Was Österreich von Deutschland in Sachen Integrationspolitik unterscheidet, lässt sich im Ergebnis durch zwei Zahlen auf den Punkt bringen. Zwei Zahlen, aus deren Verhältnis sich zugleich erahnen lässt, in welch dramatischem Ausmaß Integrationspolitik in Österreich scheitert: 64 zu 27 Prozent.
64 Prozent der in Österreich lebenden Frauen mit türkischem Migrationshintergrund tragen – nach einer Gallup-Umfrage im Auftrag der europäischen Grundrechteagentur – das Kopftuch, in Deutschland sind es lediglich 27 Prozent. Mit diesem Wert ist Österreich europaweiter Spitzenreiter, mit großem Abstand – oder wie „Der Standard“ es formuliert „Österreich das Land der Kopftuchträger“.[1]
Nun mag man einwenden, dass das Tragen des Kopftuchs für sich allein noch kein absoluter Indikator für den Integrationsgrad ist, und in Bezug auf den Einzelfall, die jeweilige Frau, wird das auch stimmen. Dennoch – das Kopftuch spiegelt wie kein zweites Symbol den Einfluss und die Ausbreitung des politischen Islams wider; weshalb es auch kein Wunder ist, dass in Ländern wie der Türkei das Kopftuch im Zentrum der Kontroversen zwischen Säkularen und Islamisten steht. Und wenn man heute Fernsehbilder aus dem Nahen Osten sieht, ist es kaum vorstellbar, dass bis in die 1990er Jahre das Kopftuch in den meisten muslimischen Ländern lediglich von einer Minderheit der Frauen getragen wurde. Der Aufstieg des Islamismus und die Ausbreitung des Kopftuchs sind daher unmittelbar verknüpft.[2]
Wenn man sich diesen Zusammenhang vor Augen hält, ist der signifikante Unterschied zwischen Österreich und Deutschland – Länder, die ansonsten in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich sind und Zuwanderern beinahe idente gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Rahmenbedingungen bieten – umso bemerkenswerter, umso alarmierender. Aber was ist die Ursache dafür, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau mit türkischem Migrationshintergrund das Kopftuch trägt in Österreich 2,5 Mal so hoch ist wie in Deutschland?
Nun ist es nicht so, dass Deutschland für eine grandios erfolgreiche Integrationspolitik bekannt ist. Erst im letzten Jahr erklärte Angela Merkel „Multi Kulti“ für gescheitert und die Frustration weiter Teile der Bevölkerung über die mangelnde Integration muslimischer Zuwanderer bescherte Thilo Sarrazzin Verkaufsrekorde. Auch in Deutschland hat man, wie in den meisten europäischen Ländern, das Integrationsthema lange Zeit verschlafen.
Österreich und die Islamisten im Allgemeinen – und die ÖVP im Speziellen
Tatsächlich ist es auch nicht das, was Deutschland in Sachen Integrationspolitik so gut macht, sondern vor allem das, was Deutschland nicht macht, was den entscheidenden Unterschied zu Österreich ausmacht.
Islamisten werden in Deutschland nicht aktiv mit Steuergeldern gefördert, man überlässt ihnen nicht den Religionsunterricht in öffentlichen Schulen und sie sind nicht die bevorzugten Dialogpartner für staatliche Integrationspolitik.
In Österreich ist das anders – vor allem auch dank der ÖVP, einer Partei, die sich selbst gerne als Kraft der Mitte, als Kraft der Vernunft präsentiert – die in Sachen Integrationspolitik das Motto vorgibt „zwischen linken Träumern und rechten Hetzern“. Dabei ist bei diesem Thema bei keiner Partei der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit so groß wie bei der ÖVP, die zwischen „linken Träumern und rechten Hetzern“ dem Islamismus den Boden aufbereitet.
Gleich vorneweg, österreichische Parteipolitik interessiert mich lediglich am Rande und parteipolitisches Bashing interessiert mich im Rahmen meines Blogs schon überhaupt nicht. Aber wenn man das Integrationsproblem und dessen Ursache sachlich analysieren will, kommt man nicht umhin, die politische Verantwortung festzumachen. Und auch wenn man in Österreich vorwegschicken kann, dass auch andere Parteien bis dato nicht mit grandiosen Integrationskonzepten geglänzt haben, steht fest: Die ÖVP trägt in Österreich auf Bundesebene die politische Verantwortung für Integrationspolitik. Die Integrationsagenden fallen in die Kompetenz des Innenministeriums, das seit dem Jahr 2000 durchgehend von der ÖVP beherrscht wird, seit letztem Jahr gibt es einen eigenen ÖVP-Integrationsstaatssekretär, und auch der Österreichische Integrationsfonds befindet sich in Hand der ÖVP.
