Selten sind die Aussagen eines Umweltministers so falsch wie jene von Minister Berlakovich. Noch vor einem Jahr erklärte er, dass Österreich die Kyotoziele vielleicht doch noch erreichen könne, vor wenigen Monaten behauptete er dann urplötzlich, dass weitere 600 Millionen für den Ankauf von CO2-Zertifikaten bezahlt werden müssen. Jetzt liegen die Fakten auf dem Tisch, und die sehen ganz anders aus. Im neuesten Klimaschutzbericht des Umweltbundesamtse kann nachgelesen werden, dass zusätzlich zu den bereits gekauften 45 Millionen CO2-Zertifikaten weitere 30 Millionen in der Bilanz fehlen.
Und was die Strafzahlungen betrifft werden überhaupt keine zusätzlichen Mittel notwendig sein. Die Unkenrufe diverser Experten, wie Schleicher (Wifo) und Schwarzer (Wirtschaftskammer), waren völlig aus der Luft gegriffen. Österreich hat bereits vor Jahren 532 Millionen Euro für den Einkauf von Verschmutzungsrechten bereitgestellt, damals für 45 Millionen Tonnen. Nun kommen allerdings noch weitere 30 Millionen dazu; sechs Millionen wurden jüngst für GIS-Zertifikate („Green Investment Scheme“: Investitionen bspw. in erneuerbare Energien) zusätzlich erworben.
Der Durchschnittspreis pro Tonne liegt derzeit bei etwa acht Euro. Für den Zukauf der weiteren Verschmutzungsrechte wird man noch weniger bezahlen müssen. Der Markt für CDM und JI-Projekte („Clean Development Mechanism“ bzw. „Joint Implementation“: Anlagen in Entwicklungsländern, die Verschmutzungsrechte verkaufen dürfen) ist völlig zusammengebrochen: Neue Rechte kommen nicht mehr auf den Markt, für alte Rechte liegt der Preis bei drei Euro pro Tonne. Österreich wird die Lücke daher vorrangig mit GIS-Projekten auffüllen, die im Bereich von etwa sechs Euro liegen. Es ist daher davon auszugehen, dass für die gesamten einzukaufenden 75 Millionen Tonnen ein Durchschnittspreis von etwa sieben Euro zu bezahlen sein wird. Das heißt, die ursprünglich für 45 Millionen Tonnen budgetierten 532 Millionen Euro reichen nun für 75 Millionen Tonnen.
Die Verteilung des Programmportfolios stellt sich derzeit folgendermaßen dar: Der Anteil der Emissionsreduktionen aus CDM-Projekten beträgt 50 Prozent, jener aus Green Investment Schemes 22 Prozent, aus JI-Projekten 16 Prozent und Fonds bzw. Fazilitäten machen 12 Prozent der Gesamtmenge aus. Bisher wurden insgesamt 30,5 Mio. Tonnen Emissionsreduktionseinheiten auf das österreichische Registerkonto geliefert – das entspricht mehr als zwei Dritteln der geplanten 45 Mio. Emissionsreduktionseinheiten. Die Einheiten aus dem Jahr 2011 stammen aus 35 verschiedenen Projekten.
Emissionen 2010 wieder gestiegen
Die Treibhausgasemissionen sind in Österreich 2010 erstmals seit 2005 wieder gestiegen. Dies geht aus dem Klimaschutzbericht des Umweltbundesamtes hervor, der vor kurzem veröffentlicht worden ist. Für das Jahr 2011 prognostizieren die Experten aber wieder einen Rückgang.
2010 beträgt die österreichische Treibhausgasbilanz 84,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Damit lagen die Emissionen unter Einbeziehung der flexiblen Mechanismen und der Bilanz aus Neube- und Entwaldung mehr als sechs Millionen Tonnen über dem jährlichen Durchschnittswert des Kyotoziels.
Für die Erfüllung der Kyoto-Verpflichtungen ergeben sich aus den ersten drei Jahren der Kyoto-Zielperiode 18,1 Millionen Tonnen, die zusätzlich über flexible Instrumente abgegolten werden müssen. Für 2008 bis 2012 rechneten die Experten mit bis zu 30 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent, die durch zusätzliche Zertifikate aus dem Ausland abgedeckt werden müssen.
Grundsätzlich sind all diese Geschäfte umstritten. Der vor einigen Jahren eingeführte Handel mit CO2-Emissionszertifikaten, der dazu dienen sollte, die Entwicklung CO2-armer Technologie voranzutreiben „hat sich genau pervertiert", meint etwa Verbundchef Anzengruber: „der CO2-Markt ist eigentlich nicht mehr funktionsfähig, der CO2-Markt ist zusammengebrochen". Das führe zu der skurrilen Situation, „dass wir zwar weniger CO2 emittieren wollen, aber gerade die Technologien, die die höchsten CO2-Emissionen haben – wie Braunkohle – heute die wirtschaftlichsten Technologien sind".
Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.