Verdienen Österreichs ATX-Vorstände wirklich das 48fache ihrer Angestellten, wie die Arbeiterkammer suggeriert und alle Medien brav abschreiben? Oder doch nur das 11fache?
Regelmäßig lässt Österreichs oberster Arbeiterkämmerer Werner Muhm einen Bericht herausgeben, der die Einkommen der obersten drei Dutzend ATX-Vorstände herauspickt und ins Verhältnis zu Millionen Normaleinkommen stellt. Er soll die Verkommenheit des Kapitalismus herausstellen. Warum stellt die Wirtschafskammer nicht ein paar Dutzend Schwarzarbeiter ins Verhältnis zu Millionen Steuerzahlern, um die Verkommenheit des Wohlfahrtsstaates anzuprangern? Warum vergleicht niemand die Gagen unserer Fußball-Trainer mit denen von Millionen kickenden Österreichern? – Weil es manipulativ und unfair ist.
AK-Studie 2008: Trotz Börsenkrise erneut Rekordgagen für ATX-Manager? – ATX-Manager verdienen im vergangenen Jahr 1,300.426 Euro pro Kopf (+14 Prozent), während die Personalkosten auf 27.349 Euro brutto pro Beschäftigten (- 5 Prozent) gesenkt wurden. ?(Arbeiterkammer.at, 23.5.2008)
Bei der Errechnung ihrer Zahlen kann die Arbeiterkammer seit Jahren darauf vertrauen, dass sie niemand nachrechnet oder gar unangenehme Fragen stellt. Der Autor tat es dennoch und kam zu erstaunlichen Ergebnissen: Die Zahlen sind (wohlwollend formuliert:) „grob manipulativ (und) konstruiert“. Personalkosten von 27.349 Euro bedeuten einen Monatslohn von nur 1.953 Euro brutto im Monat − in einem Konzern? Wer schon einmal eine Konzernbilanz gelesen hat, der weiß, dass dieser Wert um mindestens 50 Prozent höher liegen müsste.
Zu ähnlichen Zahlen kommt auch die Statistik der „Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung“, kurz ÖGPP[1]. So hätten die Vorstände etwa des „Raiffeisen International“-Konzernes 2007 im Schnitt eine Million Euro brutto verdient. Den eigenen Mitarbeitern habe man gemäß Bilanz jedoch nur 14.795 Euro brutto zugestanden[2]. Damit habe „der“ „Raiffeisen International“-Manager das 68fache eines Angestellten verdient. Unglaublich – Zu Recht.
Raiffeisen-Top-Manager mit 924 Euro Brutto im Monat?
Denn von den 58.365 International-Giebelkreuzlern arbeiteten 2007 gerade einmal 256 (!) Personen in unserem Land! Und das waren ein paar Spitzenleute in der Wiener Konzernzentrale, die den Megakonzern steuern. Die restlichen 58.100 beziehen ihre Löhne in Osteuropa.[3] Weil sie dort auch leben. Das durchschnittliche Einkommen des „Raiffeisen International“-Mitarbeiters hat man bei der ÖGPP 2008 mit 15.730 Euro brutto jährlich berechnet. Bei 16 Gehältern im Jahr wären das für einen Top-Mitarbeiter in der Konzernzentrale gerade einmal 924,69 Euro brutto im Monat!
Glauben Österreichs Journalisten denn wirklich, der oberste „Risk-Manager“ eines internationalen Bankkonzerns würde sich mit 924,69 Euro brutto im Monat abspeisen lassen? Mit einem Stundenlohn von 5,40 Euro?
Eine andere Studie der AK kommt schon bei einem durchschnittlichen Filialangestellten auf ein Monatsgehalt von etwa 2.200 netto[4]. Macht bei 16 Gehältern also gut und gerne 60.000 Euro jährlich. Und weil wir die Zahlen mit denen einer Konzernzentrale vergleichen wollen, rechnen Sie getrost noch einmal 50 Prozent dazu, macht also 90.000 Euro. DAS ist das realistische Jahresgehalt eines österreichischen (!) Bankers in der Konzernzentrale von „Raiffeisen International“. Als Untergrenze. Der Vorstand kriegt 990.000. Macht also ein Verhältnis von 1:11 – und nicht eines von 1:48 – oder gar 1:68!
