Barbara Prammer ist Präsidentin des österreichischen Nationalrats. Ehe sie in dieses hohe Amt gelangte, absolvierte sie eine für sozialistische Apparatschiki typische Karriere: Sie blickt auf Tätigkeiten im Gemeindeamt, in einem „Bildungs- und Rehabilitationszentrum“, im Arbeitsmarktservice und in einem Landesparlament zurück. Was es bedeutet, unter Marktbedingungen zu arbeiten, hat sie nie erfahren. Sie hat keinen Tag ihres Berufslebens außerhalb geschützter Werkstätten – mit produktiver Arbeit – zugebracht.
Frau Prammer hat der Zeitung „Die Presse“ ein Interview gegeben, das am 15. Mai 2012 veröffentlicht wurde. Großteils geht es um Fragen einer Wahlrechtsreform und ist über weite Strecken nicht der Rede wert. Im Zusammenhang mit einer Frage nach ihrer Beurteilung eines Vorschlags aus den Reihen der ÖVP, der vorsieht, den Bürger über die Verwendung eines Teils seiner Steuerleistungen selbst bestimmen zu lassen (Prammer lehnt das selbstverständlich strikt ab), findet sie allerdings die folgenden, bemerkenswerten Worte: „Die Freiheit einer demokratischen Gesellschaft ist eine gewisse Unfreiheit.“ Und sie fährt fort: „Diese gilt für das Individuum, um die Freiheit im Kollektiv zu ermöglichen.“ Seit Orwells Roman „1984“ wurde Doppeldenk nicht in reinerer Form praktiziert. Wir erinnern uns: Wahrheit ist Lüge, Krieg ist Frieden, etc.
Man darf der wackeren Frau dafür dankbar sein, dass sie so offen ausspricht, was den meisten Mitbürgern, die leider keinen Gedanken an eine kritische Auseinandersetzung mit dem Wesen der modernen Massendemokratie verschwenden, völlig entgeht: „Alle Lebensbereiche mit Demokratie durchfluten“ (Bruno Kreisky) oder „Mehr Demokratie wagen“ (Willy Brandt) führt am Ende zur totalen Unfreiheit des Einzelnen. Dieser hat, ist erst einmal die totale Demokratie ausgebrochen, gar nichts mehr selbst zu entscheiden. Stattdessen bestimmt das Kollektiv für ihn! Nicht nur, wann, wo, was und wie er arbeitet, sondern auch über Größe, Lage und Beschaffenheit seiner Unterkunft, Menge und Qualität seiner Nahrung und Frequenz des Unterwäschewechsels.
Wie Joseph Schumpeter in seinem 1942 erschienen Hauptwerk „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ überzeugend feststellt, sind die Sozialisten davon überzeugt, „…dass die Demokratie den Sozialismus impliziert und dass es außer im Sozialismus keine wahre Demokratie geben kann.“ Das erklärt auch, weshalb Linke – von Attac über die Gewerkschaftsjugend bis zu „Occupy Wallstreet“ – unentwegt das Hohelied auf die Demokratie (oder besser: das, was sie dafür halten) singen.
Prammers Motto ist – 44 Jahre danach – jenes der 68er: „Alles Private ist politisch.“ Angesichts der Qualität unserer politischen Führung ist das als ernstzunehmende, gefährliche Drohung zu verstehen. Man muss schon eine gründliche Gehirnwäsche hinter sich haben, um von einer „Freiheit im Kollektiv“ träumen zu können. In Wahrheit handelt es sich dabei nämlich um ein Oxymoron. Dass Freiheit nur im Bund mit Verantwortung zu haben ist; dass das von der Massendemokratie vergötterte Kollektiv aber eine doppelte Unverantwortlichkeit – nämlich die der Wähler, wie die der Gewählten – mit sich bringt und daher mit Freiheit unvereinbar ist, macht sich kaum einer bewusst. Wahr ist vielmehr: Freiheit und Demokratie passen schlecht zueinander, ja – sie schließen einander aus!
Dem kürzlich verstorbenen Ökonomen und Buchautor Roland Baader („Geld, Gold und Gottspieler“, „Geldsozialismus“) verdanken wir das folgende Zitat, das man den Sozialisten in allen Parteien ins Stammbuch schreiben sollte: „Das Wort „Demokratie“ ist ein schweres Rauschmittel. Es verhindert das Lernen, vernebelt den Verstand, verwirrt das Denken, erzeugt Wahnbilder – und macht schließlich schläfrig und apathisch. Die heutigen Demokratie-Junkies würden Sokrates wieder ermorden.“ Wer allerdings weiß heute mit dem letzten Satz noch etwas anzufangen…?
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.