Seit 1. Juni gilt die Meldepflicht nach dem Medientransparenzgesetz. Sind die Anzeigen dadurch weniger geworden? Keineswegs – vor allem die Gemeinde Wien inseriert wie noch nie!
Auch der Bundeskanzler hat größten Erklärungsbedarf, wird aber von der Wiener Staatsanwaltschaft durchaus schonend behandelt. So hat man es etwa nicht für nötig befunden, den ehemaligen Vorstand der ASFINAG zu befragen, obwohl dieser unter anderem deshalb gefeuert wurde, weil er sich nicht willfährig zeigte und Inserate der ASFINAG als schlichtweg unsinnig qualifizierte.
Der damalige Infrastrukturminister Faymann hat daraufhin einen pflegeleichten Vorstand seiner Wahl installiert, und damit den Steuerzahler doppelt geschröpft: zum einen mussten für den alten Vorstand Abfertigungen in Höhe von über zwei Millionen gezahlt werden, andererseits zeigt sich der neue ASFINAG-Vorstand sehr verständnisvoll gegenüber den ministeriellen Wünschen und inseriert durchaus sensationelle Botschaften, etwa, dass es in Österreich „Autobahnen mit Rastplätzen“ gibt (wer hätte das gedacht?). Damit zeigt die ASFINAG, die ohnehin einen gewaltigen Schuldenrucksack mit sich schleppt, bei Inseraten eine erstaunliche Geberlaune.
Schon im Mai 2011 hatte der „Kurier“ aufgedeckt, dass es seitens des Büros Faymann Inseratenaufträge an die „Kronen Zeitung“ gegeben hatte, mit dem Vermerk, die Rechnung an die ÖBB zu schicken. Immerhin, die ÖBB-Manager wurden zumindest von der Staatsanwaltschaft vernommen.
Geldflüsse aus dem Faymann-Büro
Faymann hatte dann im September 2011, als die Eingriffe des Ministeriums bei ÖBB und ASFINAG weiter thematisiert wurden, erklärt, dass durch ihn, beziehungsweise durch sein Ministerium, keine Aufträge gegeben wurden, und dass derartige Entscheidungen „dort fallen, wo sie getroffen werden müssen“, wie „Profil“ in seiner Ausgabe vom 26. September 2011 den Kanzler zitierte. In der gleichen Ausgabe zitiert „Profil“ allerdings auch einen Revisionsbericht der ASFINAG, in dem es heißt: „Die Leistung wurde nicht von der ASFINAG schriftlich in Auftrag gegeben. Der Auftrag wurde vom Büro Faymann an die ‚Kleine Zeitung‘ erteilt.“
Irgendjemand sagt hier offensichtlich nicht die Wahrheit – es ist bemerkenswert, dass diese Fakten die Staatsanwaltschaft nicht interessieren. Das erinnert fatal an unselige Zeiten einer SP-dominierten Staatsanwaltschaft des SP-Justizministers Christian Broda „die noch so dichte Verdachtsmomente negierte und durch fast schon staatsanwaltliche Ersatzhandlungen des „profil“ – durch Alfred Worm – zum Eingreifen förmlich gezwungen werden musste“ (wie das der unverdächtige Zeuge Peter Michael Lingens etwa schon 2002 im „profil“ feststellte).
Die ASFINAG-Causa ist also der Wiener Staatsanwaltschaft offensichtlich zu heiß. Um dem Verdacht der Untätigkeit oder Parteilichkeit zu entgegnen wurde ein Sachverständiger beauftragt, den Werbewert der ominösen Faymannschen ÖBB-Inserate zu überprüfen. Damit wird die Einstellung des Verfahrens vorbereitet, und der schwarze Peter dem Sachverständigen zugeschoben, der es sicherlich ohne große Mühe schaffen wird, einen gewissen Werbewert für die ÖBB herauszufiltern, wenn seitenweise ÖBB-Themen samt einschlägiger Fotos gezeigt werden.
Schon im September 2011 hatte der „Kurier“ unter dem Titel „Einfärbung: roter Anstrich für Justitia“ anhand von Dokumenten aufgedeckt, dass offensichtlich seit Jahren eine „planmäßige Besetzung von Schlüsselstellen der Staatsanwaltschaft durch Sozialdemokraten“ erfolgt. (Zeitgenossen, die sich noch an die Zeit eines Christian Broda, Otto F. Müller oder Karl-Heinz Demel erinnern können, haben angesichts dieser Entwicklung starke Déjà-vu Impressionen.)
