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Österreichs seltsamer Feiertag – oder: Was, bitte, ist der Rest?

Das ist heuer wohl der groteskeste Nationalfeiertag der österreichischen Geschichte. Denn ringsum – von Frank Stronach bis Norbert Darabos – ist endgültig jedes Bewusstsein verloren gegangen, an was der Tag eigentlich noch erinnern sollte. Und nirgendwo zeigen sich neue Inhalte, die einem National-Feiertag noch echtes Leben einhauchen könnten. Mit einer nachträglichen Ergänzung.

Gewiss: Der 26. Oktober hatte es immer schon schwer. In vielen Schulen wird seit Jahren rund um ihn primär über die Optimierung schulfreier Tage zur Gewinnung satter Herbstferien getüftelt – hat doch die Schulzeit zu diesem Zeitpunkt schon fast unerträglich lange zwei Monate gedauert. Genauso skurril waren die Zeiten eines Bundespräsidenten Franz Jonas: Dieser reduzierte den 26. Oktober – vielleicht wegen des da meist noch erträglichen Wetters? – auf einen National-Wandertag. 

Auch sonst wissen die meisten Österreicher über den Nationalfeiertag nur genauso viel wie über Fronleichnam oder die Marienfeiertage: Es ist halt schul- und arbeitsfrei. Und das hat jeder gern – bis auf die paar, die sich um die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs Sorgen machen. Das Warum ist an jedem dieser Tage total egal.

Der Beschluss des Jahres 1955 über ein Neutralitätsgesetz war freilich von Anfang an ein recht dünner Feier-Anlass. War jenes Gesetz doch bloß der im Nachhinein entrichtete – erzwungene und insbesondere bei den damals noch prowestlichen Sozialdemokraten ungeliebte – Kaufpreis an die Sowjets für den Staatsvertrag und das Ende der Besatzungszeit. Und dieser Anlass ist heute überhaupt ins kaum noch erkennbare Dunkel der Geschichte versunken.

Dennoch erstaunt es, wenn ein Privatsender den Nationalfeiertag ausgerechnet zum James-Bond-Tag erklärt. Offenbar haben die Herrschaften dort auch jenseits des Neutralitätsgesetzes absolut Null Bezug zum Thema Österreich.

Dennoch wäre es schön, wenn sich die Inseratenbastler von Frank Stronach wenigstens ein bisschen über den Tag informiert hätten. Feiern sie doch in großflächigen Einschaltungen seltsamerweise, dass wir an diesem Tag „unsere langersehnte Unabhängigkeit bekamen“. Nur zur Aufklärung für die Stronachisten (auch wenn der Ex-Industrielle sicher im nächsten Jahr kein Geld mehr zur inseratenmäßigen Motivation der Zeitungen ausgeben wird, werden doch dann die Wahlen jedenfalls schon vorbei sein): Österreichs Unabhängigkeitserklärung stammt aus dem April 1945; Hitlers endgültige Niederlage aus dem Mai des gleichen Jahres; der Staatsvertrag ebenfalls aus einem Mai; und der genaue Zeitpunkt des Abzugs des letzten Besatzungssoldaten – also der allerletzte Anknüpfungspunkt einer Feier der Unabhängigkeit – ist zwar umstritten, aber jedenfalls auch schon vor dem 26. Oktober 1955 gewesen.

Aber zugegeben, in Kanada muss man solche Details nicht wirklich mitbekommen. Und die von Stronach inzwischen als Statisten angeworbenen Hinterbänkler waren bisher maximal als Event-Organisatoren aufgefallen und nicht als Experten in Sachen Österreich.

Trotz dieser kollektiven Ahnungslosigkeit um den 26. Oktober ist es aber immer noch verblüffend, wie der Verteidigungsminister diesen Tag des Neutralitätsgesetzes nutzt. Mit diesem Gesetz hat das Parlament ja 1955 geschworen: Österreich werde seine Neutralität und Unabhängigkeit „mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen“.

Norbert Darabos eskaliert hingegen ausgerechnet rund um die traditionelle Schau des Bundesheeres seine Propaganda für die Demontage des Heeres. Dieses sollte seiner Meinung nach (und jener der Kronenzeitung) nicht mehr mit allen zu Gebote stehenden Mitteln – also insbesondere mit allen wehrfähigen jungen Männern – das Land verteidigen, sondern mit Hilfe von „Profis“. Von denen weiß man freilich nur, dass es viel weniger Mann sein werden als heute. Und dass es vermutlich eine negative Auswahl jener jungen Menschen sein wird, die sonst keinen Job finden. Das wird das Heer vermutlich zu einem Söldnerhaufen von bildungsfernen Zuwanderern machen.

Darabos kämpft Jedenfalls groteskerweise für dieses Demontage des Heeres, ohne das Neutralitätsgesetz auch nur irgendwie in Frage zu stellen. Das wäre wenigstens ehrlich und konsequent.

