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Schon für die eigene Seelenhygiene sollten wir es uns bisweilen in Erinnerung rufen: Es gibt in der Politik nicht nur Skandale wie den aussagescheuen Bundeskanzler oder die leichtfertige Zustimmung von Regierung und Nationalbank zu den europäischen Turbo-Schuldenvermehrern EZB und ESM. Es gibt auch durchaus kluge, interessante und innovative Vorschläge. Diese sind es wert, nicht nur berichtet, sondern auch realisiert zu werden.
Und jedenfalls ist es nicht richtig, fast ständig das Negative in den Vordergrund zu rücken (In diesem Satz ist auch etliches an Selbstkritik enthalten). Heute ist daher wieder einmal Besserung angesagt.
Lobenswert ist jedenfalls die neue Idee, Maturanten eine einjährige Lehre anzubieten. Dadurch könnte erstens der Facharbeitermangel reduziert werden. Dadurch könnten zweitens diese wichtigen Berufe auch eine qualitative Aufwertung erfahren. Dadurch würde drittens der Druck abgemildert, um jeden Preis Fachkräfte aus dem Ausland zu importieren. Viertens ist es auch einem Maturanten zumutbar, wenn er sich bisweilen schmutzig machen muss. Und dadurch würden fünftens viele aus der Sackgasse Matura herausgeholt. Denn es ist allemal besser, eine gute Lehre (plus Matura) in einer Branche mit Nachwuchsmängeln zu haben, als jahrelang halt als letzten Ausweg ein brotloses Studium zu belegen. Was ja für viele die einzige Alternative ist, wenn sie weder an Fachhochschulen noch bei Medizin und Wirtschaft die Aufnahmshürden überstehen.
Der Vorschlag ist zu loben, auch wenn ihn ausgerechnet der sonst selten lobenswerte Christoph Leitl öffentlich geäußert hat. Ob am Ende bei manchen Berufen vielleicht statt 12 doch 15 oder 18 Monate nötig sein sollen, ist eine Detail-Frage, die die Praxis beantworten wird. Bei Maturanten kann man ja wohl doch davon ausgehen, dass ihnen weder Berufsschule noch Lehrherr noch all das beibringen müssen, was bei den normalen und viel jüngeren Lehrlingen notwendig ist, um die ärgsten Lücken zu füllen.
Amüsiert kann man freilich eines zur Kenntnis nehmen: Die von einigen Ahnungslosen ausgestreute Forderung, Österreich müsse seine Akademikerquote deutlich heben, ist mit dieser Diskussion nun wohl ad acta gelegt. Denn ein Maturant kann ja normalerweise nicht zweimal recycled werden.
Diese Fixierung auf die angeblich zu erhöhende Akademikerquote war sowieso schon immer ein Unsinn. Eine von Arbeitgebern kaum nachgefragte Ausbildung ist deshalb keinesfalls sinnvoller oder gesellschaftlich wertvoller, wenn man halt dabei den eigenen Namen auch um ein paar Buchstaben wie MA oder Bacc erweitern kann. Eher peinlich war übrigens die Reaktion eines RfW-Vertreters. Der Freiheitliche verlangte umgehend, anstelle dieses neuen Ausbildungsweges sollte man doch den bisherigen Lehrbetrieben eine kräftige Subvention spendieren. Als ob dadurch die Lehrlinge mehr würden.
Weniger überraschend ist, dass Sebastian Kurz regelmäßig gute Vorschläge produziert. Er hat nun den Kampf dafür aufgenommen, dass sprachunkundige Migrantenkinder vor der Aufnahme in eine normale Klasse noch in eine konzentrierte Spezialklasse zum Deutsch-Lernen gehen müssen.
Damit verlieren sie zwar meist ein Jahr, können aber dann dem Unterricht mit Verständnis folgen. Und riskieren nicht, dass sie eines Tages Richtung Sonderschule abgeschoben werden. Also auf einen finalen Entsorgungsplatz.
Eine Intensivierung des Kampfes um bessere Deutschkenntnisse der Migranten ist dringend notwendig. So sprechen sogar von den in Österreich geborenen 15-Jährigen noch über 77 Prozent zuhause eine andere Sprache. Dieser Prozentsatz ist weit höher als in jedem vergleichbaren anderen Land. Das macht jeden Kampf gegen eine solche Verbesserung des Deutschunterrichts fast schon zum Verbrechen. Aber Njet gesagt ist halt allemal leichter als Sinnvolles produziert.