Über 100 Millionen
Schätzungen zufolge haben diese Bestechungsinserate (man könnte auch vom „Anfüttern von Medien“ sprechen) bereits im Jahr 2009 rund 100 Millionen Euro betragen, in der Zwischenzeit wurden diese Aktivitäten stark ausgeweitet, sodass heute von einem Betrag weit jenseits der 100 Millionen Euro ausgegangen werden muss. Angesichts der Sparnöte der Regierung hätte es sich angeboten, mit einem einfachen Gesetz solche Gefälligkeitsinserate zu verbieten. Das wäre die logische, geradlinige Lösung in einem Land, das noch nicht die Banane im Wappen führt.
Die österreichischen Parteien sind den „österreichischen Weg“ gegangen, und haben im Dezember des Vorjahres ein „Medientransparenz-Gesetz“ beschlossen. In diesem werden derartige Inserate nicht verboten, sie werden nur – ab 1. Juni 2012 – meldepflichtig gemacht. Das heißt, über die getätigten Einschaltungen der entsprechenden Rechtsträger beziehungsweise der öffentlichen Unternehmungen hat eine periodische Meldung an die KommAustria zu erfolgen.
Das Gesetz enthält auch inhaltliche Anforderungen, etwa, dass diese Einschaltungen „ausschließlich der Deckung eines konkreten Informationsbedürfnisses der Allgemeinheit zu dienen“ haben, beziehungsweise umgekehrt Veröffentlichungen, „die keinen konkreten Bezug zur Deckung eines Informationsbedürfnisses aufweisen und ausschließlich oder teilweise der Vermarktung der Tätigkeit des Rechtsträgers dienen“ unzulässig sind. Ein juristisches Musterbeispiel für einen Gummiparagraphen, denn natürlich sind die gesammelten Banalitäten, die uns die ASFINAG, die ÖBB, Wiener Wasser, Wien Kanal, die Stadt Wien generell mitteilen, bar jedes Informationsbedürfnisses der Allgemeinheit, wie Medienexperten bereits feststellen.
Nicht im Gesetz enthalten ist das so genannte „Kopfverbot“, auf das sich die Politiker mittlerweile informell geeinigt haben; das heißt, die Inserate sollen nicht mehr Bilder von Politikern enthalten und dadurch nicht mehr als Schleichwerbung geeignet sein. Damit rückt das Motiv, sich durch Geldflüsse in Millionenhöhe diese Medien geneigt zu stimmen beziehungsweise überhaupt als Propagandainstrument am Leben zu erhalten, noch mehr in den Vordergrund.
Gesetz legalisiert Geldverschwendung
Nicht anders ist es zu erklären, dass diese Inserate nicht zurückgehen. Manche Ministerien und die ÖBB, vor allem auch die Gemeinde Wien, haben in letzter Zeit sogar noch einen Zahn zugelegt. Offensichtlich wollte man noch die Zeit der meldefreien Inserate (bis Ende Mai) nutzen, um dem Faymann-Freund Wolfgang Fellner, den SPÖ-Hintermännern der Gratiszeitschrift „Heute“, sowie anderen nahe stehenden Medien möglichst viele Steuereuros zukommen zu lassen.
Und es reißt auch nach dem 1. Juni 2012 das Inseratenunwesen nicht ab, hat doch diese korrupte Praxis durch dieses fatale Gesetz nunmehr eine pseudo-rechtsstaatliche Rechtfertigung erhalten: Politiker können ab sofort in unbeschränkter Höhe Steuergelder verplempern, wenn sie nur die formalen Auflagen des Gesetzes einhalten und brav regelmäßig die Geldflüsse melden.