Und wenn ich im Folgenden den Kuschelkurs der ÖVP mit dem politischen Islam und Anhängern verfassungsfeindlicher Organisationen aufzeige, dann kommt bei der ÖVP strafverschärfend hinzu, dass die ÖVP sich gegenüber den Wählern selbst gerne als „Law and Order“ Partei inszeniert – als Alternative zu „rot-grünem Chaos“ und den „Gutmenschen“ der diversen NGOs. Law and Order beschränkt sich bei der ÖVP allerdings nur auf die „Rehleinaugen“ von Arigona Zogaj (dem Mädchen aus dem Kosovo, deren Eltern zu Unrecht um Asyl angesucht hatten), von denen sich die Innenminsterin nicht beeindrucken lassen wollte. Wie sehr sich die ÖVP aber von den (eher nicht-Rehleinaugen der) Islamisten und verfassungsfeindlichen Organisationen beeindrucken lässt, dazu im Folgenden mehr.
Die Sonderstellung der IGGiÖ
Zunächst aber noch ein kurzer Exkurs in die österreichische Rechtslage, welche die rechtlichen Wurzeln der verhängnisvollen Affäre der ÖVP mit Anhängern verfassungsfeindlicher Organisationen wie Milli Görüs erklärt – diese reichen rund hundert Jahre zurück.
Das einhundertjährige Geburtstagskind, das keinen Anlass zum Feiern gibt, ist das österreichische Islamgesetz, ein Überbleibsel aus der Monarchie und der Annexion Bosniens Herzegowinas. Was damals naturgemäß weniger mit Religionsfreiheit als mit geopolitischen Machtambitionen am Balkan zu tun hatte, führt heute dazu, dass die Islamische Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGiÖ) sagt, wo es lang geht mit Muslimen in Österreich. Sie ist, obwohl sie nur wenige tausend Mitglieder hat, die gesetzlich normierte Vertretung aller in Österreich lebenden Muslime – von der Geburt bis zum Tod, ob die das wollen oder nicht. Vom Austritt aus dem Islam muss man aus gesundheitlichen Gründen ja abraten – was Abfall vom Glauben betrifft, ist die islamische Rechtssprechung seit dem 7. Jahrhundert unmissverständlich.
Die besondere Machtposition der IGGiÖ ergibt sich aus der Verbindung von Islamgesetz mit Religionsunterrichtsgesetz, welches der IGGiÖ den Einfluss auf die Schulen und auf die Erziehung junger Menschen garantiert. Sie bestellt die Religionslehrer, sie gibt den Lehrplan in den Schulen vor – und der Steuerzahler zahlt, mehrere Millionen Euro im Jahr. Nun könnte man ja auch meinen, der Alleinvertretungsanspruch der IGGiÖ und ihre besondere Machtposition im österreichischen Schulsektor wäre eine gute Sache, ein Modell für Europa – schließlich stehe die IGGiÖ für einen moderaten, integrationswilligen Islam. Oder auch nicht. Denn spätestens, wenn man ein wenig näher hinschaut, zu welchen Organisationen die obersten Entscheidungsträger der IGGiÖ offene Sympathie hegen, bleibt für dieses Wunschdenken kein Platz.
So macht der Präsident der IGGiÖ Fuat Sanac aus seiner Unterstützung für Milli Görüs keinerlei Hehl. Erst kürzlich rühmte er in einem Interview mit dem „Standard“ ganz offen den Beitrag Milli Görüs´ zur Demokratisierung der Türkei.[3]
Wer nun nicht weiß, wofür Milli Görüs steht, sollte einen Blick auf die Webseite des deutschen Bundesamtes für Verfassungsschutz werfen. Dieses stuft Milli Görüs unmissverständlich als verfassungsfeindliche islamistische Organisation ein, welche die Demokratie ablehnt und die islamische Weltherrschaft anstrebt.[4]
Fuat Sanac und der Antisemitismus
Und da kommen wir nun zur Verantwortung der ÖVP. Für die ist das Alles kein Problem. Fuat Sanac wurde geradezu überschwänglich vom jugendlichen ÖVP Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz in sein Amt begrüßt.[5] Man sei auf gleicher Linie und tatsächlich vergeht kaum eine Woche, wo sie nicht gemeinsam bei einer Veranstaltung in die Kamera lächeln. Irgendeine sachliche Distanzierung gibt es nicht. Einen kritischen Dialog sucht man weit und breit vergeblich. Dem obersten Dialogpartner in Sachen Integration – Fuat Sanac – ringt man nicht einmal Lippenbekenntnisse ab. Hat er auch nicht nötig. Das Steuergeld fließt so und so und auch die politische Anerkennung ist an keinerlei Bedingung geknüpft.
