Gründe und Abgründe

Wer Christentum, wer Kirche höhnt,
wer gar vielleicht mit Frevel krönt
sein selbstgerechtes Treiben,
der kann in dieser neuen Zeit,
von Anstand und Moral befreit,
durchaus gelassen bleiben.

Denn Müll wird schlicht zur Kunst erklärt,
und draufhin, wie Erfahrung lehrt,
wird vom Gericht bescheinigt,
dass Künstler sei der Delinquent –
der Markwert steigt dann vehement,
der Casus ist bereinigt.

All das ist heut’ polit-korrekt,
und wer dran zweifelt, ist suspekt
in Landen, schrecklich freien –
dass man’s in Russland anders hält,
kann demgemäß die Tugendwelt
auf keinen Fall verzeihen!

Für sie ist erstens nix dabei
und zweitens Kunst die Hopserei
dort in der Kathedrale,
und drittens passt ein „Punk-Gebet“,
wenn im Altarraum flott gedreht,
ganz super ins Sakrale.

Die „Punk-Rock-Band“ ist obendrein
gedschendert, was ja schon allein
am Namen zu erkennen,
und „Punk“ und „Rock“ und andres mehr,
das „hip“ heißt nicht von ungefähr,
ist „Pop-Kultur“ zu nennen.

Die Pop-Kultur wird, so besehn,
zum „diskursiven Phänomen“
bei Habermas-Getreuen –
mit Dissertationen gar,
mit selbstverständlich Jahr um Jahr
gleich ein paar Dutzend neuen!

Tja, alles kommt halt wie bestellt
in Hinblick auf die Eine Welt
der Vaterlandsverräter –
drum also Pop statt Volkskultur,
statt Muttersprache Pidgin nur
und statt Gesang Gezeter.

Doch dafür, dass die Band dezent
sich selber „Pussy Riot“ nennt,
mag’s weitre Gründe geben,
denn „Pussy“ gibt’s auf Russisch zwar
von Russen gern gebraucht sogar –
bloß auch von Putin eben…

Pannonicus

(Zum Prozeß gegen drei Mitglieder der „Punk-Rock-Band“ namens „Pussy Riot“, die in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale ein Spektakel aufzogen. Noch dazu im Altarraum, den Laien in orthodoxen Kirchen nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Priesters betreten dürfen. – Putin ist bekannt für seine rüde Umgangssprache und den lockeren Umgang mit Kraftausdrücken.)

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung