Als langjähriger Fahrgast der Wiener BIM (= Straßenbahn) und U-Bahnen merkt man erst, wie hervorragend und unkompliziert das Kundenservice in Wien ist, sobald man als Reisender mit den ÖBB zu tun hat.
Für die Wiener BIM gibt es für Senioren verbilligte Einzelfahrscheine und Jahreskarten. Ohne irgendeinen weiteren BIM-Ausweis. Soferne man das Alter nicht ohnedies in den Gesichtsfalten und den grauen Haaren weithin sichtbar zeigt, genügt ein Lichtbildausweis in dem das Geburtsdatum vermerkt ist.
Die Jahreskarte wird gegen den Altersnachweis erstmalig ausgestellt und kann jährlich ganz einfach verlängert werden: entweder mit Zahlschein oder gegen Bezahlung bei jedem Fahrkartenschalter der Wiener Linien. Das Ganze dauert keine drei Minuten!
Die endliche Geschichte beginnt
Ganz anderes erlebt der Fahrgast bei den Österreichischen Bundesbahnen!
Um für Senioren ermäßigte „Tickets“ kaufen und benützen zu können braucht der reiselustige Senior eine besondere „Seniorenvorteilscard“. Diese Karte gilt ein Jahr und kostet EUR 26,90. Bei einer Verlängerung dieser Seniorenvorteilscard will die innerhalb der EU pünktlichste Eisenbahn (Eigenwerbung!) anscheinend beweisen, dass Tempo nur für das fahrende Personal zu gelten hat…
Wie in einer Moebius-Schleife sieht sich der verlängerungswillige Senior im Hightechbetrieb ÖBB gefangen. Angefangen hat die unendliche Geschichte mit einer schriftlichen Warnung, dass es heuer bei der Verlängerung der Vorteilscard technische Probleme gibt.
Da die Senioren-Vorteilscard am 25.3.2012 abläuft, wird vorsorglich eine neue Card am 14.3.2012 am Wiener-Westbahnhof persönlich beantragt und bezahlt. Dafür erhält man eine „vorläufige Vorteilscard Senior“ in Form eines Papiertickets – gültig bis 26.6.2012.
Keine Nummer passt
Im Mai möchte der Senior ein ÖBB-Onlineticket zu kaufen. Aber, oh Schreck: Alle vorhandenen und irgendwo vermerkten Vorteilskartennummern werden nicht akzeptiert – der vorläufige Schein berechtigt nicht zum Online-Ticketkauf.
Zum Glück ist auf dem ÖBB-Bestellschein eine ServiceLine Tel.Nr. fett gedruckt.
Ein freundliches Tonband erklärt, dass diese Nummer nicht mehr existiert und eine andere Nummer gewählt werden muss.
Nach schier endlosen Tonbandansagen, zu denen sich der Senior den good old Bundesbahnblues von Helmut Qualtinger pfeift, meldet sich endlich ein realer ÖBB-Mensch mit Trost und einem Geheimnisverrat: Für „vorläufige Vorteilscard Inhaber“ gibt es eine besondere 16-stellige Nummer für Online-Ticketbestellungen!
Senior fragt sich, wieso diese „Geheimnummer“ nicht gleich auf die Vorläufige Vorteilscard gedruckt wird – aber er kann endlich sein Ticket online erwerben.
Nochmals von vorne
Die Freude wird jedoch bald getrübt durch einen Blick auf den Kalender: Drei Monate nach der Bestellung ist die Jahreskarte NOCH IMMER NICHT im Briefkasterl…
Nur keine Panik – die ÖBB hat auch für diesen Fall vorgesorgt: Auf dem Bestellformular wird der Kunde eingeladen, die Vorteilscard-Serviceline anzurufen oder mit dieser Durchschrift persönlich zu einer ÖBB-Verkaufsstelle zu kommen, falls 10 Tage vor Ablauf der „Vorläufigen Vorteilscard“ noch immer keine echte Vorteilscard angekommen ist.
Also nochmals die – inzwischen bekannte neue – Service-Callcenter Nummer der ÖBB angerufen.
Jetzt gibt’s auch eine freundliche Erklärung für diesen Dauerlauf: „Irgendetwas muss bei der Bearbeitung schief gelaufen sein“, was durch die Systemumstellung leider kein Einzelfall sei…
Am besten, das Formular an das Servicecenter faxen. Da kein Faxgerät im Seniorenhaushalt, besser gleich persönlich zur ÖBB-Verkaufsstelle. Dann wird die Sache umgehend bearbeitet…
Gesagt – getan: Wieder zum Westbahnhof und endlich hat der Senior sie in Händen! Nein, nicht die Senior-Vorteilscard – eine NEUE „Vorläufige Vorteilscard Senior“ in Form eines Papiertickets – drei Monate ab Ausstellung gültig…
Da möchte man doch wirklich alle Direktorinnen und Direktoren der Wiener Linien mit Küssen und Blumen beschenken, nur so aus Dank für einfaches und rasches Verlängern der Senioren-Jahreskarten in Wien.
In der BIM, im Kino, im Museum – aber nicht bei der ÖBB
Schlussendlich hat der noch im Besitz seines Verstandes denkende Senior zwei Fragen an die ÖBB:
- Wieso geht das bei den Wiener Linien so unkompliziert und ohne zusätzliche „Senioren-Vorteilscard“? Wieso bekommen Senioren auch in Museen und Kinos verbilligte Seniorenkarten – ohne besondere Museums- oder Kinoseniorenkarten?
Den Entgang der EUR 26,90/Karte können die ÖBB doch leicht durch den Wegfall weiterer „Systemumstellungen“ und den damit verbundenen Personaleinsparungen mehr als wettmachen – oder? - Wieso können in Ungarn alle Senioren – Ungarn und EU-Staatsbürger – alle öffentlichen Verkehrsmittel GRATIS benützen? Nur mit irgendeinem Lichtbildausweis mit Geburtsdatum…
Dr. Günter Frühwirth ist Jurist und begeisterter Bahnfahrer. Die gesellschaftspolitische Entwicklung Österreichs verfolgt er mit aktivem Interesse.
„Schönschreiben“ und „Schönreden“ sind für ihn kein Weg um Herausforderungen zu meistern.