Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer

Mein Aufsatz "Der vierte Juli: Nicht nur in den USA ein denkwürdiges Datum" bestand zum Großteil aus Zitaten von Denkern und Staatsmännern, die zu der kläglichen Situation passten, in der sich die Staatsfinanzen zahlreicher Mitglieder der EU, sowie der USA und Japans seit vielen Jahren befinden.

An den Beginn dieses Beitrags möchte ich wieder ein Zitat stellen – und zwar eines des amerikanischen Naturforschers und Philosophen Edward Abbey (1927 – 1989): „Wenn du dich weigerst, ungerechte Steuern zu bezahlen, wird dein Eigentum konfisziert. Wenn du versuchst, dein Eigentum zu verteidigen, wirst du festgenommen. Wenn du dich der Festnahme widersetzt, wirst du niedergeknüppelt. Wenn du dich dagegen wehrst, wirst du erschossen. Diese Maßnahmen sind bekannt als Rechtsstaatlichkeit.“

In wenigen Zeilen räumt Abbey rigoros mit der Illusion auf, dass es so etwas wie einen „Rechtsstaat“ geben könnte. Denn wahr ist: es gab nie einen, es gibt keinen und es wird wohl auch nie einen geben. Jede Tugend, die uns liebende und verantwortungsbewusste Eltern einst vorgelebt haben – Ehrlichkeit, Sparsamkeit, Bescheidenheit, Gewaltverzicht, um nur ein paar Beispiele zu nennen – sie alle sind dem Staat unbekannt. Die jedem Privaten verbotene Verletzung von Rechten Dritter bildet vielmehr seine Geschäftsgrundlage.

Kein Staat ist je ohne den Bruch von Individualrechten, also ohne Betrug, Raub, (Massen-) Mord und Totschlag entstanden. Die systematische Missachtung allgemein gültiger Rechtsnormen durch den Staat wird am von Abbey im obigen Zitat angesprochenen „Nichtaggressionsprinzip“ besonders deutlich. Wir alle haben schon als Kinder gelernt, niemals Gewalt gegen Dritte zu initiieren. Außer im Notwehrfall ist Gewaltanwendung in einer zivilisierten Gesellschaft grundsätzlich unzulässig. Niemals hätten unsere Eltern es uns durchgehen lassen, hätten wir anderen Kindern in der Sandkiste deren Spielzeug weggenommen – nur weil wir gerade die Stärkeren waren.

Der Fiskus dagegen hat keinerlei Skrupel, seinen gesamten Zwangs- und Gewaltapparat gegen jene rechtschaffenen, aber wehrlosen Bürger in Marsch zu setzen, deren einziges „Verbrechen“ darin besteht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum behalten zu wollen. Wer das nicht glaubt, versuche einmal, seine Schutzgeldzahlungen an den Staat zu verweigern! Schneller als man „Rechtsstaat“ sagen kann, wird man es mit recht robusten Amtshandlungen zu tun bekommen. Damit wird in flagranter Weise jenes Nichtaggressionsprinzip verletzt, das für jedermann gilt – außer für den Staat.

Und als ob das allein nicht schon schlimm genug wäre, fügt das „kälteste aller kalten Ungeheuer“ dem Unrecht auch noch den blanken Hohn hinzu! Kehren wir zu unserem Sandkasten zurück und nehmen wir an, die dort spielenden Kinder würden – in Abwesenheit ihrer Eltern – einen aus ihrer Mitte (vermutlich den Größten und Stärksten) – zum Streitschlichter küren. Immer dann, wenn es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Spielenden kommt, soll er – einem Fußballschiedsrichter gleich – auf der Stelle und ohne weitere Diskussion entscheiden. Das klingt so lange nach einer guten Idee, so lange die Urteile dieses Streitschlichters nicht auch jene Fälle betreffen, in die er selbst als Partei involviert ist. Jedem Kind wäre sofort instinktiv klar, dass dann wohl keine gerechten Urteile zu erwarten wären.

Vertraue keinen Richtern und Beamten

Liegt man indessen als Bürger mit „Big Brother“ im Streit - dann entscheidet in letzter Instanz - der große Bruder selbst. Genial, nicht wahr? Das ist gerade so, als ob man bei einem Großbetrieb eine Ware gekauft hat und – nachdem man an dieser einen Mangel feststellen musste – von der betriebseigenen Reklamationsabteilung an die betriebseigene Rechtsabteilung verwiesen wird, die letztlich endgültig über die Rechtmäßigkeit der Kundenforderung befindet.

Kein Konsument wird sich das bieten lassen! Zurück zur Sandkiste: Der von den Kindern gewählte Streitschlichter kann diesen nicht nur ihre Spielsachen entwenden – er ist ja schließlich allen anderen an Kraft überlegen – sondern danach auch noch darüber befinden, ob das in Ordnung ist oder nicht. Verrückt, nicht wahr? Der Staat hat es verstanden (der unermüdlichen Wühlarbeit ganzer Zehntausendschaften von staatsbesoldeten Intellektuellen, Lehrern und einer durch Rundfunkmonopol, Presseförderung und Inseratenkampagnen korrumpierten Journaille sei Dank!), uns diesen Irrsinn als die normalste und gerechteste Sache der Welt zu verkaufen.

