich. Kollateralschäden im Sozialgefüge sind zu erwarten; in manchen Ihrer Beiträge wurde darauf eingegangen.
Ein Beibehalten von Wehr- und damit Dienstpflicht eröffnet zumindest die Chance, effizienzminimierende Eingriffe der letzten Jahre, wie beispielsweise die Aussetzung der Truppenübung anstelle ihrer Optimierung, zu korrigieren; die Wehrpflicht als Ganzes – siehe Dänemark – wäre neu zu konzipieren.
Ernest König ist ehemaliger Kommandant der Landesverteidigungsakademie.