Man konnte meinen, die mediale Sauregurkenzeit sei ausgebrochen: Wenn das staatliche österreichische Fernsehen sich, abseits eines die Einschaltquoten hebenden Blutbades, dem Thema Waffen in Privathand widmet, hat das immerhin Seltenheitswert.
Am 29. 4. also schaffte es das keineswegs „heiße“ Thema Registrierung von Privatwaffen (diese soll, sobald die dafür notwendigen technischen Voraussetzungen gegeben sind, bis Ende des Jahres 2014 abgeschlossen sein) sogar in die Abendnachrichten. Eingangs wurde festgestellt, dass die Behörden gegenwärtig über den Gesamtbestand an Schusswaffen keinen Überblick hätten.
Korrekt wurde bemerkt, dass lediglich die auf Waffenbesitzkarten und Waffenpässen eingetragenen Stücke (dabei handelt es sich in den meisten Fällen um Pistolen und Revolver) amtsbekannt wären – wenn auch nur den jeweiligen lokalen Behörden, da eine zentrale, bundesweite Erfassung bislang nicht erfolgt sei. Dass es dem Polizeiministerium – immerhin einige Jahrzehnte nach der Erfindung der elektronischen Datenverarbeitung – bis heute nicht gelungen ist, die Daten aller Provinzbehörden zusammenzuführen, erstaunt selbst in Kenntnis der Gegebenheiten der kakanischen Bürokratie. Oder gibt es am Ende Gründe, diese Daten absichtlich nicht bekanntzugeben – etwa weil die Gesamtzahl derart hoch ist, dass Nomenklatura und Intellektuellenkaste darüber in Panik verfallen könnten?
Es geht um die Erfassung der „vom Opa ererbten alten Flinte im Keller“, wie der Redakteur launig anmerkte. Diese Auskunft ist deshalb nicht ganz vollständig, weil zudem auch Hunderttausende von Jagd- und Sportbüchsen, sowie die Bestände von Waffensammlern (mehrheitlich alte Militärkarabiner) betroffen sind, die nunmehr gemeldet werden sollen. Dass der ORF mit diesem Beitrag als Regierungsherold fungierte, war klar, als auf den vollständigen Flop der Meldung von Vorderschaftrepetierflinten („Pump-Guns“) hingewiesen wurde.
Geschätzte zehn Prozent dieser Flinten wurden den Behörden gemeldet, nachdem deren Besitz in einem klassischen Akt von Anlassgesetzgebung anno 1995 verboten wurde. Personen, die zu diesem Zeitpunkt über eine solche Waffe verfügten, konnten diese melden und erhielten für ihren Besitz eine Ausnahmebewilligung. Neunzig Prozent dieser Flinten wurden nicht gemeldet.
Zehntausende dieser Waffen stehen seither also illegal in heimischen Haushalten – sei es, weil die oft ahnungslosen Besitzer von der Gesetzesänderung keine Kenntnis erlangten, sei es, weil ein mehr als berechtigtes Misstrauen gegen den Staat davor zurückschrecken ließ, rechtmäßig erworbenes Eigentum durch eine Meldung zu gefährden. Von einer missbräuchlichen Verwendung dieser nunmehr illegalen Waffen wurde bisher übrigens nichts bekannt.
Regierung und Bürokratie befürchten – wohl zu Recht – dass das Registrierungsvorhaben in einem Debakel enden könnte. Kürzlich wurde in Kanada ein vergleichbares Projekt, nachdem bereits Unsummen an Steuergeldern dafür verbraten waren, mangels Aussicht auf Erfolg sang- und klanglos wieder eingestellt.
Die heimische Innenministerin beziffert die voraussichtlichen Kosten dieser Schildbürgerei auf 700.000 Euro – eine völlig aus der Luft gegriffene Angabe. Da die Zahl der zu erfassenden Stücke im Dunkeln liegt, ist eine Prognose für die Erfassungskosten nämlich völlig unmöglich. Fest steht lediglich, dass Hunderttausende von kostspieligen Arbeitsstunden dafür aufgewendet werden müssen.
Innenministerin Mikl-Leitner, die sich bekanntlich mit Vorliebe der Gaunersprache bedient (unvergessen ist ihr an jene Österreicher, die leichtfertig ein Paar Euro gespart haben, gerichteter Imperativ: „Her mit dem Zaster!“) begründete im Verlauf der Sendung die Wichtigkeit der Waffenregistrierung für die allgemeine Sicherheit mit dem Hinweis, dass ja immer wieder Waffen gestohlen würden. Brillant, nicht wahr? Eine gestohlene Waffe wird in dem Moment völlig harmlos, ab dem die Polizei ihre Nummer kennt. Frau Mikl-Leitner hat mit ihrer Wortmeldung zur besten Sendezeit erneut das Ehrfurcht einflößende Ausmaß ihrer fachlichen Kompetenz zur Schau gestellt.
Wahr ist, dass geladene und entsicherte Pistolen – wie Waldäxte, Küchenmesser und Kettensägen auch – absolut harmlos und ungefährlich sind. Davon kann sich jedermann unschwer überzeugen, indem er einen der genannten Gegenstände auf einen Tisch legt und nicht anrührt. Nichts wird geschehen. Kein Schuss wird sich lösen, kein Finger oder Arm wird abgetrennt werden.
Zur Gefahr werden unbelebte Gegenstände nämlich immer erst dann, wenn sie in die Hände gefährlicher Menschen gelangen – und das zu Verhindern ist schlichtweg unmöglich. Selbst eine totale Überwachung der Bürger – eine orwell´sche Welt – kann keine totale Sicherheit garantieren. Zu erwarten, dass die behördliche Registrierung (selbst ein totales Verbot!) eines möglichen Tatmittels unter vielen die Sicherheit zu erhöhen imstande wäre, ist mit den Regeln der Logik unvereinbar.
Da mehr als 50 Prozent der in der Alpenrepublik verübten Bluttaten mit Messern begangen werden, müsste – der Logik von Innenministerin und EU-Bürokratie folgend – die behördliche Erfassung aller in privaten Haushalten lagernden Messer der Sicherheit entscheidend auf die Sprünge helfen. Auf diese groteske Idee ist indes – zumindest bisher – noch nicht einmal die Grüne Gisela Kallenbach, der wir diese staatliche Schnüffelaktion maßgeblich zu verdanken haben, gekommen…
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.