Die von Montesquieu „erfundene“ Gewaltenteilung entpuppt sich denn als schieres Trugbild. Die drei Gewalten, Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz, werden schließlich von Menschen verkörpert, die allesamt für dieselbe „Firma“ arbeiten. Von wegen „Gewaltenteilung“. Als Steuerkonsumenten leben sie von dem Geld, das der Staat – dank seines Vorrechts, Tribute zu erheben (ohne dass er den Zahlern dafür konkrete Leistungen schuldet!) – den nicht beamteten Bürgern abnimmt.

Das macht sie zu deren natürlichen Gegnern. Die Loyalität der beamteten Nettoprofiteure gilt einzig und uneingeschränkt dem Leviathan – nicht etwa den Financiers ihrer privilegierten Positionen.

Wenn also ein mit einer Behörde im Streit liegender Bürger sich von der Justiz Gerechtigkeit erwartet, dann gleicht er dem oben beschriebenen Konsumenten, über dessen allfälligen Schadenersatzanspruch die firmeneigene Rechtsabteilung zu befinden hat. Das Sprichwort besagt: „Wes´ Brot ich ess´, des´ Lied ich sing´!“ Was auch immer der Bürger von der Justiz erwarten kann, wird wenig mit Gerechtigkeit, dafür aber viel mit Macht zu tun haben…

Zentralismus verschlimmert die Lage noch

Nun ist es eine altbekannte Tatsache, dass politische Einheiten mit wachsender Größe zu immer stärkerer Zentralisation und Machtakkumulation tendieren. Die USA bilden ein wunderbares Beispiel dafür. Die ehrwürdigen Gründerväter, die meinten, ein wasserdichtes System von Checks and Balances geschaffen zu haben, würden ihr sympathisches, filigranes Geschöpf von damals heute nicht wieder erkennen. Aus dem einst unscheinbaren Zentrum einer losen Föderation unabhängiger Staaten ist eine alles kontrollierende Kommandozentrale geworden.

Besonders seit der Einführung bundesweiter Steuern und der Installation einer auf den Namen FED-System hörenden Inflationierungsbehörde im Jahre 1913, hat sich Washington rasant in die Richtung einer modernen Version des Versailles´ Ludwigs XIV. entwickelt. Washington rules – der Rest (von der New Yorker Wallstreet abgesehen) ist unbedeutende Provinz. Und nie zuvor werden die Bürgerrechte durch einen alle Lebensbereiche wie ein Krebsgeschwür durchdringenden Staat stärker eingeengt als heute.

Die USA, die in vieler Hinsicht dennoch immer noch deutlich mehr an Freiheit bieten als die lupenrein sozialistische Alte Welt, bilden im Hinblick auf ihre Zentralisierung die Blaupause für die Eliten der EU. Denn weniger als „Die Vereinigten Staaten von Europa“ darf es nicht sein – und wenn es die Restbestände von Freiheit in Europa und den letzten Cent der Deutschen, Holländer und Österreicher kostet!

Leider liegt das Fremdbestimmungsniveau, von dem aus dieses ebenso größenwahnsinnige wie bürgerfeindliche Projekt startet, ungleich höher als jenseits des Atlantiks – was dann besonders deutlich wird, wenn man die durchschnittlichen Abgabenlasten miteinander vergleicht (die in der EU im Schnitt um rund zehn Prozent höher liegen als in den USA). Der europide Überwachungs- und Regulierungsirrsinn, der mittlerweile nicht einmal mehr vor Bargeldtransaktionen, Essgewohnheiten und Kellerbeleuchtungen Halt macht (wir werden auch noch erleben, dass Neugeborene – Haustieren gleich – gechipt werden!), hat eben seinen Preis.

Die EU ist das schlimmste Ungeheuer

Bleibt die Hoffnung, dass dieser Spuk an „imperialer Überdehnung“ zerbricht, ehe er verwirklicht werden kann - wofür es täglich deutlichere Signale gibt. Der schriller werdende Ton und der immer hysterischere Aktionismus der Nomenklatura lässt sich durchaus als Untergangsindikator deuten…

Dieser Tage blickt alle Welt nach Karlsruhe, wo das deutsche Bundesverfassungsgericht über Klagen gegen den ESM zu entscheiden hat, der geeignet ist, Generationen von Bundesbürgern in die Schuldknechtschaft zu zwingen. Viel hängt von diesem Urteil ab. Die Richter haben es in der Hand, den Nachweis der faktischen Existenz einer „Gewaltenteilung“ in Deutschland zu erbringen. Allerdings: Es handelt sich auch bei ihnen um Staatsschranzen. Alles andere als ihr Einknicken vor der hohen Politik und der Masse der veröffentlichten Meinung wäre ein Wunder…

Kommen wir zur Überschrift dieses Beitrags zurück und setzen sie mit Nietzsches eigenen Worten (aus Also spracht Zarathustra, seinem „Buch für alle und keinen“) fort: „Staat heißt das kälteste aller Ungeheuer. Kalt lügt es auch, und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: Ich, der Staat, bin das Volk.“

Stimmt! Der Staat, der sich des Territoriums unseres Vaterlandes bemächtigt hat, hat mit seinem Volk gar nichts am Hut, was über dessen Rolle als Steuerlieferant hinausgeht. Weniger noch als „der Staat“ (oder besser: seine Repräsentanten) kümmert sich die Zentralbürokratie der EU um das „europäische Volk“.

Das „kälteste aller kalten Ungeheuer“ wäre für Nietzsche heute sicher nicht mehr der Staat, sondern jenes ungeheuerliche Kunstgebilde, das es nach dem Willen seiner jeder Bodenhaftung verlustig gegangenen Politeliten erst zu erschaffen gilt.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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