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Wir sind nun alle Keynesianer!

Am 23. 4. lud die Bank Austria, Tochter des italienischen Bankhauses Unicredit, Teile ihrer mittelständischen Kundschaft zu einem unter dem Titel „Erfolgsfaktor Innovation“ stehenden Vortragsabend ein. Im Prachtbau am Ring, dem altehrwürdigen Direktionsgebäude der von der Bank Austria anno 1997 handstreichartig übernommenen Creditanstalt, informierte zunächst der Chef des Hauses, Willibald Cernko, über die aktuelle Lage seines Instituts. Das Umfeld in Europa sei problematisch – insbesondere im Hinblick auf die in einigen Ländern besorgniserregend hohe Beschäftigungslosigkeit. 25 Prozent Arbeitslosenquote in Spanien stellten ein gesamteuropäisch relevantes Problem dar.

Er widerspreche daher dem prominenten deutschen Ökonomen H. W. Sinn, der einer Politik des „Kaputtsparens“ das Wort rede. Anstatt zu sparen, müsse vielmehr investiert werden, um dadurch Perspektiven zu schaffen. Diese Aufgabe falle den Banken zu, die der Wirtschaft „leistungsfähige und leistbare Kredite“ zur Verfügung zu stellen hätten. (Ob z. B. milliardenteure Tunnelbauten der Staatsbahn, die dereinst dazu dienen werden, Züge in denen keiner sitzt, über Strecken, die keiner braucht durch allerlei Berge rollen zu lassen, als „Investitionen“ und nicht als Kapitalvernichtungsaktionen zu bewerten sind, wurde an dieser Stelle nicht erörtert, Anm.).

Den Anteil der Klein- und Mittelunternehmen an der österreichischen Wirtschaftsleistung bezifferte Cernko mit 66 Prozent. Sie seien damit der Motor der Wirtschaft. In der Zeit von 2008-2012 wären von den mittelständischen Betrieben rund 44.000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden – und damit deutlich mehr als von Großunternehmen.

Nach wie vor stelle die Kreditvergabe das Kerngeschäft seiner Bank dar. Man habe allerdings aus den in der Vergangenheit gemachten Fehlern gelernt. So habe die Bank Austria bereits jetzt alle nach „Basel 3“ bestehenden Vorgaben hinsichtlich ihrer Kapitalausstattung erfüllt, was auf dem Wege einer Kapitalerhöhung und ohne Inanspruchnahme staatlicher Hilfe gelungen sei. Der Hinweis auf die segensreiche Wirkung der Gemeinschaftswährung durfte nicht fehlen: „Wir sind Profiteure des Euro!“ Die Gefahr einer „Kreditklemme“ sehe er nicht, da die EZB für ausreichend Liquidität gesorgt habe, nachdem das Interbankenkreditgeschäft im Zuge der Schuldenkrise drastisch eingebrochen war.

Er denke nicht daran, das Engagement der BA in Osteuropa zu beenden: „Wir bleiben in Mittel- und Osteuropa!“ Als Konsequenz der Investitionen dort wären immerhin viele Arbeitsplätze in Österreich geschaffen worden.

Der Chefvolkswirt sagt: Druckt mehr Geld!

Danach trat der Chefvolkswirt des Hauses, Stefan Bruckbauer, ans Mikrophon, um seinen Vortrag zum Thema „Was bringt die Zukunft? Innovation als Antwort auf unsichere Aussichten“ zu halten. Zu Beginn streute er den Anwesenden Rosen, indem er auf den hohen Anteil von Forschungs- und Entwicklungsausgaben hinwies, der von mittelständischen Betrieben getragen würde – nämlich 1,3 Prozent des BIP, während der Beitrag des Staates hierzu bei nur 1,1 Prozent läge.

Zur Beilegung der immer noch schwärenden Krise sehe er „die Politik gefordert“. Zwar sei die Verschuldungssituation der Staaten der Eurozone deutlich weniger dramatisch als jene in den USA, dennoch liefe die Entwicklung dort erheblich besser.

Der Grund dafür sei in der Entschlossenheit der US-Notenbank FED, massiv auf Zinsen und Geldmenge Einfluss zu nehmen, zu suchen. Euroland hinke aufgrund der fehlenden Einheitlichkeit der Fiskal- und Wirtschaftspolitik deutlich hinterher (was mit einer Fülle von Graphiken versucht wurde, zu belegen). Es sei ein, maßgeblich von Angela Merkel zu verantwortender, Fehler gewesen, Griechenland pleitegehen zu lassen. Nach all dem zuvor erfolgten Gerede über die Harmlosigkeit der Lage und die dann schließlich doch erfolgte Zahlungsunfähigkeit des Landes, sei die Kreditwürdigkeit der gesamten Eurozone schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. „Kein Investor glaubt daher heute noch an politische Zusagen.“

Die Größe des „Eurorettungsschirmes“ so stark auszudehnen, sei nicht durch die kritische Lage der EU, sondern lediglich infolge des Misstrauens der Gläubiger notwendig geworden. Würde auf europäischer Ebene indessen jetzt nicht mit aller Entschiedenheit gehandelt, so wäre tatsächlich der Fortbestand des Euro gefährdet.