AK-Behauptung: „ATX-Manager kürzten die Löhne eigener Mitarbeiter“
Raffgierige Manager steckten sich die Taschen immer voller, während man den eigenen Leuten die Gagen kürze, suggeriert die AK-„Propaganda“. Alleine 2007 „zahlte man den eigenen Mitarbeitern um fünf Prozent weniger“. Wer glaubt denn so einen Unsinn?“ Noch nie seit 1955 wurden in Österreichs Wirtschaft „großflächig“ Löhne gekürzt.
Die Wahrheit: Mit ihrer erfolgreichen Expansion nach Osteuropa konnten Österreichs Firmen den Standort in der Heimat sichern. 2007 beschäftigte man bereits 523.000 Mitarbeiter im Ausland, davon ca. 200.000 in Osteuropa. Weil im Zuge der Finanzkrise 2007 und 2008 die Ostwährungen gegenüber dem harten Euro aber um bis zu 50 Prozent gefallen waren (die ukrainische Hryvna 2008 um -46%!), waren die Löhne osteuropäischer Arbeiter bei der Umrechnung auf dem Papier in Euro nun weniger wert. Je höher der Anteil osteuropäischer Angestellter einer Firma war, desto geringer war folgerichtig die gesamte Lohnsumme in Euro wert. Gleichzeitig stieg damit die Kluft zu den Vorstandsbezügen, die ihr Gehalt in Euro bezogen.
Österreichs Firmen hatten die Löhne nicht gekürzt, auch nicht in Osteuropa. Ganz im Gegenteil: Alleine Raiffeisen International hatte 2007 um elf Prozent mehr Leute in Zentraleuropa aufgenommen und hatte ihnen 27 Prozent in regionaler Währung mehr bezahlt[5]! – Nur in Euro umgerechnet war es halt weniger wert.
Wenn man das Verhältnis der Top-Manager zu ihren Angestellten vergleichen wollte, müsste man die Löhne osteuropäischer Angestellter mit den viel kleineren Bezügen ihrer osteuropäischen Manager vergleichen. Das Ergebnis läge irgendwo bei 1:11. Soll aber die Spreizung österreichischer Löhne verfolgt werden, haben osteuropäische Gehälter dort nichts verloren. Die Gehälter österreichischer Top-Manager dürfen nur ins Verhältnis zu den Gehältern ihrer österreichischen Angestellten gesetzt werden. Dabei kommt man auf Werte von etwa 1:11. Da hilft es auch nichts, wenn die AK im (eher klein gehaltenen) Fließtext auf die Osteuropäer in den untersuchten Firmen hinweist.
AK 2012: ATX-Manager verdienen das 48fache „von Österreichern“?
Via ORF ließ Werner Muhm die Österreicher (wie erwartet) wissen, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander gehe. Und dass Österreichs Vorstände im Jahr 2008 das 48fache „ihrer österreichischen Mitarbeiter“ verdient hätten. Der ORF hatte die vermeintliche Skandal-Meldung (wie erwartet) ohne Prüfung auf den Wahrheitsgehalt über alle zur Verfügung stehenden Kanäle verbreitet[6].
Wer genau liest, der hat es bemerkt: AK-Direktor Muhm verglich die Manager-Gagen plötzlich nicht mehr mit denen von Konzernangestellten, sondern mit einem nebulosen „österreichischen Durchschnittsgehalt“. Auf Anfrage ließ die Arbeiterkammer 2012 wissen, dass man die Berechnungsbasis geändert habe und die Managergehälter nun mit dem Durchschnittsgehalt von 27.437 Euro vergleiche. Diese stammten also vom (SPÖ-nahen) Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo, welches sich wiederum bei der Statistik Austria bedient hatte, die von einem SPÖ-Mann geleitet wird.
