Mordversuch an der Bildung durch PISA?

Welche Hinsichten (Absichten) und Rücksichten gelten im keine Kosten scheuenden PISA-Netzwerk?

Maßgeblich ist allein die Ausbildung zu aktuell nutzbringenden Qualifikationen, nicht die in kulturellen Begegnungen und Auseinandersetzungen gewonnene Bildung tragender persönlicher Qualitäten. Es geht nicht um die umfassende Lebensführung auf grundlegenden Haltungen, sondern um Verhaltenskompetenzen unter wirtschaftlich-technischer Nützlichkeit und um erfolgreiche gesellschaftliche Einpassung. Dieser gewünschte Output bestimmt über die Lerninhalte und soll eine kritische Debatte über sie verdrängen und letztlich ersetzen.

Maßgeblich sind die Durchsetzungsanforderungen in einer auf schier uferloses Mengenwachstum ausgerichteten, vorgeblich „freien“, in Wirklichkeit jedoch willkürlich und/oder verwaltet organisierten Erfolgsgesellschaft – mit Siegen nicht so sehr der Stärkeren, sondern der offen oder insgeheim Gewalttätigeren. Die Wege zu einer auf qualitatives Wachstum bauenden solidarischen Leistungsgesellschaft mit Eingliederung des wirtschaftlichen und technischen Handelns in die Gesamtzusammenhänge menschlicher Kultur und persönlicher Lebensführung bleiben außer Betracht, sofern sie nicht sogar Blockierungen anheim fallen.

Was an Ausschnitten aus den Lernergebnissen überprüft wird, folgt einer regionalen bis zu globalen Uniformierung. Alle unterschiedlichen Voraussetzungen und Einflüsse (insbesondere die kulturellen) sollen ausgeschaltet werden. Die sachlich quantitativ angelegten Messungen werden sodann in durchschnittlich pauschalierte Rangordnungen zusammengefasst und vor allem (oder überhaupt) in nationalen Konkurrenzvergleichen dargestellt. Dies so, dass innere Differenzen möglichst verschwiegen werden.

Aus diesen „Auswertungen“ ziehen die in das pädagogische Geschehen hineinlangenden gesellschaftspolitisch bewegten und agitierenden Reformer die Gesamtbegründungen für die von ihnen je nach Ideologie gefassten, vornehmlich durch organisatorische Maßnahmen angestrebten Veränderungen des Lerngeschehens.

Viele der von bewährten Elementen aus der Vergangenheit (nicht selten auch verleumderisch) abgekoppelten Anschauungen und Forderungen sind dermaßen in Trends der Gegenwart verfangen gehalten, dass für Zukunftsweisendes und Zukunftstaugliches wenig zu erwarten steht. Dafür geht die Energie aus.

Das Schulwesen einer zukunftstauglichen Bildungsreform, die diesen Namen verdient, zuführen heißt: Die Absichten veredeln (sinngerichtet, nicht bloß verzweckt), die Inhalte erneuern, die Methoden und Ausstattungen verbessern, die personellen Ressourcen heben und auf solcher Basis die Strukturen konkret wirksam organisieren. Menschliche Vielfalt erfordert und verdient stetige pflegliche Obsorge.

Bei allen Neuerungen ist nicht zu vergessen, dass sie jedweder Erstarrung abhelfen sollen und dass das Schulgeschehen viel an entlastender Ordnung und an Muße zur Konzentration auf gediegene Bildung mit eingebundenen Ausbildungen braucht.

Das muss so hart ausgedrückt werden: Solange wir weiterhin unkritisch am herrschenden PISA-Treiben teilnehmen, beteiligen wir uns mutwillig oder grob fahrlässig an der Zerstörung unverkürzter, nachhaltiger pädagogischer Entwicklungschancen. Einzelne nützliche Hinweise, die aus PISA zu gewinnen sind, dürfen über die Irreführungen nicht hinwegtäuschen. Sie können grundsätzliche Auseinandersetzungen nicht erübrigen.

Schließlich: Was würde uns in Österreich bei einer Aussetzung der Teilnahme entgehen und was könnten wir uns ersparen? Welche Vorbildwirkung für eine eingehende Revision könnten wir im Zuge dessen ausüben?

RR Prof. Reinhard Horner, Berufsschuldirektor und Lehrerbildner i. R.; zahlreiche Publikationen zu pädagogischen, politischen und wirtschaftlichen Themen.

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