Was ohnehin längst alle wussten, entscheidet die Regionalradiobehörde pro forma am 21.12.1994, drei Tage vor Weihnachten. Nach den Feiertagen am 18. Jänner erteilt die Behörde dann offiziell die Zulassungsbescheide.
In allen Bundesländern bekommen die lokalen Zeitungsgrößen ihre Lizenz, mit einer Ausnahme, in Salzburg ziehen die Salzburger Nachrichten gegen den Radiopionier Viktor Lindner und seinen Kompagnon Arnold Henhapl den Kürzeren.
Folgende Bewerbergruppen erhalten den Zuschlag der Regionalradiobehörde:
Wien: Radio Eins Privatradio GmbH
Bank Austria: 36 Prozent, Krone Media BeteiligungsgmbH (Kronen Zeitung): 26 Prozent, Styria: 10 Prozent, Fellner Media (News): 10 Prozent, Metro Zeitschriften Verlag (Wiener): 8 Prozent, Oscar Bronner (Der Standard): 10 Prozent.
Wien: K4 Privatradiogesellschaft
Bertelsmann-Tochter Ufa (RTL), Signum-Verlag, Wirtschaftsverlag Tochter Informa, Manstein-Verlag, Ottakringer Brauerei, Wiener Städtische Versicherung, Falter, Mazda Rainer, Thomas Madersbacher.
Oberösterreich: Oberösterreichische Privatrundfunk GmbH
J. Wimmer GmbH (Oberösterreichische Nachrichten): 26 Prozent, Landesverlag (OÖ Rundschau): 26 Prozent, Tele-Kurier (Kurier): 10 Prozent, Österreichische Zeitungs-, Verlags- und Vertriebs GmbH (Neues Volksblatt): 10 Prozent, Privates Radio OÖ GmbH: 10 Prozent, Oberbank: 8 Prozent, Gutenberg-Werbering: 5 Prozent, Informationsdienst- und Medienbeteiligungs GmbH: 5 Prozent
Niederösterreich. RPN-Radio Privat Niederösterreich GmbH
Tele-Kurier (Kurier): 26 Prozent, Niederösterreichisches Pressehaus (NÖN): 26 Prozent, Die Erste Beteiligungsverwaltung: 14,7 Prozent, HBV Beteiligungs-GmbH (Landes Hypo): 14,7 Prozent, Utilitas Dienstleistungs-Gmbh (EVN): 14,7 Prozent, Niederösterreichische Audiovision: 4 Prozent
Burgenland: Privatradio Burgenland GmbH
Burgenländisches Kabelfernsehen (BKF): 15 Prozent, Kabel-TV Burgenland: 15 Prozent, Hypo Bank Burgenland: 10 Prozent, Krone Media BeteiligungsgmbH: 10 Prozent, Raiffeisenlandesbank Burgenland: 10 Prozent, Oscar Bronner GmbH: 10 Prozent, Metro Zeitschriften Verlag: 10 Prozent, BF Medienbeteiligungs-GmbH: 10 Prozent, BVZ Medien und Beteiligungs-GmbH: 10 Prozent.
Steiermark: Antenne Steiermark Regionalradio GmbH
Styria: 26 Prozent, RLB-Beteiligungs-GmbH (Raiffeisenlandesbank Steiermark): 5 Prozent, Informations- und Medien GmbH (Steirische Wochenpost): 10,5 Prozent, TVS (Neue Zeit): 10,5 Prozent, Fellner Medien (News): 10,5 Prozent, Krone Media Beteiligungs GmbH: 10 Prozent, Medien Süd-Ost Beratungs- und Beteiligungs GmbH (Leykam): 15 Prozent, diverse steirische Wirtschaftstreibende: 10 Prozent, AWE-KA-Kapitalverwaltungs GmbH: 3 Prozent.
Kärnten: Regionalradio Kärnten GmbH
Informations- und Medien GmbH (Kärntner Tageszeitung): 22 Prozent, Buchdruckerei Carinthia: 16 Prozent, Multi Media Zeitschriftenverlags GmbH (Kärntner Monat): 12 Prozent, Raiffeisenverband Kärnten: 12 Prozent, Styria: 10 Prozent, Verein Hermagoras: 10 Prozent, Neue Welle Rundfunk GmbH: 10 Prozent, Kärntner Landes-Hypo: 7 Prozent, RS Privatradio GmbH: 6 Prozent.
