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Stabile Säulen für sichere Pensionen – Stärkung der privaten, kapitalgedeckten Pensionsvorsorge

Das Pensionssystem ist in Österreich zu rund 90 Prozent umlagefinanziert (staatliche „1. Säule“) und unterliegt de facto dem Leistungsprimat* („defined benefit“; Höhe der Leistungen ist definiert). Mit dem vollständigen Übergang auf das Allgemeine Pensionsgesetz (APG) oberhalb der Mindestpension wird das Prinzip der Versicherungsäquivalenz jedoch zunehmen. Pensionsleistungen aus den kapitalgedeckten Systemen (private „2. und 3. Säule“) von rund 10 Prozent unterliegen prinzipiell dem Beitragsprimat* („defined contribution“; Höhe der Beiträge ist definiert), wenngleich auch Zusagen im kapitalgedeckten System (alle direkten Leistungszusagen und etliche Pensionskassenzusagen) leistungsbezogen sein können (was allerdings Nachschusspflichten impliziert).

Gemäß langfristiger Projektion wird der Pensionsaufwand von 14,1 Prozent des BIP (2010) auf 16,7 Prozent (2030), die Pensionsbeiträge der Beschäftigten im selben Zeitraum hingegen nur von 8,4 Prozent auf 8,5 Prozent des BIP steigen. Dieser Anstieg des Bundesbeitrags (d.h. zusätzliche Budgetbelastung) um weitere 2,5 Prozent des BIP p.a. erhöht den Druck in Richtung weiterer und auch nachhaltiger Pensionsreformen.

Die EU weist in ihrem jüngsten „Weißbuch“ (Feb. 2012) auf die Notwendigkeit hin, dass deutlich mehr zusätzliches individuelles Ansparen notwendig sein wird, um den Erhalt des Lebensstandards in der Pension abzusichern.

Sie fordert eine regelmäßige und übersichtliche Information für jeden Anspruchsberechtigten ein, die Auskunft über die zu erwartende Höhe der Pension aus der 1. und 2. Säule gibt. Damit soll der Bedarf nach zusätzlicher Vorsorge wesentlich transparenter werden. Die Qualität der privaten Pensionsvorsorgeprodukte der 3. Säule soll verbessert werden, insbesondere durch regelmäßige übersichtliche Information für jeden Anspruchsberechtigten hinsichtlich Transparenz, Rentabilität, Kostensynergien und Sicherheit bei Kapitalmarktschwankungen.

Gefährden Finanzkrisen die private Pensionsvorsorge?

Die Finanzkrise hat das Vertrauen auch in die kapitalmarktbasierte Pensionsvorsorge erschüttert: Die Sinnhaftigkeit der Ausdehnung privater Altersvorsorge wurde in dem Ausmaß in Zweifel gezogen, in dem vergessen wurde, dass die Altersvorsorge eine Frage der langen Frist ist. In den meisten OECD-Ländern lag (in lokaler Währung) das in Pensionsfonds gemanagte Vermögen über den Beständen von 2007.

In umfangreichen Simulationen hat die OECD das Ausmaß der Risiken und Unsicherheiten von Anlagerenditen im Kontext der Altersvorsorge, d.h. über die Lebenszeit der Beitragszahler betrachtend, untersucht. Demnach liegen die zu erzielenden realen Renditen selbst bei konservativen Strategien (deutlich) höher als die in Zukunft zu erwartenden Pensionssteigerungen auf Basis der Berechnungen der Pensionskommission.

Neben dem Erhalt der Kaufkraft würde selbst die volle Einbeziehung von Lohnzuwachsraten – langfristig betrachtet – die Kapitalmarktrenditen nicht erreichen.

Verteilung der simulierten jahresdurchschnittlichen Anlagerenditen

Für ein „ausgewogenes“ Portefeuille unter Berücksichtigung von Verwaltungsgebühren, Kosten der Umwandlung des akkumulierten Kapitals in regelmäßige Rentenzahlungen usw. ermittelte die OECD folgendes Ergebnis:

Verteilung der simulierten künftigen Anlagerenditen und Ersatzquoten

Die in den Simulationen erhaltene Medianrendite von 5,0 Prozent liegt unter dem empirisch ermittelten Durchschnittswert der letzten 25 Jahre von 7,3 Prozent.