Es ist bezeichnend, dass der Regierungspartner ÖVP diesem Geldverschwendungsgesetz zugestimmt hat – über das „Warum“ kann man nur rätseln. Weil auch einige ÖVP-Ministerien mit derartigen Praktiken versuchen, sich Medienwohlwollen zu erkaufen? Die Herren Fellner & Co. lachen sich ins Fäustchen, nehmen dankend das Steuerzahlergeld und fühlen sich nach wie vor eher Faymann und Häupl verpflichtet. Es ist ja kein Geheimnis, dass die ÖVP seit Jahrzehnten keine Medienpolitik hat und auf diesem Feld extrem glücklos agiert – von den Printmedien bis zum ORF. Und da ist es von der Naivität bis zur Dummheit nur ein kleiner Schritt.
Naive ÖVP?
Apropos Naivität: Selbstverständlich halten sich alle ÖVP-Politiker an das „Kopfverbot“. Diejenigen, die sich nicht daran halten, kommen immer aus der SPÖ: Etwa Unterrichtsministerin Schmied, die aus jedem ihrer zahlreichen Inserate – und sie ist eine der eifrigsten Inserentinnen – schamlos herausgrinst, und damit versucht, mangelnde Sacharbeit durch bunte Werbung zu ersetzen. Auch die Infrastrukturministerin Doris Bures lächelt regelmäßig aus den Inseraten, wie auch die rote Umweltstadträtin Ulli Sima. Und der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig denkt sich wohl, „wenn ich schon Steuergeld verschwende, dann soll auch mein Foto dabei sein“; eine kostengünstige Methode, seine Bekanntheitswerte für die Nachfolge Michael Häupls zu pflegen.
Überhaupt dürfte der erste Platz bei der Steuergeldverschwendung der Gemeinde Wien gehören, wo neben den Standard-Inserenten Wien Energie, Fernwärme, Wiener Linien, Wien Strom, Wien Gas auch noch zahlreiche weitere Bereiche des Wiener Magistrats (Wien Kanal , Frauennotruf, Wiener Wasser, „Blühendes Zuhause“, Stadtparkfest, Freizeitparadies Donauinsel, Parkpickerlausweitung, Wiener Geriatriekonzept, Wiener Stadtgärten, Wiener Bäder, „Rücksicht nehmen", „Die Stadt fürs Leben“, Schluss mit Schulschwänzen usw.) ungebremst Steuergeld verplempern.
Man kann gespannt sein, wie die Meldungen über die geschalteten Volumina ausfallen, und was die Konsequenzen sein werden. Höchstwahrscheinlich keine: Irgendwann wird nachträglich der Rechnungshof den Finger erheben, aber dann ist es meist zu spät, die Stimmen wurden – wie 2008 nachweisbar – bereits gekauft und das Geld ist verpulvert.
Die ÖVP wird dann wieder die unfaire massive Unterstützung der Boulevardmedien für die SPÖ beklagen. Sie hat in ihrer Naivität diesem schlechten Gesetz zugestimmt. Sie wird keinen Vorteil daraus haben, sondern Nachteile – wie auch der Steuerzahler. Die ÖVP hätte es in der Hand gehabt, ein Gesetz zu initiieren, das derartige Verschwendungsexzesse untersagt und damit einen Zustand herstellt, wie er in Nichtbananenrepubliken üblich ist. Das hätte mit Sicherheit die Zeitschrift „Österreich“ in allerschwerste finanzielle Turbulenzen gebracht und auch den SPÖ-Hintermännern von „Heute“ Probleme bereitet. Gut möglich, dass dann bestimmte Zeitungsmacher ihre Kredite nicht mehr bedienen könnten; vielleicht ist das ein Erklärungsgrund für die seltsame Haltung der ÖVP.
PS: Nachdem sich die Justiz an den Faymannschen Inseratenvergaben nicht die Finger verbrennen will soll die Causa immerhin im Untersuchungsausschuss zur Sprache kommen. Wann eigentlich? Mittlerweile hat das mediale Interesse an diesen Dingen schon merklich abgenommen, denn die Bürger sind ermüdet. In der (medialen) Wahrnehmung steht die ÖVP ohnehin als Korruptionspartei Nr.1 fest.
Die Millionencausa Faymann wird am Ende wohl nur eine Fußnote des dann längst der öffentlichen Aufmerksamkeit entschwundenen Untersuchungsausschusses sein.
Dr. Herbert Kaspar ist Herausgeber der ACADEMIA, der Zeitschrift des Österreichischen Cartellverbandes.