Tirol: RRT-Regionalradio Tirol GmbH
Schlüsselverlag J.S. Moser (Tiroler Tageszeitung): 26 Prozent, Salzburger Nachrichten VerlagsgmbH: 10 Prozent, Eugen Ruß Vorarlberger Zeitungsverlag (Vorarlberger Nachrichten): 10 Prozent, Telefon & Buch Verlags GmbH (Oschmann Gruppe): 10 Prozent, BTV 2000 Beteiligungsverwaltungs GmbH (Bank für Vorarlberg und Tirol): 17 Prozent, Raiffeisenlandesbank Tirol: 17 Prozent, Beteiligungs- und Investment GmbH: 10 Prozent.
Vorarlberg: Vorarlberger Regionalradio GmbH
Eugen Ruß Vorarlberger Zeitungsverlag (Vorarlberger Nachrichten): 26 Prozent, Vorarlberger Landesgruppe der Industriellenvereinigung: 10 Prozent, BTV 2000 BeteiligungsverwaltungsgmbH: 25 Prozent, Salzburger Nachrichten Verlags GmbH: 10 Prozent, Schlüsselverlag J.S. Moser: 10 Prozent, Telefon & Buch Verlags GmbH: 10 Prozent, BAWAG: 9 Prozent.
Salzburg: Radio Melody GmbH
Arnold Henhapl: 50 Prozent, Livia und Viktor Lindner: 50 Prozent.
Unterlegene Bieter ziehen zum VfGH
Die Zeitungsverleger können zufrieden sein, zumindest vorerst. Denn viele der glücklosen Bewerber ziehen nun vor den Verfassungsgerichtshof. Insgesamt 33 Beschwerden gehen beim VfGH ein. Alle zehn Zulassungsbescheide werden beeinsprucht.
Die Beschwerden beziehen sich, wenig überraschend, auf genau jene Punkte, die Juristen und Experten von Anfang bemängelt hatten: Den nebulosen Frequenznutzungsplan und die damit verbundene geringe Anzahl von ausgeschriebenen Privatradiozulassungen. So kritisiert etwa der Staatsrechtler Hannes Tretter, "die Bestimmung des Regionalradiogesetzes, nach der jedes Privatradio in sich pluralistisch sein müsse. Besser wäre es, die Pluralität der Meinungen durch eine Vielzahl von Anbietern zu sichern.“[i]
Genau das wollte die SPÖ mit diesem Gesetz aber verhindern: Eine Vielzahl an Sendern, die nicht unter ihrer direkten oder indirekten Kontrolle stehen. Doch selbst die zehn Radiogesellschaften, die eine Zulassung von der Regionalradiobehörde bekommen haben und mit 1. September on Air gehen wollen, werden angesichts der Beschwerden beim VfGH nervös. Schließlich haben sie schon viel Geld in den Aufbau ihrer Sender und Mannschaften investiert, der Privatradioverband spricht gar von 500 Millionen Schilling[ii]
Die Ängste der Leider-Noch-Nicht-Radiomacher erweisen sich als begründet. Am 2. Mai sistiert der Verfassungsgerichtshof die Zulassungsbescheide, was heißt, die Privatradiosender dürfen, solange keine endgültige Entscheidung gefallen ist, auch nicht auf Sendung gehen. Der Privatradioverband drängt deshalb auf eine rasche Entscheidung des VfGH, am besten noch vor dem Sommer, „damit die Lizenzgesellschaften ein Minimum an Rechtssicherheit haben"[iii], so Franz Ferdinand Wolf, Sprecher des Verbands Österreichischer Privatradios.
SPÖ und ORF dürfen sich jedenfalls freuen, die Radioliberalisierung ist durch ein bewusst schlampig verfasstes Gesetz einmal mehr verzögert worden. SPÖ Bundesgeschäftsführer Josef Cap vergießt öffentlichkeitswirksam ein paar Krokodilstränen und bezeichnet die Verzögerung für die Privatradiobetreiber als „äußerst bedauerlich“[iv] und fügt allen Rechtsexperten zum Hohn hinzu, „er sei nach wie vor der Meinung, daß mit dem Regionalradiogesetz ein verfassungskonformes Gesetz vorliege.“[v]
Zudem tut er das, was die SPÖ in Sachen Medienpolitik stets gerne tut: Reformen und Vorhaben nicht umzusetzen sondern anzukündigen; eine Medienoffensive werde es geben, so Rundfunkmonopolfreund Cap.