Unabhängig von diesen Widersprüchlichkeiten ist festzuhalten: Dieses Gesetz stellt heute einen totalen Anachronismus dar. Es ist schon durch EU-Beitritt, durch die Teilnahme an der Nato-Partnerschaft für den Frieden, durch die Teilnahme an EU-Kampftruppen mit friedensschaffendem Auftrag weitestgehend ausgehöhlt worden. Es passt nicht mehr in Zeiten, wo Österreich statt an der Front zwischen Ost und West inmitten eines Rings von Nato- und EU-Ländern liegt. Daraus sollte man eigentlich Konsequenzen ziehen. Wir halten ja auch nicht mehr den Westfälischen Frieden oder die Konstantinischen Schenkungen für relevant.

Jetzt soll also auch noch die Wehrpflicht als letzte sichtbare Folge der Neutralitätsverpflichtung abgeschafft werden; und dennoch soll das – einst aller Welt notifizierte! – Neutralitätsgesetz weiter unverändert Teil der Verfassung und des Völkerrechts bleiben. Aber nicht einmal mehr ÖVP oder FPÖ wagen auch nur andeutungsweise daran zu erinnern, dass sie einst eine mutige Diskussion über diesen Anachronismus Neutralität begonnen hatten.

Aber was soll‘s: Das Land ist ja auch nicht imstande, sonst irgendwie die Grundlagen seiner Sicherheitspolitik zu behandeln. Bis auf Phrasen gibt’s da von keiner Seite etwas zu hören. So diskutiert auch niemand über die eventuellen Vorteile einer internationalen Arbeitsteilung bei Sicherheitsaufgaben.

Oder wird das obsolete Neutralitätsgesetz etwa gar nur deswegen nicht entsorgt, weil man sonst nicht wüsste, wann denn das Land sonst seinen Nationalfeiertag haben sollte? Und den braucht man ja offenbar unbedingt. Zumindest damit die österreichischen Botschafter im Ausland einen Tag haben, an dem sie zum großen Sektempfang laden können. Sonstige Zwecke des Nationalfeiertages in seiner heutigen Gestalt fallen mir ja in der Schnelligkeit nicht wirklich ein.

Der Beschäftigung mit der eigenen Geschichte geht man in Österreich  völlig aus dem Weg. Das Gerücht etwa, dass es schon vor 1918 ein Österreich – gar auch ein Haus Österreich – gegeben haben soll, wird von der heutigen Politikergeneration ja für völlig unglaubwürdig gehalten.

Die ÖVP hat die Befassung mit der Geschichte des Landes aufgegeben, ohne es auch nur zu bemerken.

Die Geschichtsinstitute der Universitäten sind in einem Hostile takeover von lauter Linken besetzt worden und produzieren nur noch Absolventen ohne Wissen, lediglich mit antifaschistischen „Kompetenzen“.

Die SPÖ hat nur noch eine einzige, jedoch für einen Nationalfeiertag wenig passende Geschichts-Sicht: Bis Franz Vranitzky habe das Land aus lauter Nazis bestanden. Diese geistern angeblich selbst im Heldentor noch herum – das in Wahrheit ein Spiegelbild der österreichischen Geschichte der letzten 200 Jahre ist, und das mit seinem wunderbaren Kaiser-Spruch von der Gerechtigkeit als Grundlage der Herrschaft heute noch Anlass zur Besinnung geben könnte.  Aber der geistergläubige Darabos möchte das Tor am liebsten einreißen.

Umgekehrt tragen die noch länger als die Sozialdemokraten deutschnational gewesenen Freiheitlichen heute wohl sogar schon Tag und Nacht rot-weiß-rote Unterhosen, um nur ja bei dem von den anderen Parteien leichtfertig vernachlässigten Heimat+Vaterlands-Thema Glaubwürdigkeit erobern zu können. Ein historisch gewachsenes und fundiertes Identitätsbewusstsein wird man aber auch bei ihnen nicht finden.

Aber was dieses Österreich eigentlich ist, wo es herkommt, wo es hingeht – das interessiert niemanden. Was bleibt von ihm angesichts der Massenimmigration? Wozu ist das Land da, außer dass es seinen Einwohnern noch ein paar Jahre gut geht, bevor Schuldenkrise, Überalterung, Kinderverweigerung und Reformunwilligkeit in den Abgrund führen? Weder die Politik und noch weniger die sogenannte intellektuelle oder literarische Szene diskutiert solche Fragen. Dort finden sich nur Typen, die sich als bezahlte EU-Propagandisten oder Österreich-Beschimpfer eine einträgliche Nische gefunden haben.

Österreich, das ist der Rest, dekretierten nach dem ersten Weltkrieg zynisch die französischen Sieger. Aber was nur ist heute dieser Rest?

 PS.: In das Bild eines geschichtslos gewordenen Österreichs passte auch der Umstand, dass der ORF am Feiertag ausgerechnet einen Nazi-Film aus dem Jahr 1939 spielte. Offenbar glauben die dummen ORF-Menschen, dass bei jedem Film, wo Hans Moser, draufsteht, auch Österreich drinnen ist. Dabei war es ein raffiniert und geschickt gemachter NS-Propagandafilm, der den Ostmärkern vermitteln sollte, dass sie sich von ihrer degenerierten und französisch sprechenden Vergangenheit abwenden und den neuen bodenständigen un erdigen Nachbarn zuwenden sollen.

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