Der austro-kanadische Selfmademan Frank Stronach präsentierte am 4. 10. einem interessierten Publikum im Club Unabhängiger Liberaler seine ungefähren Vorstellungen davon, welche Art von Politik er im Falle eines Erfolges seiner neu gegründeten Partei zu machen gedenkt.
Seine wirtschaftlichen Leistungen sind beeindruckend: Er hat es – aus eigener Kraft – vom mittellosen steirischen Arbeiterkind zum Milliardär gebracht. Gegenwärtig beschäftigt der von ihm in Kanada gegründete, auf die Zulieferung von Fahrzeugkomponenten spezialisierte, Magna-Konzern weltweit rund 108.000 Mitarbeiter, 13.000 davon in Österreich. Der Jahresumsatz der Firmengruppe beläuft sich auf über 30 Mrd. €. Auf eine vergleichbare Erfolgsbilanz können nicht allzu viele Zeitgenossen verweisen.
Was treibt einen solchen Mann, der es mit international bekannten Persönlichkeiten, mit Staatspräsidenten, gekrönten Häuptern („die Englische Königin ist eine wirklich nette Frau, sie versteht viel von Pferden“) und anderen Wirtschaftskapitänen zu tun hat, im Herbst seines Lebens in die dumpfen Niederungen der kakanischen Politik?
Diese Frage stellt er selbst seinem Vortrag voran, um sie so zu beantworten: Er sehe, dass „…in der Regierung vieles schief läuft … und diese seit Jahrzehnten „Verluste“ macht.“ Er kritisiert den Umstand, dass die Regierenden zwar viel vom Geldausgeben, aber nichts vom Geldverdienen verstehen, was er darauf zurückführt, dass kaum einer von ihnen je in der Wirtschaft gearbeitet hat. Er sehe schlimme Zeiten auf uns zukommen und, da er selbst Kinder und Enkel habe, meine er, seine Fähigkeiten und Erfahrungen in die Politik einbringen zu müssen, „um zu helfen“. Das Leben sei gut zu ihm gewesen und er wolle sich auf diese Weise revanchieren.
In Österreich hätten wir es mit einer „Scheindemokratie“ zu tun. Keiner der politischen Verantwortungsträger (Kanzler, Minister) wäre vom Volk gewählt, sondern von Parteigremien und Kammern ins Amt gehievt worden. Wenn dann noch Häupl und Pröll zustimmten, wäre die Sache gelaufen – und das dürfe so nicht sein. In der Wirtschaft garantiere Konkurrenz – die es in der Politik in vergleichbarer Weise nicht gäbe – für Fortschritt und Effizienz.
Wirtschaftsprogramm
Bis März 2013 wolle er sein Programm vorlegen. Im Zentrum dieses Programms werde ein solides Budget stehen. Er wolle damit beginnen, die in der Vergangenheit aufgenommen Schulden abzutragen. Durch eine „zivilisierte Verwaltungsreform“ und die „Stimulierung der Wirtschaft“ sollte es möglich sein, die Steuerlasten binnen fünf Jahren um „20 bis 25 Prozent“ zu senken. Das Steuersystem müsse vereinfacht und für jedermann „transparent“ werden, „Grauzonen“ seien zu beseitigen.
Nach diesen vage gehaltenen Positionen wird es beim Thema Unternehmenssteuern konkreter: Nicht entnommene Gewinne sollen steuerfrei bleiben, da diese „Innovation und Arbeitsplätze schaffen“ würden. Zu versteuern seien nur Auszahlungen – sei es in Form von Löhnen oder Gewinnausschüttungen.
Seine vehemente Kritik an der geringen Steuerleistung von Großbetrieben (die er im Zusammenhang mit dem Engagement österreichischer Banken in den vormaligen Ostblockstaaten äußert) läuft – falls diese Aussage nicht missverständlich angekommen ist – faktisch auf ein Ende der derzeit gültigen Gruppenbesteuerung hinaus. Das wäre – angesichts der mutmaßlichen Auswirkungen auf die Magna-Gruppe – doch recht erstaunlich.
