Auch wenn noch weitgehend der Mantel des Schweigens darüber gebreitet wird, es tut sich etwas bei den zu hohen Gaspreisen, die in Österreich gezahlt werden müssen. Das Problem sind die Langfristverträge mit den Russen, die an den Ölpreis gekoppelt sind und weit über jenen Preisen liegen, die am Spotmarkt erzielt werden. Das bedeutet, dass in Österreich jährlich um rund 600 Millionen Euro zu viel für Gas bezahlt werden muss. Dies trifft vor allem die privaten Gaskonsumenten, die von den Gasversorgern mit hohen Gaspreisen gequält werden – Industriekunden können sich wehren, sie zahlen den üblichen Spotmarktpreis.
Aber nicht nur die private Gaskundschaft muss blechen, auch die Stromkonzerne können ihre Gaskraftwerke nicht mehr gewinnbringend führen. Dies trifft vor allem die Wiener Stadtwerke, die 90 Prozent ihres Stroms und ihrer Fernwärme auf Gas-Basis erzeugen. Andere Stromkonzerne, wie Verbund oder EVN, können dagegen ihre Gaskraftwerke einfach abstellen und kaufen den Strom billig am Weltmarkt zu.
Blöd läuft es allerdings, wenn ein neues Gaskraftwerk eröffnet wird (Verbund in Mellach), das mit teurem Russengas (bezogen von Econgas) gespeist wird. Lässt man Gaskraftwerke laufen (derzeit steht es still) verliert man Geld, verzichtet man auf den Gasbezug, muss man Pönale zahlen (Take-or-Pay-Verträge). Daher wurde das neue Werk bereits wertberichtigt. Blöd auch, wenn man dafür eine eigene Gaspipeline (Südschiene) um 400 Millionen Euro gebaut hat, die man im Moment gar nicht brauchen kann. Die Kosten dafür zahlen die Gaskunden über das Netzentgelt.
Aber es bewegt sich etwas beim teuren Russengas. In Deutschland hat Gazprom die Preise bereits ordentlich korrigiert, in Österreich heißt es nach wie vor „es wird verhandelt“. Erste Erfolge gibt es aber bereits. Die Steirische Gas-Wärme, die nicht über die OMV-Tochter Econgas, sondern direkt von der Gazprom-Tocher GWH beliefert wird, hat bereits einen Preisnachlass bekommen und kann zusätzlich Teile ihres Gasbezugs auf Spotmärkten einkaufen. Im Gegenzug haben die Steirer eine Klage gegen Gazprom beim heimischen Kartellgericht zurückgezogen. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass der Großkunde Econgas nicht auch eine ähnliche Vereinbarung treffen kann. Bei den Großabnehmern Verbund und Wiengas ist allerdings noch nichts angekommen.
Probleme bei den Reserven für erneuerbare Energie
Die umstrittene deutsche Energiewende mit ihrem überproportionalen Ausbau von Wind und Solar braucht Backup-Systeme für jene Zeiten, wo diese erneuerbaren Energien nicht zur Verfügung stehen. Das wären an und für sich Gaskraftwerke. Die laufen aber nicht, wegen der – siehe oben – Gaspreise. Marc Hall, der neue Energievorstand der Wiener Stadtwerke, merkt dazu an: „Eigentlich müsste die Photovoltaik die Gaskraftwerke subventionieren, denn die ergänzen sie zu einem marktfähigen Produkt“.
Übrigens hat der deutsche Netzbetreiber Tennet, wie im Vorjahr, wieder rund 900 Megawatt „Kaltreserve“ aus Österreich gebucht. Der zweite Backup-Baustein sind Speicherkraftwerke. Wenn der Wind bläst kann billig Wasser in die Speicher hoch gepumpt werden, bei Mangel kann dann Wasser abgelassen werden. In Österreich wird auf Teufel komm raus die Pumpspeicherkapazität ausgebaut. Für ein geplantes weiteres Kraftwerk in Kaprun müsste eine neue Stromleitung gebaut werden. Die Branche rechnet damit, dass Pumpspeicherstrom einen zumindest 15 Prozent höheren Preis erzielen muss. Ob all diese Projekte auch wirklich einmal Früchte tragen, ist gar nicht mehr so sicher, wenn man deutschen Betreibern von Pumpspeichern zuhört.
Die deutsche Vattenfall betreibt die Hälfte der Pumpspeicher-Kraftwerke in Deutschland und das Geschäft boomt keineswegs. Im Gegenteil. Die Wirtschaftlichkeit hat sich dramatisch negativ entwickelt. Es ist eine paradoxe Situation entstanden, sagt man bei Vattenfall. Wir brauchen Speicher, um die Fluktuationen der erneuerbaren Energien ausgleichen zu können. Aber das heißt noch lange nicht, dass sich der Betrieb lohnt. Früher haben Pumpspeicher nachts billigen Strom genutzt, um Wasser nach oben zu pumpen und es bei höheren Preisen zur Mittagszeit aus den Speicherseen abzulassen und damit Strom zu produzieren.
Jetzt lohnt sich das immer weniger, denn Solarstrom kommt zur Mittagszeit ins Netz und drückt die Preise. Bei kräftigem Wind ist die Situation ähnlich.
„Ich sehe derzeit nicht, wie wir vor dem Hintergrund dieser Entwicklung längerfristig die Wirtschaftlichkeit aus eigener Kraft wieder herstellen können. Modernisierungen, größere Investitionen und Reparaturen – das alles kostet viel Geld. Ich bin mir deshalb nicht sicher, ob und wie wir alle unsere Pumpspeicher weiter betreiben können", meint der Vattenfall-Chef Hatakka.
In Österreich ist die Lage noch nicht so dramatisch. Die Speicherkraftwerke werden auch für Regelenergie gebucht, und der Preis für Regelenergie ist viermal so hoch wie in Deutschland.
Trotzdem gibt es erste Auswirkungen, wie etwa bei der oberösterreichischen EAG. Diese hat derzeit das Problem, dass die Stromerzeugung mit Gas 80 Euro je Megawattstunde kostet, aber nur 50 Euro auf dem Markt bringt. Bauabsagen gibt es aber noch nicht. Alle Kraftwerke, die in Bau sind, werden fertig gestellt. Neue Bauentscheidungen hängen aber mit den Marktverhältnissen zusammen, etwa bei einem geplanten Projekt in Bad Goisern. Das Pumpspeicherkraftwerk Ebensee wird bis zur Baureife vorbereitet, dann „wird man schauen, wie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind".
Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.