Damit kommt die AK auch 2011 wieder auf ein Verhältnis von 1:48 – „Uff!“
Konzern |
Angestellter (brutto)[7] |
Vorstandsbezug[8] |
Verhältnis |
AUA |
€ 48.542 |
€ 465.333 |
1:10 |
BWIN |
€ 53.409 |
€ 550.000 |
1:10 |
Raiffeisen Int. |
€ 90.000 |
€ 990.000 |
1:11 |
Telekom Austria |
€ 64.998 |
€ 860.000 |
1:13 |
Generali |
€ 52.274 |
€ 458.000 |
1:9 |
Verbund |
€ 91.297 |
€ 831.000 |
1:9 |
AK |
€ 27.349 |
€ 1.300.000 |
1:48 |
Lesen ORF-Journalisten keine Bilanzen? Wahrscheinlich gibt es keinen einzigen österreichischen Konzern, dessen österreichische Mitarbeiter nur 27.437 Euro brutto jährlich verdienen. So bekommt man bei Schöller-Bleckmann oder der „Voest Alpine AG“ in Österreich heute etwa 45.000 Euro im Jahr, bei der Telekom Austria 66.000 – immerhin das Zweieinhalbfache des AK-Bezugswertes.
Bei der Generali AG verdienen Österreicher jährlich 55.000 – das Doppelte des AK-Wertes. Bei der AUA sind es heute etwa 48.000 Euro, bei Intercell sind es 56.000, beim Verbund sogar über 90.000 Euro − mehr als das Dreifache des Arbeiterkammer-Wertes. Beim Maschinenbauer Andritz waren es 42.000, bei Zumtobel ebenso – und selbst bei der Post verdiente man noch knapp 33.000 Euro.[9]
Die 27.437 Euro Jahresgehalt sehen eher nach dem Durchschnitt aller 3 Millionen heimischen Gehälter aus. Folglich wären da aber auch Hunderttausende (kleiner) Handwerkerlöhne wie die von Friseurinnen, Schuhmachern und Zimmermädchen eingeschlossen. Eine entsprechende Anfrage an die Arbeiterkammer blieb unbeantwortet.
Wer den Menschen suggeriert, eine abgehobene Manager-Kaste würde sich 48 Mal so viel ausbezahlen wie den eigenen Mitarbeitern, spricht nicht die Wahrheit. Aber er schürt die Wut und den Hass auf „das System“. Die Manager-Vergleiche der Arbeiterkammer machen deutlich, wie dringend Österreich den „Wirtschaftsjournalisten“ braucht – er soll ausschließlich auf wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten angeboten werden und auf dem BWL-Bachelor aufsetzen.
Und es zeigt schonungslos, wie schlecht Österreichs Mainstream durch seine Medien kontrolliert wird. Denn Österreich hat ein veritables Demokratieproblem.
Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. Soeben ist sein neues Werk erschienen: „Die Gemeinwohl-Falle". Das Buch ist die Antwort auf die globalisierungskritischen Thesen eines Christian Felber („Attac Österreich“), eines Jean Ziegles oder einer Arbeiterkammer.
Endnoten
[1] Wichtige Kennzahlen börsennotierter Unternehmen in Österreich 2006-2010 sowie 2002-2010, Hauenschild/Höferl, ÖGPP, 2011
[2] 2008 waren 20.763 Euro Personalaufwand pro Mitarbeiter angegeben. Bei 32 Prozent Lohnnebenkosten kommt man auf 15.730 Euro Jahresgehalt.
[3] Raiffeisen International, Geschäftsbericht 2008, „Human Ressources“, Entwicklung des Personalstandes
[4] „Wir sind keine Berater, wir sind Verkäufer - Probleme von Beschäftigten im Finanzdienstleistungsbereich Banken“, AK Salzburg, 2008
[5] www.ri.co.at, 6.1.2010
[6] (kaernten.orf.at, 29.2.2012)
[7]„Wichtige Kennzahlen börsennotierter Unternehmen in Österreich 2004-2008“, ÖGPP, Oktober 2009
[8] „Wichtige Kennzahlen börsennotierter Unternehmen in Österreich 2004-2008“, ÖGPP, Oktober 2009
[9] Wichtige Kennzahlen börsennotierter Unternehmen in Österreich 2006-2010 sowie 2002-2010, Hauenschild/Höferl, ÖGPP, 2011