IWF-Chefin Christine Lagarde ist eine Frau mit bemerkenswertem Sinn für Humor. Ihr vor nicht allzu langer Zeit an die Adresse Berlins gerichteter Vorwurf, dass die Deutschen mit ihrer Tüchtigkeit und Haushaltsdisziplin Mitschuld an der europäischen Schuldenkrise trügen, war der Beweis schlechthin. In einem Interview mit dem britischen „Guardian“ übermittelt sie nun dem Lande der Phäaken am 25. 5. einige Botschaften, die zum Teil etwas weniger witzig sind.
Wenn sie etwa meint: „Wir sind nicht mehr bereit, Geld in ein Fass ohne Boden zu kippen", ist das eine recht ernst zu nehmende, für die Nettofinanciers des schaurigen Griechenland- und Eurorettungsdramas sogar erfreuliche Botschaft. Auch, dass sie jedem Gedanken daran, dem Lande erteilte Sparauflagen zu lockern eine klare Absage erteilt, ist für die Steuerzahler in ordentlich haushaltenden Volkswirtschaften keine spaßige, sondern einfach eine gute Nachricht.
Sofort allerdings gleitet sie erneut ins scherzhafte ab, wenn sie den vermeintlichen Königsweg zur Beendigung der griechischen Tragödie präsentiert: Ihrer Meinung nach könnten die Griechen sich nämlich selber helfen, „… indem sie alle ihre Steuern bezahlen". Endlich ist die Katze aus dem Sack: Die Griechen – und vermutlich auch alle anderen Europäer, denn schließlich steht kein Staat der Eurozone ohne Schulden da – zahlen zu wenig Steuern! Steuern rauf, Steuervogt Marsch – und alles wird gut. Schade, dass darauf nicht schon früher eine(r) gekommen ist. Den schwer geprüften Bürgern des europäischen „Hartwährungsblocks“ wäre einiges erspart geblieben. Dutzende Milliarden Euro wären nicht nutzlos verbrannt worden!
Frau Lagarde ist indes nicht der einzige Spaßvogel aus den Reihen der Machtelite, denn sie steht mit ihren Kommentaren zur Lage keineswegs alleine da. Immer wieder lässt der eine oder andere Obertan mit dem originellen Bekenntnis aufhorchen „Ich zahle gerne Steuern!“. Dass exakt 100 von 100 dieser Personen von Steuergeldern leben (und daher keinen einzigen Cent an Steuern zahlen!), ist ein Beweis für die in den diversen Politbüros endemische Spaßhaftigkeit, die unter Normalsterblichen in dieser Form nicht zu finden ist.
Kürzlich etwa brach die österreichische Finanzministerin Maria Fekter für die Steuerehrlichkeit eine Lanze, weil der Staat das Geld ja ausschließlich in segensreicher und dem Nutzen des Volkes dienender Weise einsetze – etwa für „den Straßenbau und die Schulen“. Es erstaunt immer wieder, für wie verblödet die politische Klasse das Wahlvolk hält, wenn sie mit derart aufgelegten Schmähs hausieren geht. Denn dass nur der geringste Teil des Staatshaushalts auf Investitionen entfällt, der Löwenanteil aber für Umverteilung – also Konsumaufwand, Beamtenapanagen oder Schuldzinsen draufgeht – wird großzügig ausgeblendet.
Dan Mitchell vom US Cato-Institut bringt es auf den Punkt: „Steuern sind schlecht!“ Steuern bedeuten, dass dem produktiven Privatsektor Mittel entzogen werden, um sie an ebenso unproduktive wie korrupte Politiker und Bürokraten umzuverteilen. Wie kann erwartet werden, dass Geld, das Bürgern weggenommen wird, die dafür schwer arbeiten und deshalb um seinen Wert wissen, besser eingesetzt werden könnte, wenn es von an der Wertschöpfung unbeteiligten Akteuren ungestraft für alle möglichen Extravaganzen verbraten werden darf?
Gerade Griechenland ist ein in dieser Hinsicht besonders lehrreiches Beispiel: Würden die Griechen, wie die IWF-Chefin fordert „ihre Steuern zahlen“ – was wäre gewonnen? Die Regierung würde ihren Apparat noch weiter aufblähen und möglicherweise noch ein paar Hundert (amerikanische) Panzer kaufen. Denn dass eine Regierung – gleich ob auf dem Balkan oder anderswo – Geld vernünftiger eingesetzt hätte, als die Bürger, die es erwirtschaften mussten und denen es gewaltsam abgepresst wurde, war niemals und nirgendwo je der Fall.
Was also sollen die aktuellen Einlassungen der IWF-Chefin? Griechenland leidet an strukturellen Problemen, etwa an mangelnder Industrialisierung, flächendeckender Korruption, geographischer Randständigkeit, einem zu hohen Lohn- und Preisniveau und damit an beklagenswert niedriger Wettbewerbsfähigkeit. Kein einziges dieser Probleme ist durch höhere Steuern zu lösen – eher im Gegenteil: Die extreme Korruption zum Beispiel ist ja gerade dadurch bedingt, dass der Staat offensichtlich über zu viel Geld verfügt, um Riesenhorden begehrlicher Beamter zu beschäftigen. Den wenigen wettbewerbsfähigen Betrieben und fleißigen Werktätigen im Lande höhere Lasten aufzuerlegen, um den politischen Parteien des Landes zusätzliche Möglichkeiten zum Stimmenkauf zu eröffnen, wird keine Heilung bringen.
Faktum ist, dass auf europäischer Ebene Verträge existieren, die einzuhalten sind. Von – à fonds perdu – zu tätigenden Transfers an Griechenland ist darin mit keinem Wort die Rede. Frau Lagarde sollte ihr Augenmerk daher eher auf jene Vertragstreue richten, die für den Umgang zivilisierter Völker miteinander unabdingbar ist und weniger auf offensichtlich törichte Fiskalphantasien.
Die Bürger Griechenlands sind für die Sanierung der von ihnen und ihren Regierungen verschuldeten Fehler und Versäumnisse selbst verantwortlich. Wenn sie sich, wie zu erwarten ist, das Heil von einer radikal linken Regierung versprechen – nur zu! Ob diese dann mehr oder weniger Steuern erhebt – wen geht´s was an? Die deutschen und andere Nettozahler der EU nicht, denn die haben längst mehr als genug geblutet. Zeit umzudenken! Man lasse Griechenland endlich untergehen! Besser heute als morgen.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.