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Die roten Meinungsmacher (37): Back To The Roots: Der neue schwache Mann im ORF

Bereits kurz vor der Nationalratswahl sind im ORF die Weichen neu gestellt worden. Am 17. August wird Alexander Wrabetz vom Stiftungsrat zum ORF-Generaldirektor gewählt. Wrabetz hatte seinerzeit den Vorzugsstimmenwahlkampf von Josef Cap organsiert und war der Bundesvorsitzende des Verbandes Sozialistischer Studenten Österreichs.

Seine Vorgängerin Monika Lindner hatte sich ebenfalls der Wahl gestellt, sie hatte aber keine Chance. Die Wahl des ORF-Generaldirektors war eine Art Vorbote für die Niederlage der ÖVP bei der Nationalratswahl wenige Wochen später. Die Wahl von Wrabetz und Lindners Abwahl wurden durch die Stimmen der rot-grün-blau-orangen „Eritrea-Koalition“[i], wie sie ÖVP-Generalsekretär Lopatka nannte, möglich.

Dieses ungewöhnliche Stimmverhalten im ORF-Stiftungsrat – FPÖ und BZÖ votieren gemeinsam mit SPÖ und Grünen für einen roten Generaldirektor – hat verschiedene Gründe. „Lindner und Mück schafften es zwischendurch, FPÖ und BZÖ gleichermaßen zu vergrämen.“[ii]

So wollte der ORF die FPÖ, die nach der Spaltung des dritten Lagers nicht mehr in der Regierung vertreten war, bei den „Sommergesprächen“ nicht mehr berücksichtigen. Erst ein Spruch des Bundeskommunikationssenats zwingt den ORF zum Umdenken.[iii] Auch zwischen den Regierungspartnern ÖVP und BZÖ gibt es ständig Konflikte. BZÖ-Parteichef Peter Westenthaler will 2006 als Vizekanzler wahlkämpfen. Doch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel legt sich gegen diesen fliegenden Wechsel in der Regierung quer „Das erhöhte die orange Bereitschaft nicht gerade, für die schwarze ORF-Kandidatin zu stimmen.“[iv]

Das Desaster der Programmreform – Mitten im Achten

Die roten, grünen, blauen und orangen Stiftungsräte verbindet vor allem eines: Sie wollen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und der ungeliebten ÖVP eins auswischen. Der frischgebackene ORF-Chef muss sich bei seinen politisch höchst unterschiedlichen Unterstützern nach schlechter alter Tradition natürlich erkenntlich zeigen. Dementsprechend stellt Wrabetz sein neues Führungsteam zusammen. Mit Elmar Oberhauser als Infodirektor, Thomas Prantner als Onlinedirektor und Willy Mitsche als Hörfunkdirektor wird vor allem das BZÖ gut bedient.

Alexander Wrabetz hat sich für seine Amtszeit jedenfalls viel vorgenommen. Er kündigt wenig bescheiden die „größte Programmreform aller Zeiten“[v] an und verspricht dem heimischen TV-Publikum „das beste Fernsehprogramm, das es in Österreich je gegeben hat.“[vi]

Wrabetz erklärt die Sitcom „Mitten im 8en“, die um 19:20 auf ORF 1 läuft zum Kernstück seiner größten Reform aller Zeiten. Die Eigenproduktion soll wieder vermehrt junge Zuseher an den öffentlich-rechtlichen Sender binden. Der ORF bewirbt die Serie im Internet:

„Die österreichische Großproduktion versammelt eine bunt gemischte Truppe aus 13 Charakteren, deren Freuden und Leiden im achten Wiener Gemeindebezirk für kollektive Lachkrämpfe in den heimischen Wohnzimmern sorgen werden.“[vii]

Die groß angekündigte Großproduktion löst in den heimischen Wohnzimmern aber kaum Lachkrämpfe, dafür umso mehr Umschaltimpulse aus. Die Serie wird zu einem riesigen Flop. Die Quoten stürzen bereits nach der ersten Folge ins Bodenlose. Mit verschiedenen verzweifelten Maßnahmen versucht man die Serie noch zu retten, doch nach 56 ausgestrahlten Folgen wird schließlich die Notbremse gezogen und die ebenso teure wie erfolglose Serie eingestellt.

Wrabetz kommt – die Zuseher gehen

„Mitten im 8en ist aber nicht die einzige Baustelle im ORF“[viii], ätzt das Nachrichtenmagazin Profil. Auch viele andere Programminnovationen im Rahmen der größten Reform aller Zeiten fallen bei den Zusehern durch. „Im Vergleich zur viel kritisierten Ära Monika Lindner hat der neue ORF im April zehn Prozent Marktanteile verloren.“[ix]

In dieser Tonart geht es weiter. Unter Wrabetz gehen die Marktanteile und Reichweiten des ORF-Fernsehens kontinuierlich zurück.

[x]

Trotzdem gelingt Wrabetz das Kunststück, das zuvor nur Gerd Bacher geglückt ist, er wird am 9. August 2011 als ORF-Generaldirektor wiederbestellt.

Die SPÖ stellt 2011 mit Werner Faymann nicht nur den Bundeskanzler, sondern dominiert auch mit 15 roten Räten den ORF-Stiftungsrat. Wrabetz, dessen einziger Gegenkandidat der FPÖ-nahe Balkan Korrespondent Christian Wehrschütz ist, wird ohne Gegenstimme, bei sechs Stimmenthaltungen, wiedergewählt.

Vor seiner Wiederwahl soll Wrabetz „persönlich mit den Parteien verhandelt haben“[xi], zudem soll es „Absprachen um Landesdirektoren sowie Posten auf der zweiten und dritten Managementebene gegeben haben.“[xii] Dies dürfte auch der Grund sein, warum die schwarzen Stiftungsräte für Wrabetz gestimmt haben.

Trotz dieser Zugeständnisse an die ÖVP ist und bleibt Wrabetz ein Mann der SPÖ, wie der Fall Niko Pelinka eindrücklich unter Beweis stellt.

Die „Roten Meinungsmacher“ erscheint – wie am 6. November erläutert – im wöchentlichen Abstand als Serie im Gastkommentarbereich des Tagebuchs.
Werner Reichel hat Ethnologie und Kommunikationswissenschaften studiert und ist seit vielen Jahren im Privatrundfunkbereich tätig und lehrt an einer Wiener Fachhochschule Radiojournalismus.
Die roten Meinungsmacher – SPÖ Rundfunkpolitik von 1945 bis heute“ ist im Handel erhältlich:
http://www.amazon.de/roten-Meinungsmacher-SP%C3%96-Rundfunkpolitik-1945-heute/dp/3868880461/ref=sr_1_sc_1?ie=UTF8&qid=1338905588&sr=8-1-spell
Nähere Infos zum Buch und zum Autor:
www.wernerreichel.at

Endnoten

[i] Siehe Payrleitner. 2007. Seite 545.

[ii] Fidler.2008. Seite 365.

[iii] Siehe Fidler. Seite 365.

[iv] Fidler. 2008. Seite 365.

[v] ORF Presseaussendung (OTS). 22.2.2007.

[vi] Fidler. 2008. Seite 276.

[vii] http://tv.orf.at/groups/serie/pool/hinter_den_kulissen/story (24.1.2012).

[viii] http://www.profil.at/articles/0718/560/172357/orf-mitten-chaos (24.1.2012).

[ix] Ebenda.

[x] derstandard.at (2.2.2012).

[xi] http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/kultur/orf/2804678/orf-generaldirektor-wrabetz-stellt-sich-wiederwahl.story (24.1.2012).

[xii] Ebenda.

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