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Piraten machen keine Gefangenen

Fast zu schön, um wahr zu sein: Überall in Europa treten junge Leute an die Öffentlichkeit und kämpfen für Bürgerrechte, direkte Demokratie, mehr Transparenz und Informationsfreiheit. Und damit der Spaßfaktor nicht zu kurz kommt, nennen sie sich „Piraten" – genauso verrückt und ungezwungen wie Johnny Depp im „Fluch der Karibik".

Kaum zu glauben: Endlich mischt jemand dieses alte, verkrustete System auf und jagt die fett gewordenen politischen Parteien vor sich her! Und das Schöne daran: Das sind ganz normale Leute! Sie verbreiten keine dumpfen Parolen und tragen keine Uniformen; sie sitzen nicht Pullover-strickend im Parlament und wollen uns auch nicht einreden, dass wir unsere geliebten Autos gegen Fahrräder eintauschen sollen. Okay, ein bisserl verrückt sind sie vielleicht. Von wegen „Freiheit des Datenaustausches". Musik soll gratis sein, und Software sowieso. Und Filme aus Hollywood soll sich ebenfalls jeder gratis auf seinen PC laden können. Also was soll daran schlimm sein?

Bis Johannes Gutenberg um 1450 den Buchdruck erfand, wurde das Wissen der Menschheit in handgeschriebenen Büchern wie ein Schatz gehütet. Und es sollte noch ein halbes Jahrtausend vergehen, bis Bildung zu etwas wurde, was zumindest in unserer westlichen Welt jeder Mensch erwerben kann. Wissen und Bildung haben uns den heutigen Wohlstand gebracht, sind die Grundlage unserer Gesellschaft. Das Internet war ein weiterer Schritt nach vorne: Jetzt können wir die ganze Welt mit ein paar Mausklicks erforschen.

Diese Welt der freien Information hat allerdings ihre Kehrseite: Es wird immer schwieriger, echte Information von Datenmüll zu unterscheiden. Dazu wird uns ständig vorgegaukelt, dass ohnehin alles gratis sei. Wir merken längst nicht mehr, dass die Suchergebnisse in Google vielleicht doch nicht so echt sind, wie sie scheinen. Und mein Alter hat Facebook längst erraten, bevor ich es eintippen konnte. Für Facebook bin ich nur Teil jener Zielgruppe, die mit „Tipps" gegen Arthritis, Potzenzstörungen und Prostataleiden bombardiert wird. Sogar der Datenschrott auf Facebook hat also seinen Preis.

Genau hier liegt das Problem mit den Gratis-Datentauschern unter dem Segel der Piraten: Information kann es nicht gratis geben, denn sie stellt einen Wert dar. Ohne Urheberrecht wird sich dieser Wert sehr schnell verflüchtigen. Die von den Piraten-Parteien geforderte Freigabe aller digital verfügbaren Informationen, inklusive Musik und Filme, hat nichts mit Transparenz zu tun, sondern ist ein klarer Angriff auf die Grundlagen unserer Gesellschaft. Die Piraten drohen das zu entwerten, was zu den Säulen unserer Zivilisation gehört: unser Wissen, unsere Bildung. Damit frisst das Internet wohl seine Kinder.

Wolfgang Hoffmann, Jahrgang 1959, ist Musiker, Unternehmer und Autor.
Siehe:
http://www.woho.at

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