Kaum hat sich der Pulverdampf verzogen, wittern notorische Gesellschaftsklempner schon wieder Morgenluft: Schluss mit den Gefahren, die von in Privathand befindlichen Waffen ausgehen! Keine Waffen – keine Gewalt. So einfach ist das.
Gegenwärtig muss das abscheuliche Verbrechen eines Mannes in Denver/Colorado in den USA, dem mindesten zwölf Menschenleben zum Opfer gefallen sind, als Anlass für den Kampf gegen den Privatwaffenbesitz herhalten. Eine gründliche Analyse der Hintergründe und Motive, die zu dieser Gewalttat geführt haben, ist nicht nötig. „Die Politik“ ist – wieder einmal – gefordert.
Die Person des Täters interessiert die Berufsempörten nicht (zumindest nicht, so lange ihm keine Verbindungen zu „rechtsradikalen Kreisen“ nachzuweisen sind). Die Schuld an der Untat trägt nicht der Täter, sondern ein „laxes Waffengesetz“, das es jedem Irren ermöglicht, sich gefährliche Tatmittel zu besorgen. Wird der legale Zugang zu diesen Tatmitteln versperrt, werden derartige Massaker nicht mehr stattfinden.
So einfach funktioniert die Welt allerdings nur in den Redaktionsstuben der Massenmedien. In denen zählt nur die geheuchelte Empörung über die Untat – schließlich verdient man ja gutes Geld damit, seine moralische Entrüstung zu vermarkten – nicht aber eine nüchterne Befassung mit den Tatsachen. Und die sind nicht dazu angetan, die nach jedem derartigen Vorfall stereotyp ertönenden Forderungen nach einem Waffenverbot für Private zu unterstützen. Einige Punkte, die in der aktuellen Debatte wieder völlig vernachlässigt werden:
- Der Täter, nicht das Tatmittel begeht das Verbrechen.
Es ist völlig unplausibel, anzunehmen, dass eine Straftat – welche auch immer es sei – allein deshalb unterbleibt, nur weil der Beschaffung eines dafür notwenigen Werkzeuges administrative Hürden entgegengesetzt werden. Ein zu einem Kapitalverbrechen entschlossener Täter wird seine Absicht deshalb nicht fallenlassen. Es sei daran erinnert, dass organisierte Kriminelle und politisch-religiöse Überzeugungstäter sich in 100 Prozent der Fälle von einer gesetzlichen Regelung nicht beeindrucken lassen. Dasselbe gilt für Menschen, die aus beliebigen anderen Gründen den Plan gefasst haben, einen Massenmord zu begehen. - Gefährlich ist immer der Mensch, niemals ein Werkzeug.
Sprengstoff in der Hand des kundigen Fachmanns ist ein wertvolles Hilfsmittel im Bergbau und im Bauwesen. Erst die Hand eines Terroristen macht ihn zur Gefahr. Offensichtlich gehen Gefahren für Menschen von anderen Menschen aus, nicht aber von unbelebten Gegenständen oder Materialien. Es ist daher absurd anzunehmen, durch einen Kampf gegen Gegenstände Gefahren von Menschen abwenden zu können. - Art und Qualität eines Tatmittels ist für das Opfer irrelevant.
Immer wieder wird die „besondere Gefährlichkeit“ von Schusswaffen betont und auf deren Bestimmung als „Mordwerkzeug“ verwiesen. Beide Fragen sind für Verbrechensopfer aber unerheblich. Der Erstochene, Erschlagene oder Erwürgte ist nicht weniger tot als der durch eine Schusswaffe zu Tode Gekommene. Für das Opfer zählt am Ende nur der „Erfolg“ – und der hängt allein von der kriminellen Energie des Täters ab. - Potentiellen Tätern stehen jede Menge Alternativen zu legal beschafften Schusswaffen zur Verfügung.
Der Gedanke, der Gewaltkriminalität wäre durch rigide Waffengesetze Einhalt zu gebieten, ist weltfremd und steht im Widerspruch zu den empirischen Erfahrungen. Zum einen wird die weit überwiegende Zahl der Gewaltverbrechen nicht mit Schusswaffen, sondern mit im Alltag gebräuchlichen Gegenständen verübt – vorzugsweise mit Messern. Zum anderen: So, wie es keine besonderen Schwierigkeiten verursacht, sich illegal Drogen zu besorgen, verhält es sich auch mit Schusswaffen. Viele Millionen von im Zuge des Zerfalls des Ostblocks auf den Schwarzmarkt gelangten Infanteriewaffen sind relativ leicht verfügbar. Für Geld ist schließlich alles zu haben – Drogen- und Waffengesetze hin oder her. - Totale Sicherheit ist auch um den Preis totaler Unfreiheit nicht zu haben.
Wer behauptet, mittels entsprechender Gesetze eine Welt ohne Risiken schaffen zu können, ist ein Narr oder ein Politscharlatan. Selbst der totalitärste Staat kann nicht jene Sicherheit garantieren, die er zu schaffen verspricht. Die Sinnlosigkeit restriktiver Waffengesetze wurde – für die USA – bereits mit einer Fülle empirischen Materials bewiesen: http://en.wikipedia.org/wiki/More_Guns,_Less_Crime.
Für Europa gilt: Im Staat mit dem vergleichsweise liberalsten Waffenrecht (in der Schweiz) liegt die Zahl von mit Schusswaffen verübten Gewalttaten weit unter jener in Großbritannien, wo seit einem Schulmassaker im schottischen Dunblane im Jahr 1996, ein nahezu vollständiges Waffenverbot für Private gilt. Die von den Protagonisten eines Waffenverbots behauptete Korrelation zwischen restriktivem Waffenrecht und geringer Gewaltkriminalität existiert einfach nicht. Eher scheint eine umgekehrte Kausalität gegeben zu sein: Mehr Waffen, weniger Verbrechen. - Bestrafung von Unbeteiligten für die Untaten von Verbrechern?
Die Zahl der in Privathand befindlichen Schusswaffen geht – allein in Österreich – vermutlich in die Millionen. Nach Abschluss der bis 2014 abzuschließenden Registrierungsaktion wird man es genau wissen. Hunderttausende über Waffen verfügende Bürger verhalten sich ihr Lebtag lang unauffällig, gesetzeskonform und friedfertig. Sie sind Jäger, Sportschützen, Waffensammler oder sie haben Waffen geerbt.
Mit welchem Recht will man das Eigentum dieser Menschen antasten? Indem man sie unter den Generalverdacht stellt, dass sie mit ihrem rechtmäßigen Eigentum Missbrauch begehen könnten? Was für ein Irrsinn! Denn Berufskriminellen, die nicht dazu neigen, ihr Waffenarsenal der Behörde zu offenbaren, drohen derartige Übergriffe nicht. Die Enteignungsaktivisten interessieren sich nämlich nur für den Besitz anständiger Bürger – nicht aber für die Tatmittel von Gangstern. Weil sie an die niemals herankommen werden, konzentrieren sie sich lieber darauf, rechtschaffene Bürger zu schädigen, deren „Verbrechen“ es ist, Gegenstände zu besitzen, die in der Hand von Gaunern zur Gefahr werden können.
Etwas mehr Redlichkeit bei der Diskussion von Fragen des Waffenrechts wäre wünschenswert. Besonders aber die Unterlassung von Schnellschüssen des Gesetzgebers, die in jedem Fall kontraproduktive Wirkung entfalten…
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.