Obwohl Deutschland die „kaputtesten Banken“ habe, würde dem Land von den Märkten dennoch das größte Vertrauen geschenkt. „In der Krise trocknet die Peripherie eben monetär aus. Und in der EU ist alles außer Deutschland Peripherie. Denn in der aktuellen Lage zählt nur die Größe.“

Während die USA ihre Lektion aus den Lehren der 30er-Jahre gelernt (damals habe man fatalerweise nicht mit einer massiven Geldmengenausweitung auf die Wirtschaftskontraktion reagiert und damit das Desaster heraufbeschworen!) und ab 2008 entschieden gehandelt hätten, wäre die Geldpolitik Europas bei weitem zu zögerlich. Bei Betrachtung der nationalen Haushaltspolitiken entstehe der Eindruck, dass „Europa sich zu Tode spart.“ Bruckbauer räumte allerdings ein, dass, als „kleine Nebenwirkung“ der US-Geldpolitik das Haushaltsdefizit der USA ein Rekordniveau erreicht habe. Dennoch befänden sich die USA auf dem richtigen Wege.

Japan dagegen biete ein Beispiel für verfehlte Geldpolitik. Die Wirtschaft des Landes schrumpfe seit 15 Jahren, „weil nicht genug Geld gedruckt wird! (sic!)“

Es sei offensichtlich, dass die privaten Haushalte im gleichen Maße „reicher“ geworden seien, in dem die Staaten sich verschuldet hätten. „Unser“ Wohlstand sei also mit geborgtem Geld finanziert worden. Die Entschuldung der Staaten müsse daher „mit Wohlstandsverlusten für die privaten Haushalte bezahlt werden.“

Angesichts der bereits bestehenden Geld- Kredit- und Schuldensummen und im Hinblick auf das Volumen an zuletzt neu geschaffener Liquidität, seien „Sorgen wegen einer dräuenden Hyperinflation absolut irrational!“ Dies umso mehr, als das von der EZB neu gedruckte Geld lediglich jene Liquidität substituiere, die durch das Erliegen der Interbankengeschäfte nicht mehr verfügbar sei. Bruckbauers Prognose für die nächste Zukunft: Österreich werde im Jahr 2012 mit einem Wachstum von 2 Prozent rechnen können. Die Sparquote dagegen werde mittelfristig von derzeit 10,8 Prozent auf 5,8 Prozent (2015) fallen.

Auf meinen in aller Bescheidenheit vorgebrachten Einwand, dass es eine Denkschule gebe, die eine exzessive Geldmengenausweitung als Ursache der heutigen Schuldenkrise identifiziere und eine expansive Geldpolitik in der aktuellen Lage daher mit dem „Löschen eines Brandes mit Benzin“ vergleiche, meinte er, dass es sich dabei um eine „extreme Ansicht“ handle, die nur von einer „ideologisierten Minderheit“ vertreten werde.

Den Hinweis, dass unter sonst gleichen Bedingungen das Bedrucken von Papier (die Schöpfung von Geld aus dem Nichts) den Wohlstand nicht zu vergrößern imstande wäre, tat Bruckbauer mit einem lupenrein keynesianischen „Argument“ ab: „Was Sie sagen, würde in einer Situation der allgemeinen Auslastung der Betriebe zutreffen. Wir haben es gegenwärtig aber mit massiven Nachfragausfällen zu tun, die vom Staat auszugleichen sind. Das Drucken von Geld dient in einer solchen Lage dazu, dringend notwendige Kredite an die Wirtschaft vergeben zu können, die Produktion am Laufen zu halten und einen Wirtschaftskollaps zu vermeiden.“

Es ist rund zwei Jahren her, als der libertäre Ökonom Hans-Hermann Hoppe bei einem Vortrag in Wien meinte, dass es zwar möglich ist, „jedem halbwegs begabten Hauptschüler innerhalb von zwei Minuten zu erklären, dass das Bedrucken von Papier den Wohlstand nicht hebt. Es ist indessen nahezu unmöglich, diese Einsicht einem Nationalökonomen zu vermitteln.“ Durch die Veranstaltung in der Bank Austria – insbesondere durch die Ausführungen deren Chefvolkswirts – wurde diese Erkenntnis auf eindrucksvolle Weise bestätigt.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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