Die Wirtschaft müsse funktionieren, da sonst gar nichts gehe. Eine prosperierende Wirtschaft bedürfe dreierlei: „Tüchtiger Manager, fleißiger Arbeiter und Investoren.“ Die Arbeiter hätten ein „moralisches Recht“ auf einen Anteil am Unternehmensprofit. Allerdings dürfe sich die Regierung in die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen nicht einmischen, da damit lediglich „Bürokratie und Kosten“ verbunden sind. In einer konzernweiten „Firmenverfassung“ habe er Magna dazu verpflichtet, seinen Mitarbeitern Anspruch auf zehn Prozent des erwirtschafteten Gewinns einzuräumen. Bildung wäre ein zweites Anliegen, das ihm wichtig sei.
Als „zentrale Werte“ seiner Partei sehe er „Wahrheit, Transparenz und Fairness“. Wichtig sei es ihm, den untadeligen Ruf, den er sich als Geschäftsmann erworben habe („Ich bin nie jemandem etwas schuldig geblieben und habe immer mein Wort gehalten!“), auch als Politiker zu bewahren. Er sehe viel zu viele Leute, die nur ans Verteilen denken und zu wenige, die erkennen würden, dass zunächst etwas produziert werden müsse. Das gelte es zu verändern.
Europapolitik
Die Euro-Einführung sei ein Fehler gewesen, weil dadurch die Gegensätze zwischen Nord- und Südeuropa verschärft worden seien. Der bevorstehenden Etablierung des ESM stehe er kritisch gegenüber, da damit „Billionenverpflichtungen“ verbunden seien, an denen noch die Enkelkinder zu tragen hätten. Keine Regierung dürfe das Recht haben, Verbindlichkeiten einzugehen, die einen Zeitrahmen von fünf Jahren überschreiten.
Angela Merkel habe dem Ruf der Deutschen in der Welt massiv geschadet, indem sie anderen vorgeschrieben habe, wie diese zu leben hätten. „So etwas tut man nicht“. An dieser Stelle kommt es zu einem kleinen Widerspruch, als Stronach einerseits meint, man solle „…die einzelnen Völker allein ihre Probleme bewältigen lassen“, andererseits aber von „Hilfen für die Griechen“ spricht. Die Politik Merkels jedenfalls habe „Hass auf die Deutschen“ geschürt – entweder weil sie dumm sei, oder weil sie im Auftrag der Banken agiere.
Etwas unausgegoren scheinen Stronachs Vorstellungen von der künftigen Währungspolitik der EU zu sein, als er einmal von „Nord- und Südeuro“ spricht, dann aber die Variante „nationaler Eurowährungen“ aufs Tapet bringt. Flexible Wechselkurse zwischen den Ländern seien erforderlich, da die Währungskurse einen Spiegel der Wirtschaftsleistung der Länder darstellten, was nicht von einer Zentrale unterbunden werden solle. Geldpolitik, soviel scheint sicher, zählt nicht zu den größten Stärken des Tycoons.
Mit einem Bekenntnis zur „sozioökonomischen“ Ausrichtung des „politischen Managements“ schließt er seinen Vortrag.
Die Antworten bleiben vage
In der anschließenden Diskussion fällt auf, dass Stronach nicht gerne konkret auf eine der ihm gestellten Fragen antwortet, sondern dazu neigt, sich in wolkigen Allerweltsformulierungen und etwas eingelernt wirkenden Floskeln zu ergehen. So bleibt die Frage, wie er denn die angepeilte Steuerreduktion von 20-25 Prozent zu bewerkstelligen gedenke, offen. Allein mit einer „zivilisierten Verwaltungsreform“, die wohl darauf hinausläuft, keinem Beamten weh zu tun, und mit der „Zusammenlegung der 22 (sic!) Sozialversicherungsanstalten“ würde es damit wohl nichts werden.