Daher sollte man das eifersüchtige Gezänk der Unterrichtsministerin, die den Kurz-Vorschlag als einen zur Schaffung angeblicher „Ghettoschulen“ gleich abgelehnt hat, nicht einmal ignorieren. Sie wird wohl ohnedies nicht mehr allzu lange Ministerin bleiben.
Richtig ist auch der Vorschlag der FPÖ, der dann von der SPÖ unterstützt worden ist, Staatsverträge künftig vorweg vom VfGH prüfen zu lassen. Das wird wiederum aus schwer verständlichen Gründen von der ÖVP abgelehnt. Denn die gegenwärtige Lage ist ja absurd, wo der VfGH erst im nachhinein schon beschlossene Staatsverträge prüfen kann. Was dann aber sinn- und wirkungslos ist. Denn Österreich kann einen einmal ratifizierten und dem Ausland notifizierten Staatsvertrag nicht mehr rückgängig machen oder ändern. Das wäre ein glatter Bruch des Völkerrechts. So ist der Rechtsstaat hilflos gegen verfassungswidrige Staatsverträge. Das kann es ja nicht sein.
Würde der VfGH solcherart aufgewertet, könnte man seinen Richtern im Gegenzug die unselige „Idee einer Gesetzesbeschwerde“ abdrehen, die sie gerade zu erkämpfen versuchen. Die VfGH-Richter wollen sich dadurch nämlich hinterrücks zum Obersten Oberstgericht machen – sich also auch über den Obersten Gerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof stellen.
Was soll an dieser Gesetzesbeschwerde schlecht sein?
Sie bringt die gut funktionierende Architektur des Rechtsstaats durcheinander. Und sie wird vor allem eines bewirken: Sie wird zu einer deutlichen Verlängerung der Verfahrensdauer führen. Denn wer vor dem Obersten Gerichtshof verloren hat und sich etwa vor einer größeren Zahlungsverpflichtung fürchtet, der wird alles tun, um die Sache weiter zu verzögern. Dafür bekäme ein solcher Zeitschinder mit dem Gang vor den VfGH künftig stärkere Waffen. Und die wird er daher auch kräftig ausnutzen.
Wer aber vorgibt, durch den VfGH würden in einem Promille der Fälle noch bessere beziehungsweise „gerechtere“ Urteile ergehen, der lügt sich etwas vor: Denn wenn die Verfahren deutlich länger dauern, bis sie endlich rechtskräftig abgeschlossen sind, dann reduziert das die Gerechtigkeit und Effizienz des Justizsystems viel mehr, statt sie zu vermehren. Schon die in den letzten Jahren immer häufiger notwendig gewordene Schleife über den Europäischen Gerichtshof hat ja viele Verfahren schmerzhaft verlängert.
Außerdem sollte man nicht unterschätzen: Das recht flotte Tempo der österreichischen Gerichte ist ein wichtiger Standortvorteil. Es ist gut für die Wirtschaft, wenn Streitigkeiten rasch entschieden sind. Selbstredend bezieht sich das Lob nicht auf die Staatsanwaltschaft, die als Folge der neuen Strafprozess-Reform nun deutlich länger braucht, bis sie einen Prozess zur Anklage oder Einstellung bringt. Und die in den meisten Fällen gar nichts tut.
Eigentlich sieht in ganz Österreich – mit Ausnahme der VfGH-Richter selbst – niemand einen Handlungsbedarf. Weder gegen den Verwaltungs- noch den Obersten Gerichtshof gibt es irgendeine seriöse Kritik, dass diese Häuser juristisch schlecht urteilen, sodass ihnen eine Oberinstanz draufgestülpt werden müsste. Beide vor der Entmündigung stehenden Gerichtshöfe unterbrechen ja ohnedies sofort jedes Verfahren, wenn sie den leisesten Verdacht haben, dass hier österreichisches Recht im Widerspruch mit jenem der EU oder mit der Verfassung stünde. Überdies geht es beim OGH fast nur um private Rechtsfragen, wo ein politischer – und politisch besetzter – Gerichtshof wie der VfGH sich eigentlich nicht einmischen sollte.
Man verzeihe, dass es jetzt doch wieder kritischer geworden ist. Daher noch einmal zurück zu den drei gelobten Vorschlägen: Es spricht nichts dagegen, dass alle drei noch vor den Wahlen ausdiskutiert und beschlossen werden. Das wäre immerhin ein Signal, dass die Regierung nicht schon ganz vom Korruptionskeim angefault ist. Was man übrigens auch wörtlich nehmen könnte.