Ertrag und Risiko der staatlichen und privaten Vorsorgesäule – die Pensionsvorsorge als Portefeuilleproblem

Die Finanzkrise hat den Fokus in der Pensionsvorsorge auf das (kurzfristige) Veranlagungsrisiko gelegt, das (langfristige) politische Risiko in Form von Pensionsreformen (um die prognostizierten steigenden budgetären Belastungen zu senken) aber weitgehend ausgeblendet.

Bereits in den letzten Jahrzehnten ist aufgrund von Pensionsreformen – z.B. Ausdehnung der Durchrechnungszeiträume von den besten fünf Jahren auf die gesamte Erwerbsphase, Reduzierung der Anrechnungen von Nichterwerbsphasen … – die Leistung des staatlichen Umlageverfahrens deutlich gesunken (ausgedrückt als Verzinsung der PV-Beiträge), trotz diverser „Verlust-Deckelungen“. Die notwendigen Pensionsreformen, die das System versicherungsmathematisch betrachtet „fairer“ gestalten, führen zu einem permanenten Verlust an Pensionsleistungen. Im Gegensatz dazu werden Vermögensverluste in diversifizierten Portefeuilles nach Finanzkrisen u.U. rasch wieder wettgemacht (wie etwa in der aktuellen Finanzkrise). Während ältere Generationen von der politikinduzierten „Blase der staatlichen Pensionsversprechen“ profitieren können, tragen jüngere Generationen die mit dem Platzen dieser Blase verbundenen Kosten in Form von Reformverlusten.

Nicht nur die Renditen auf Finanzmärkten, auch die impliziten Renditen des staatlichen Umlageverfahrens schwanken (je nach Annahme über die Zurechnung des Bundesbeitrags zur Pensionsversicherung und über den Abzug von Risikoanteilen vom Versichertenbeitrag) stark. Anzustreben wäre daher eine zwischen öffentlichen und privaten Systemen besser diversifizierte Altersvorsorge, als sie gegenwärtig in Österreich mit rund 90/10 herrscht, mittelfristig könnte der „optimale“ Anteil der privaten kapitalgedeckten Pensionsvorsorge rund 30 Prozent ausmachen.

Wahlfreiheit erfordert Forcierung der rein privaten Pensionsvorsorge (3. Säule)

Innerhalb der nicht-staatlichen, kapitalgedeckten Pensionsvorsorge sollte jedoch die betriebliche Altersvorsorge reduziert und private Vorsorgeformen forciert werden:

Die Nachteile der 2. Säule (geregelt im Betriebspensions-, Pensionskassen- bzw. im Betriebliche- und Selbstständigenvorsorgegesetz) sind:

  • Unnötige – in Hinblick auf die persönliche(!) Altersvorsorge – Regelungsinstrumente wie Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen
  • Geringe Flexibilität (Veranlagung, Verfügungsmöglichkeiten, …) und fehlende Ausrichtung an persönlichen Bedürfnissen (Zufall des Arbeitgebers)
  • Orientierung an Steuerbegünstigungen statt individuell-optimalen dynamischen Ansparplänen
  • Problematische leistungsorientierte Modelle
  • Tendenziell höhere Gebührenbelastung als in privater Vorsorge
  • Geringere Transparenz und mangelnder Wettbewerb (gilt auch bei einigen Produkten der privaten Vorsorge)

Auch die aktuelle Novellierung des Pensionskassen- und des Betriebspensionsgesetzes (in Kraft tretend Anfang 2013) mit der neu geschaffenen Möglichkeit einer „Sicherheitspension“ (Angebot einer Sicherheits-Veranlagungs- und Risikogemeinschaft) und geringfügig flexibleren Anlagestrategien (konservativ, risikoreich) ändert an der grundsätzlichen Problematik nichts, auch wenn einige Nachteile reduziert wurden.

Nur im Rahmen der 3. Säule besteht für einzelne Anwartschaftsberechtigte die Freiheit, das Risiko-Rendite Profil optimal zu wählen (z.B. individuelles „Lifecycle Investing“) bzw. hat er die Freiheit der Wahl unter konkurrierenden Produkten.

Wesentlich ist dabei die Sicherstellung gleicher Besteuerung für alle Produktformen, d.h. durch unterschiedliche steuerliche Belastung soll keine verzerrende Wirkung entstehen. Anzustreben wäre daher ein persönliches Pensionskonto/-depot, das als solches definiert durchgängig der nachgelagerten Besteuerung unterliegt (Einzahlung und Veranlagung ohne steuerliche Belastung, Auszahlung hingegen mit Einkommensteuer belegt).