Auf die Frage, welche eingängige Botschaft er für den Wahlkampf wählen wird, antwortete er, dass er mit „Herz, Hirn und Hand“ zur Sache gehen wolle.
Als einer der Anwesenden feststellt, leider keinen essentiellen Unterschied Stronachs zu seinen politischen Mitbewerbern feststellen zu können, da am Ende ja alle für Fairness, mehr Bildung und weniger Armut seien und auch er diese Trommel rühre – noch dazu ohne konkret sagen zu wollen, wo und wie der den Hebel (etwa zur Verwaltungsreform) ansetzen wolle, reagiert er gekränkt. Dass jemand seine ehrlichen Absichten und die Tatsache, dass er „viel Geld da hineingebe“ nicht angemessen würdigt, quittiert er mit spürbarer Entrüstung.
Als der Fragesteller dann nachsetzt und meint, Stronach habe schließlich nur mit dem (Personal-)Aufbau im Zuge der Expansion seiner Betriebe Erfahrung, jetzt aber werde es darum gehen, massiv Personal (Staatsdiener) abzubauen – und da sei es interessant zu wissen, wie er das angehen wolle, greift – und das ist der vielleicht bemerkenswerteste Aspekt des Abends – das Publikum ein und nimmt Partei gegen den Fragesteller. Es bleibt Stronach daher erspart, die Nachfrage zu beantworten. Auch keine der übrigen Fragen wird von ihm klar beantwortet. In einem Punkt allerdings ist er erfreulich direkt: Auf die Frage, was denn im Falle seiner Regierungsbeteilung nun liberaler werde, antwortet er kurz und bündig: „Alles!“
Fazit
Frank Stronach ist ein interessanter Mann, dem eines nicht unterstellt werden kann: mangelndes Selbstbewusstsein. Die mehrfach wiederkehrende Betonung seiner – unstrittig vorliegenden – wirtschaftlichen Erfolge lässt sogar die Einschätzung zu, es mit einer recht selbstverliebten Persönlichkeit zu tun zu haben.
Bezeichnend allerdings ist die bereits geschilderte Reaktion des Publikums, die nur eine Interpretation zulässt: Die von den „Altparteien“ derzeit gelegten Offerten werden als derart miserabel empfunden, dass offenbar jedes neue Angebot, wohl nach der Überlegung: „schlechter als die anderen kann er es gar nicht machen“, dankbar angenommen wird. Der messianisch anmutende Charakter von Stronachs Präsentation, der weitgehende Mangel an Preisgabe konkreter Programmpunkte – vor allem aber das Schweigen über die voraussichtlich an seiner Seite handelnden Personen (die bloße One-man-show eines älteren Herrn sollte es ja doch nicht sein!) – scheinen kaum jemanden zu stören.
Man kann daher mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, Frank Stronachs Partei im kommenden Jahr im Parlament zu sehen. Dies u. a. auch deshalb, weil mit einer wohlwollenden Berichterstattung durch den linken Medienhauptstrom zu rechnen ist, der darauf setzen wird, dass den größten Schaden durch ihn die „rechten Parteien“, ÖVP, FPÖ und BZÖ, erleiden würden. Die „Piraten“ werden auf eine derartige Wahlhilfe aus exakt umgekehrten Gründen wohl verzichten müssen. Für das BZÖ könnte ein Erfolg Stronachs durchaus zum letzten Nagel im Sarg werden.
Sollte der Fall eintreten, dass der Austro-Kanadier für seine Equipe wirklich gute Leute findet (was gegenwärtig einigermaßen zweifelhaft erscheint), wäre das hocherfreulich. Schließlich belebt Konkurrenz das Geschäft und rechts der politischen Mitte ist der Wähler in Österreich ja wahrhaft nicht mit einem Überangebot attraktiver Angebote konfrontiert.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.