Selbst der „Standard“ titelt zu Fuat Sanac: „Keine Absage zum Antisemitismus.“[6] Das wäre wohl auch deutlich zu viel verlangt. Schließlich ist der Antisemitismus Grundpfeiler des Weltbildes von Milli Görüs, welches Necmettin Erbakan, der kürzlich verstorbene, jahrzehntelange Anführer der Bewegung, in einem Satz auf den Punkt brachte. Demnach regieren seit gut 5700 Jahren die Zionisten (bzw. Juden) die Welt, versklaven die Menschheit und sind dabei insbesondere auch verantwortlich für die Kreuzzüge (sic!) und den Protestantismus (kein Scherz!).[7]
Dass in Österreich laut Umfrage mehr als jeder vierte muslimische Jugendliche Hitler für einen tollen Mann hält, der gutes und sehr gutes geleistet hat, überrascht dann auch nur auf den ersten Blick[8] – dass sich Polizisten, Richter und Staatsanwälte, die Gesetze anwenden, wie auch all jene Bürger, die für den Rechtsstaat und gegen die Scharia eintreten, von eben diesen muslimischen Hitler-Fan-Boys als Nazis beschimpfen lassen müssen, zählt zu jenen scheinbaren Paradoxien, an die man sich mittlerweile auch fast schon wieder gewöhnt hat.
Immerhin wurde auch ganz offiziell vom IGGiÖ über Jahre hinweg das Buch „Erlaubtes und Verbotenes im Islam” von Yussuf al Quaradawi im staatlichen islamischen Schulunterricht als Pflichtlektüre eingesetzt – so durfte der österreichische Steuerzahler das Machwerk eines der weltweit einflussreichsten Islamisten finanzieren, der regelmäßig Hitler verherrlicht und den Holocaust als „gerechte Strafe Gottes” preist.[9]
„Tragende Rolle“ im Dialog
Wie sehr sich die ÖVP von den Islamlobbyisten beeindrucken lasst, kann man auch in den offiziellen Publikationen nachlesen. Wer etwa die vom Bundesministerium für Inneres und dem österreichischen Integrationsfonds herausgegebene Publikation mit dem Titel „Islam in Österreich“ durchließt, erfährt so erstaunliches – etwa, dass man muslimische Mädchen ab der 5. Schulstufe (dh mit 11 Jahren) auf Wunsch (insbesondere auch der Eltern) vom Schwimmunterricht befreien soll, wenn nicht gewährleistet werden kann, dass im Schwimmbad keine Männer anwesend sind.[10] Das heißt auch in der Schule muss alles getan werden, dass es keinen Freiraum gibt, in dem die Gefahr besteht, dass ein Kind ein aufgeklärtes Weltbild, also eine Alternative zu der islamischen Indoktrination, vermittelt bekommt. Um die uneingeschränkten, durch die Islamverbände propagierten, Besitzansprüche des Vaters über deren Töchter zu gewährleisten, müssen 11-jährige Mädchen im Sommer halt auch schon mal schwitzten. Dass muslimische Mädchen schwimmen lernen sollen, halten die „Integrationsexperten“ für verzichtbar – jedenfalls dann, wenn es darum geht den freundlichen Dialog mit den netten Herren von Milli Görüs nicht zu gefährden.
Konsequenterweise hat das Innenministerium auch ein Dialogforum Islam eingerichtet, in dem – keine Überraschung –ausdrücklich betont wird, dass der IGGiÖ „die tragende Rolle zukommt.“[11] Den restlichen 95 Prozet der Muslime in Österreich kommt hingegen deutlich weniger Bedeutung zu, vor allem aber nicht jenen Muslimen, die versuchen ihren religiösen Hintergrund mit aufgeklärtem Denken und der Achtung der Menschenrechten zu vereinbaren bzw. letzteren den Vorrang zu geben. Während in Deutschland islamkritische Frauenrechtlerinnen wie Seyran Ates und Necla Kelek vom Innenminister ganz selbstverständlich zu Mitgliedern der Islamkonferenz berufen wurden, gelten in Österreich für solche Personen von offizieller Seite Dialog- und Gesprächsverbot. Die Wahrheit ist nicht zumutbar, schon gar nicht den eigenen Wählern – denen man die Allianz mit den Islamisten als Integrationspolitik verkaufen will.