Regionalradiogesetz wird aufgehoben
Für die von Cap verhöhnten Zulassungsinhaber kommt es aber noch schlimmer. Am 5. Oktober hebt der Verfassungsgerichtshof Teile des Regionalradiogesetzes als verfassungswidrig auf. Begründung: „Die Politik müsse für eine klare Aufteilung von ORF- und privaten Frequenzen und bei diesen wiederum zwischen regionalem und lokalem Radio sorgen. Nach derzeitiger Rechtslage hätte es der ORF in der Hand, durch Ausstrahlung weiterer Hörfunkprogramme ‚beliebig‘ die Frequenzen der Privaten zu verringern.“[vi]
Exakt das, was Rechtsexperten von Anfang an kritisiert hatten, hat nun zur Aufhebung des Gesetzes geführt. Franz Ferdinand Wolf vom Privatradioverband spricht deshalb von einem „medienpolitischen Zwentendorf.“[vii]
Die Radiogesellschaften können ihre bisher getätigten Investitionen in den Wind schreiben, das heimische Rundfunkmonopol bleibt weiter bestehen, zumindest in sieben von neun Bundesländern.
Nur Salzburg und Steiermark gehen auf Sendung
Denn zwei der Lizenzinhaber hatten es noch vor der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs geschafft, sich mit ihren unterlegenen Mitbewerbern zu einigen, worauf diese ihre Beschwerden beim VfGH zurückgezogen hatten.
Alfred Grinschgl, der damalige Geschäftsführer der Antenne Steiermark in einem Interview:
„Der einzig verfassungsrechtliche einwandfreie Weg für die Antenne (…) doch noch eine Lizenz zu erhalten, war der, mit den Beschwerdeführern, die unsere Lizenzerteilung blockiert hatten, Verhandlungen aufzunehmen. Wir haben versucht, die Beschwerdeführer in unsere Gesellschaft einzugliedern, um dadurch zu bewirken, daß sie ihre Beschwerden beim VfGH wieder zurückziehen. (…) Alle drei haben rechtzeitig ihre Beschwerden zurückgezogen und sind nun als Teilhaber in unsere Gesellschaft integriert. Dies hatte zur Folge, daß unser Lizenzbescheid wieder in voller Rechtskraft gültig war.“[viii]
Die Antenne Steiermark beteiligte ihre Mitbewerber, die RS-Radio und den Journalistenclub (ÖJC) mit 1 bzw. 1,1 Prozent an ihrer Regionalradio-Gesellschaft, das Freie Studenten-Radio wurde mit Sendezeit am Sonntagabend zufriedengestellt. Für die Antenne Steiermark war somit der Weg zum Sendestart frei. Auch Radio Melody in Salzburg konnte seine Mitbewerber zum Zurückziehen ihrer Beschwerden bewegen. Beide Radiogesellschaften konnten deshalb wie geplant auf Sendung gehen.
Am 22.9. geht in Dobl bei Graz die Antenne Steiermark on Air. Die ersten Worten spricht Programmchef Bernd Sebor: „Hallo, herzlich willkommen, Grüß Gott. Hier ist Antenne Steiermark, Österreichs erstes Privatradio (…)“[ix]
Wenige Tage später am 17.10. geht in Salzburg Radio Melody auf Sendung. Zumindest in diesen beiden Bundesländern bekommen 1995 die öffentlich-rechtlichen Radios erste private Konkurrenz, es kommt „zum formalen Ende des umfassenden ORF Monopols“[x]
Zum Vergleich: In Deutschland startete mit R.SH das erste Privatradio bereits 1986[xi] Im südlichen Nachbarland Italien senden Privatradios sogar schon seit Ende der 70er Jahre.
(Die „Roten Meinungsmacher“ erscheint – wie am 6. November erläutert – im wöchentlichen Abstand als Serie im Gastkommentarbereich des Tagebuchs.)
Endnoten
[i] Austria Presse Agentur. 14.3.1995.
[ii] Siehe Fidler/Merkle. 1999. Seite 112.
[iii] Austria Presse Agentur. 3.5.1995.
[iv] Austria Presse Agentur. 30.6.1995.
[v] Austria Press Agentur. 30.6.1995.
[vi] Fidler/Merkle. 1999. Seite 112.
[vii] Österreichisches Atomkraftwerk, das zwar fertig gebaut, nach einem Volksentscheid, aber nie in Betrieb genommen wurde.
[viii] Wieser. 1997. Seite 13.
[ix] Lengyel-Sigl. 2006. Seite 85.
[x] Streit. 2006.Seite 65.
[xi] Der eigentlich älteste private Hörfunksender in Deutschland ist das französischsprachige Radio Europe 1. Der Sender wurde während der französischen Verwaltung des Saarlandes gegründet, um ein Verbot kommerziellen Rundfunks in Frankreich zu umgehen. Obwohl zunächst rechtlich nicht legitimiert, wurde er unter deutscher Funkhoheit im Saarland weitergeführt.