Strom: Blackouts kommen auf uns zu

Bei der Energiewende in Europa droht einiges schief zu laufen. Insbesondere bei den Kosten ist mehr Realismus nötig: So darf es etwa keine ungehemmte Ökostrom-Förderung geben, denn irgendwann stößt die Belastbarkeit der Verbraucher an Grenzen. Die seit gut einem Jahr in Deutschland laufende Debatte über die Energiewende hat exemplarisch eine Reihe von Problembereichen aufgezeigt, für die eine wirkliche Lösung fehlt.

Das gilt etwa für den fehlenden Stromnetzausbau, aber auch einen suboptimalen Kraftwerkseinsatz, bei dem im Süden Deutschlands zu viel abgeschaltet worden ist, während der Norden von Windkraft-Strom überschwemmt wird. Der Netzausbau könnte den Nachbarn 57 Mrd. Euro kosten, mehr als die deutsche Griechenland-Hilfe. Das Stromnetz steht schon ziemlich unter Druck: Experten hoffen, dass es die nächsten zwei, drei Jahre zu keinen Stromausfällen kommt. Aber deren Wahrscheinlichkeit ist deutlich gestiegen.

Pro Jahr gibt es in Österreich 10.000 kleine und mittlere Stromausfälle. Im vergangenen Jahr musste der österreichische Übertragungsnetzbetreiber APG 2.500 Mal stabilisierend ins Netz eingreifen. 2009 war dies nur 1.900 Mal notwendig. Laut APG hat es heuer durch hohes Windaufkommen in Deutschland hierzulande bereits einige Beispiele kritischer Netzsituationen gegeben.

Das viertägige Blackout in Teilen der USA und Kanada im Sommer 2004 hat schätzungsweise wirtschaftliche Verluste in der Höhe von sechs Mrd. US-Dollar (4,7 Mrd. Euro) verursacht. Ein totaler Stromausfall in Deutschland würde pro Stunde 0,6 bis 1,3 Mrd. Euro kosten. Am teuersten wäre ein Stromausfall für die Finanz, Telekom- und Halbleiterindustrie. Den letzten großen Blackout in Europa gab es 2003, als das ganze Stromnetz in Italien für 18 Stunden zusammenbrach. Technische und menschliche Fehler sowie mangelhafte Instandhaltung sind die Hauptursachen von Blackouts. Sonnenstürme und Terroranschläge sowie Cyberattacken rücken aber immer mehr in den Fokus der Energieversorgungssicherheit.

Die österreichische Energiewirtschaft sieht auch eine steigende Gefahr von Blackouts. Derzeit liegt Österreich mit im Schnitt rund 30 Minuten an ungeplanten Stromausfällen pro Jahr noch an dritter Stelle in Europa. Durch den steigenden Stromverbrauch und die Energiewende würden die Stromnetze in Spitzenzeiten aber an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.

Es steht zu befürchten, dass es in Europa zur Bildung von teuren „Kapazitätsmärkten" für nicht laufende Gaskraftwerke in Warteposition kommt, deren Kosten die Stromverbraucher dennoch berappen müssten. Einen solchen Ausgleich von Marktmängeln benötigt Österreich gar nicht, dennoch könnte die Belastung hierzulande 50 bis 150 Mio. Euro ausmachen. Vor allem in Deutschland sind solche Kapazitätsmärkte schon länger in Diskussion, nachdem mit Erdgas befeuerte Kraftwerke derzeit relativ unrentabel sind, aber als Reserve-Kraftwerke für Ökostrom benötigt werden.

Es geht nicht an, Erneuerbare Energien ungehemmt zu fördern, denn dann wird die Stromerzeugung für andere Marktteilnehmer unattraktiver. Endlich wird auch auf EU-Ebene darüber diskutiert, dass man Elektrizität aus Renewables nicht um jeden Preis ins Netz einspeisen lassen kann, wenn kein Bedarf danach gegeben ist. In Deutschland sind die Ökostrom-Zuschläge mit 4,6 bis 5,3 Cent je kWh schon fast so hoch wie die eigentlichen Stromkosten von 5 bis 6 ct/kWh, in Österreich liegen sie bei einem Drittel. Schrittweise müssten die Erneuerbaren von der „Förder-Infusion" gelöst und in den Wettbewerb gebracht werden, also sich nach einer gewissen Phase einer Anschub-Investitionsförderung selbst finanzieren können.

Die deutsche Energiewende kostet Österreich schon jetzt 200 Mio. Euro im Jahr, da durch die AKW-Abschaltungen die auch für uns relevanten Strom-Großhandelspreise nach oben getrieben worden sind. Die bisherigen preisdämpfenden Effekte im deutschen Strom-Großhandel für Österreich fielen damit weg, die Strompreise werden auch bei uns in den nächsten Jahren kräftig steigen.

Wie soll das Energiesystem der Zukunft aussehen?

Die Politik muss sich entscheiden, ob sie den Sektor regulieren will, oder dem freien Wettbewerb überlassen möchte. Im Energiebereich gilt es zwei zentrale Fragen zu beantworten: Zum einen, ob Lösungen auf nationaler oder europäischer Ebene erfolgen sollen. Und zum anderen, ob es Regulierung oder Wettbewerb geben soll.

Die Antworten sind klar. Man müsste konsequent auf Wettbewerb setzen und Abstand von Regulierung nehmen. Die Spielregeln für den Wettbewerb müssten allerdings sehr wohl die Politik festlegen, besonders beim Ausgleich unerwünschter externer Effekte, etwa beim Thema Umwelt.

Im Kampf gegen den Klimawandel gilt es dennoch auf erneuerbare Energien zu setzen. Welche Technologie allerdings an welchem Standort zum Einsatz kommt, muss der Markt entscheiden. Nicht jeder Standort bietet dieselben Voraussetzungen. Windenergie in Schottland ist marktfähig, Photovoltaik in Deutschland dagegen nicht. Die Politik könnte eine Quote für erneuerbare Energien vorgeben, die Anbieter in ihrem Portfolio erfüllen müssen.

Die Entscheidung über die konkrete Technologie ist allerdings Sache der Unternehmen. Wie schwierig diese Entscheidung oft ist, zeigt sich bei den deutschen Offshore-Windparks. Versicherungen können sich beispielsweise bei derartigen Projekten nicht engagieren, denn die deutsche Finanzmarktaufsicht betrachtet derartige Engagements so, wie wenn man in Hedgefonds investieren würde.

Energiepolitik muss künftig auf europäischer Ebene erfolgen, über nationalstaatliche Grenzen hinweg. Bisher gibt es zwar einen gemeinsamen Binnenmarkt für den Großhandel. Die konkrete Energiepolitik ist aber von Land zu Land unterschiedlich. Es zeigen sich hier Ähnlichkeiten zur Euro-Krise: Eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Fiskalpolitik funktioniert nicht.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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