Intelligentes Design kapitalgedeckter Pensionsvorsorge am Beispiel Schweden

Das schwedische Pensionsmodell wurde in den 1990er Jahren entwickelt, als Schweden sich einer alternden Gesellschaft, einem vergleichsweise geringeren Wirtschaftswachstum und einem ausufernden Budgetdefizit gegenüber sah. Das alte Pensionssystem nach dem Leistungsprimat wurde ersetzt (mit Übergangsregelungen) durch ein stark auf Kapitaldeckung ausgerichtetes System, wobei in allen drei Säulen teilweise bis ausschließlich Beiträge am Kapitalmarkt veranlagt werden.

Die zugrundeliegende Idee des Systems beruht auf der Tatsache, dass die Höhe der Pension (in Form einer Annuität) vereinfacht ausgedrückt von der Höhe des Kapitals zum Pensionsantritt „dividiert“ durch die durchschnittliche Lebenserwartung zum Pensionsantritt abhängt:

Dem Problem der alternden Bevölkerung kann in dieser Logik vor allem mit einem späteren Pensionsantritt begegnet werden. Das Kapital hängt ab von der Höhe der Beiträge und deren Wertentwicklung über die Laufzeit und zeigt die Bedeutung von langfristigem regelmäßigen Sparen und dem Zinseszinseffekt.

Die erste Säule (laufender Beitrag 18,5 Prozent des Bruttogehalts) besteht aus drei Teilen:

  • Einem beitragsorientierten Umlageverfahren (16 Prozent, ergänzt durch „Credits“ für Nichterwerbsphasen)
  • Einer „Premium Pension“ (2,5 Prozent), die frei wählbar in (Aktien-) Fonds veranlagt wird
  • Einer „Garantiepension“, für Niedrigverdiener, die aus dem Budget finanziert wird

Im Rahmen der zweiten Säule werden je nach Kollektivvertrag 3,5 – 4,5 Prozent des Bruttogehalts vom Arbeitgeber in ein vom Arbeitnehmer (!) auszuwählendes Versicherungsprodukt (va fondsgebundene Lebensversicherung) einbezahlt – auch dieser Teil ist beitragsorientiert und vor allem: individuell gestaltbar.

Für die dritte Säule – Private Pension – sind 3 Möglichkeiten vorgesehen:

  • Spareinlagen, Wertpapiere (insb. Aktien) und Investmentfonds
  • Fondsgebundene und traditionelle Lebensversicherungen

Einen wesentlichen Beitrag zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit des Pensionssystems leisten „Finanzielle Stabilisatoren“: Die jährliche Anpassung der Pension aus der 1. Säule berücksichtigt auch die Einkommensentwicklung und gewisse Abschlagsfaktoren und kann sich daher sowohl positiv als auch negativ entwickeln (letzteres 2010 und 2011).  Für die Bezieher niedriger Pensionen wird dies durch die Garantiepension ausgeglichen.

Kritiker von kapitalgedeckten Pensionssystemen weisen immer auf die Abhängigkeit von der Kapitalmarktentwicklung hin. Das schwedische System berücksichtigt kurzfristige negative Schwankungen insoweit, als jeder Einzelne bestimmen kann, wann sein in der 2. oder 3. Säule angespartes „Kapital“ in eine Verrentung übergeführt wird.

Um die Verwaltungskosten dieses Systems zu minimieren, hat man sich entschlossen, ein zentrales „Clearinghaus“ zu etablieren, das „Pensionskonten“ führt und wo man jederzeit umschichten bzw. sich informieren kann. Ebenso gibt es für die Fonds und Versicherungen Obergrenzen für deren verrechnete Kosten.

Politikempfehlungen für Österreich:

  • Ziel sollte ein „ausgewogenes“ Pensionssystem sein, mit etwa 70 Prozent nach dem Umlageverfahren (1. Säule) und 30 Prozent kapitalgedeckter Pensionsvorsorge
  • Der kapitalgedeckte Teil sollte hinsichtlich der Berücksichtigung des Lebensalters und der Risikoneigung möglichst individuell gestaltbar sein
  • Das System sollte möglichst
    • transparent (zentrales Pensionskonto)
    • flexibel (Produkte müssen innerhalb des Systems auswechselbar sein) und
    • effizient sein (z.B. zentrale Clearingstelle → geringere Kosten)

Unabhängig von ihrer jeweiligen beruflichen Funktion haben mehrere österreichische Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Peter Brezinschek, Josef Christl, Christian Helmenstein, Uta Pock, Thomas Url) die Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die dieser Text verfasst wurde.

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