Die Arbeitsgruppe zum Thema Islamismus im Dialogforum Islam heißt dann auch vielsagend „Islamismus und Islamfeindlichkeit“ – eine Relativierung in drei Worten bzw. El Kaida, Taliban und Alice Schwarzer in einem Topf. Ob bei Islamismus und Islamfeindlichkeit das eine die Ursache für das andere ist oder umgekehrt, bleibt da mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unbeantwortet. Dafür dürfte auch schon der Leiter der Arbeitsgruppe sorgen, der ist nämlich ausgerechnet Herr Prof. Mathias Rohe. Der Deutsche hält die Scharia für eine „Kulturleistung, die man anerkennen muss“,[12] nicht zuletzt deshalb bezeichnet ihn die Frauenrechtlerin Necla Kelek auch als „rechtspolitischen Mentor von … Milli Görüs“.[13]
Auch wenn die Arbeit der „Expertengruppe“ „Islamismus und Islamfeindlichkeit“ noch nicht fertig ist. Die Ergebnisse hat Fuat Sanac bereits vorweggenommen: Islamfeindlichkeit ist wie eine Krankheit.[14] Hingegen gilt der von Milli Görüs hemmungslos propagierte Hass gegen Christen und Juden, bzw. alle, die sich nicht dem dumpfen Weltbild des Herrn Erbakan unterwerfen,[15] bei Herrn Sanac wohl als gesunder Menschenverstand. Ex-Muslime wie der Vorarlberger Chahid Kaya, der für Aufklärung und Humanismus kämpft und die sich kritisch über die Beschneidung äußern, sollen zum Psychiater gehen, so die Aufforderung „der tragenden Säule“ des ÖVP-Islamdialogs. Und dass lslamismus und islamischer Terror nichts, aber auch gar nichts, mit Islam zu tun haben, versteht sich von selbst – wohl alles nur eine große Verschwörung der Zionisten und Amerikaner.
Wie praktisch, wenn eine alles erklärende Weltverschwörungsformel einen von jeder Verantwortung freispricht und zugleich auch jede Gefahr von Selbstzweifel und dem Drang zum kritischen Denken im Keim erstickt. Und Fuat Sanac ist optimistisch, dass nun endlich auch die Mehrheit der Österreicher begreift, wer etwa im Irak und Afghanistan „dahinter steckt“, dass viele Leute getötet wurden.[16] Also jedenfalls nicht die Taliban, El Kaida und alle anderen, die Allahu Akbar schreien, bevor sie sich in Mädchenschulen und auf Straßenmärkten in die Luft sprengen.
Zwei Sorten Meinungsfreiheit
Dass beim „Dialog auf Augenhöhe“[17] (was mehr über das Niveau der ÖVP-Granden als über die Demokratiefähigkeit von Milli Görüs aussagt) selbst ein Beharren auf die Einhaltung der Strafgesetze außen vor bleiben muss, ist dann auch nicht mehr sonderlich verwunderlich. Wenn also bei ihrem Lieblingsdialogpartner IGGiÖ der führende Funktionär Hassan Mousa – in einem Interview im iranischen Staatsfernsehen – zur Entführung israelischer Soldaten, also zu einer strafbaren Handlung, aufruft und dazu gegen Israel „alle Mittel der Gewalt einzusetzen“[18] – regt das schon lange keinen mehr auf. Herr Hassan Mousa ist im Übrigen auch Betreiber der Al Azhar Schule in Wien Floridsdorf; die islamische Privatschule hat Öffentlichkeitsrecht, ist also staatlich anerkannt. Dass Fuat Sanac die Äußerungen auch noch verteidigt – mit dem Verweis auf Meinungsfreiheit versteht sich von selbst (Meinungsfreiheit endet bei Islamkritik, offenbar aber nicht beim Aufruf zu strafbaren Handlungen – schon gar nicht im heiligen Krieg gegen „Zionisten“.)[19]
Und wenn man mit Anhängern von Milli Görüs schon so innig, „auf Augenhöhe“ Dialog führt, dann braucht man auch vor saudischen Wahabiten keine Scheu zu haben. Wobei bei dem Enthusiasmus, mit dem sich die ÖVP für das Saudische Zentrum für „interreligiösen Dialog“ in Wien eingesetzt hat, will man als Staatsbürger fast schon wieder hoffen, dass dabei mehr als ein mit Steuergeldern finanzierter Versorgungsposten für eine Ex-Justizministerin herausgeschaut hat.[20] Dass die ÖVP als angeblich christlich-soziale Partei, einem Regime, welches die Einfuhr von Bibeln mit der Todesstrafe bedroht und das bei der Verfolgung von Christen einen unrühmlichen Spitzenplatz einnimmt, eine Propagandaplattform bietet, erübrigt sich jeder weitere Kommentar.
