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SN-Kontroverse: Lueger

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Umbenennung des Lueger-Rings gerechtfertigt?

 In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Keine Ehrung für Antisemiten

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Er halte den Mann für den "gewaltigsten Bürgermeister aller Zeiten". Dies schrieb Adolf Hitler über ihn. Er war ein faszinierender Redner und "Volkstribun" mit starkem Charisma. Seine Befürworter feierten ihn wie einen Popstar. Für Karl Lueger, der auch "Herrgott von Wien" genannt wurde, gab es sogar ein Lueger-Vaterunser: "Vater Lueger, der du wohnst in Wien, gelobet sei dein Name, beschütze unser christliches Volk (...) sondern erlöse uns von dem Juden-Übel." Von ihm stammt der Ausspruch "Wer ein Jud’ ist, das bestimm’ ich". Die Hetze gegen die Juden stand im Zentrum seiner politischer Taktik: Alle Probleme brachte Lueger auf die einfache Formel: "Der Jud' ist schuld". So entstand ein Klima der Verrohung, das die politische Kultur in Wien um 1900 nachhaltig geprägt hatte. Wegen seiner Hatzpolitik verwehrte ihm sogar Kaiser Franz Josef mehrmals die "allerhöchste Sanktion" für das Bürgermeisteramt; das er schließlich doch eroberte. Seine Amtszeit (1897 - 1910) war einerseits durch einen starken Modernisierungsschub gekennzeichnet; andererseits durch ein sehr effektives System der Ämterpatronage. Nach Karl Lueger wurde 1934 von den Austrofaschisten der Teil der Wien Ringstraße zwischen der Stadiongasse und dem Schottenring benannt. Darüber hinaus gibt es rund 30 weitere Lueger-Gedenkstätten. Nach jahrelanger Debatte soll nun endlich der Lueger-Ring in Universitäts-Ring umbenannt werden. Das ist gut so, denn die Stadt Wien demonstriert mit diesem Schritt - spät, aber doch - historisches Bewusstsein. Nicht nachvollziehbar ist aber, warum die ehrende Erinnerung nur stückweise aus dem Stadtbild entfernt wird. Die anderen Denkmäler für Lueger sollen so bleiben wie sie sind. Das ist halbherzig und ein Beweis dafür, wie zwiespältig und unsicher Wien sowie die Republik nach wie vor im Umgang mit der eigenen Vergangenheit sind.


Einäugige Demagogie

Andreas Unterberger

 Kein Zweifel: Karl Lueger hat in seiner Kleine-Leute-Politik gegen Großindustrie und Banken stark auf antisemitische Parolen gesetzt; was man nur strikt verurteilen kann. Ebenso wenig Zweifel gibt es aber auch: Lueger war der weitaus wichtigste Bürgermeister in der Geschichte Wiens; ihm hat die Stadt mehr in Sachen Städtebau, Reformen und Schönheit zu verdanken als allen späteren Bürgermeistern zusammen (deren Sündenlisten mehrere Sonderausgaben der SN füllen würden). Daher sollte es sich eine Wiener Stadtverwaltung sehr gut überlegen, wenn sie nun ausgerechnet den Name Lueger von Straßenschildern entfernt. Das erinnert heftig an die stalinistische Praxis, unliebsame gewordene Funktionäre nachträglich aus Fotos wegzuretuschieren. Jetzt gibt es keinerlei Rechtfertigung mehr, warum andere Namen mit viel weniger Verdiensten von solchen bisher vermiedenen Namens-Eliminierungen unberührt bleiben, die ebenso belastet sind wie Lueger. Auf manchen lastet sogar noch viel schwerere Schuld, kann doch Lueger keinerlei Gewalt oder Aufrufe zu solcher angelastet werden. Was ist etwa mit Karl Marx und seinen antisemitischen Bemerkungen und den Zig-Millionen Toten, die seine Ideologie gefordert hat, sehr oft gezielt unter Juden? Was ist mit Karl Renner, der nicht nur Hitlers Anschluss völlig freiwillig zugejubelt hat, sondern später auch dem zweiten großen Massenmörder des 20. Jahrhunderts, Josef Stalin? Was ist mit dem Wiener SPÖ-Stadtrat Julius Tandler, der in langen Schriften zur Tötung von "lebensunwerten" Menschenleben aufgerufen hat? Was ist mit Che Guevara, der ein paar Tausend Menschen eigenhändig ermordet hat? Ihnen allen sind in Wien Plätze oder Bauten gewidmet, ja sogar Denkmäler gebaut worden. Solange die alle unberührt blieben, ist die Lueger-Stürmerei nichts als miese parteipolitische Demagogie und historische Einäugigkeit.

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