Bei all dem innigen Dialog zwischen ÖVP und Fuat Sanac, Milli Görüs und den saudischen Wahabiten, wundert es nicht wofür es in der österreichischen Integrationspolitik keinen Platz gibt: Die Vermittlung von rationalem, vernunftbegabtem, kritischem Denken, Aufklärung und Humanismus, Rechtsstaat und Menschenrechte.
Ein Gedankenexperiment über eine andere Gesellschaft
Nach dem Attentat von Toulouse habe ich in einem Kommentar ein Gedankenexperiment gewagt.[21] Was wäre gewesen, wenn der Attentäter, der Kindern im Namen seiner Religion in den Kopf geschossen hat (ebenso wie jene jungen Muslime in Österreich, die ihn dafür in Internetforen gefeiert haben), in einer anderen Gesellschaft aufgewachsen wäre?
In einer Gesellschaft, in der Kindern muslimischer Eltern in der Schule, durch Medien und die Politik ganz selbstverständlich vermittelt wird, dass es im 21. Jahrhundert keine Schande ist, über seine eigene Religion und sein Weltbild sachlich und auch kritisch nachzudenken. Dass ihr Wert als Mensch und ihre Identität nicht zwingend vom Glauben ihrer Eltern abhängt.
Dass aufgeklärtes, rationales Denken keine Sünde ist, die sie in die Hölle bringt, sondern die Grundlage für Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte, welche wiederum ihren Familien ermöglicht haben, nach Frankreich (bzw. Österreich) einzuwandern und die Staatsbürgerschaft anzunehmen. Dass Europa zwar nicht perfekt ist, aber dass es hier bei allen Problemen, objektiv betrachtet um Lichtjahre besser ist als alles, was Gesellschaftsordnungen, die auf dem Islam basieren und welche seine Eltern bewusst verlassen haben, je hervorgebracht haben.
Dass der Umstand, dass von der Glühbirne bis zum PC, vom Handy bis zum Spaceshuttle sämtliche technischen Errungenschaften von „Ungläubigen“ erfunden worden sind, kein weiterer Beweis für eine jüdisch-amerikanische Weltverschwörung ist, sondern daran liegt, dass für die „Ungläubigen“ im Westen rationales, wissenschaftliches Denken im Gegensatz zu den „Gläubigen“ in Ländern wie Saudi Arabien kein todeswürdiges Verbrechen ist. Oder auch, dass wir dank Wissenschaft heute wissen, dass – entgegen dem Koran — die Sonne sich nicht um die Erde dreht, die Erde nicht die Form eines Teppichs hat und ein Ort in Saudi Arabien nicht der Mittelpunkt des Universums sein kann.
All das wäre Gift für die Mittelalter-Ideologie von Milli Görüs, Wahabiten und Muslimbrüdern. Es würde dazu führen, dass das 21. Jahrhundert gegen das 7. Jahrhundert gewinnt; es würde die Grundlage dafür bilden, dass Integration gelingen kann – und dass sich nicht immer mehr muslimische Mädchen unter einem Kopftuch verstecken und sich nicht immer mehr muslimische Jugendliche in eine demokratiefeindliche, antiwestliche Parallelwelt flüchten.
Aber das will die ÖVP offenbar nicht zulassen – aus welchen Gründen auch immer. Deshalb wird dem Islamismus, der sich heute durch Internet und Satellitenfernsehen und dank Milliarden Petrodollars offensiver denn je ausbreitet, nicht nur nichts an Aufklärung entgegengesetzt, in Österreich erklärt man die Islamisten kurzer Hand zur „tragenden Säule” des Islamdialogs, rollt ihnen den roten Teppich aus und überlässt Kinder in Schulen der mit Steuergeldern finanzierten Propaganda von Milli Görüs und Muslimbruderschaft. Der Preis dieser Politik wird hoch sein. Gewinnen werden die Extremisten, verlieren alle anderen.
PS: Einer der wenigen, der in Österreich die verhängnisvolle Affäre von ÖVP und Milli Görüs wiederholt aufgezeigt und kritisiert hat, ist der grüne Bundesrat Efgani Dönmez. Dass ausgerechnet ein Grüner – also nach ÖVP-Diktion einer der „linken Träumer”, noch dazu mit türkischen Wurzeln, das Naheverhältnis der ÖVP zu Islamisten kritisiert, sollte jedem bürgerlichen Wähler zu Denken geben.
Der Autor ist Vertragsbediensteter in einem Wiener Ministerium und hat daher gebeten, anonym bleiben zu dürfen. Er ist Jurist, 30 Jahre alt und in Kärnten geboren.