Muslime in Österreich

Die Professoren Susanne Heine, Rüdiger Lohlker und Richard Potz produzieren fast dreihundert Seiten mit diesem Titel. Ist es Desinformation, ein Standardwerk oder beides?

Welches Ziel setzt sich dieses Buch?

Im Vorwort versprechen uns die Autoren eine „Mischung aus islam-, sozial-, und rechtswissenschaftlichen Informationen, die einen Weg zu einem offenen politischen und rechtlichen Diskurs weisen“. Am Ende heißt es: „Daher geht es darum, … mehr von einander zu wissen und zu lernen …. Spekulative Ansätze laufen hingegen Gefahr … Unterschiede zu verschleiern.“ (266). Das ist im Sinn des Untertitels des Buches, der „Grundlagen für den Dialog“ ankündigt, denn wie soll ein „Dialog“ geführt werden, wenn die Standpunkte der Dialogpartner geheim oder spekulativ bleiben. Man darf also Information über den Islam erwarten. Aber so sicher ist dieses Versprechen auch wieder nicht, denn das Buch heißt ja „Muslime in Österreich“ und nicht „Islam in Österreich“.

Eine Gegnerin identifizieren die drei Professoren gleich im Vorwort. Es ist Christa Chorherr mit ihrem 2011 erschienen Buch „Halbmond über Österreich“, 295 Seiten, dem sie aber „etliche verzerrte Darstellungen, Fehler und Ungenauigkeiten“ vorwerfen. Die drei Gelehrten mögen also tolerieren, dass ich ihr Buch kritisch ansehe, obwohl es in der „Presse“ als „Standardwerk“ gelobt wurde. Mein „Standardwerk“ war für viele Jahre das 1999 erschienene Buch von Martina Schmied „Familienkonflikte zwischen Scharia und bürgerlichem Recht“. Im persönlichen Gespräch hat der Präsident der isamischen Glaubensgemeinschaft, Anas Schakfeh, mir gegenüber dieses Buch und die Autorin gelobt. Denn Martina Schmied stellt tatsächlich eine geschlossene Islamische Ordnung dar, die auf dem unveränderlichen Wort des Korans und dem vorbildlichen Leben des Propheten Mohammed fußt.

Wie kann man drei Universitätsprofessoren widersprechen?

Ich bin ein Jurist im Auslandsgeschäft, interessiere mich für den Islam, dessen gesellschaftliche Relevanz in Europa und sammle seit über 20 Jahren Bücher islamischer Islamgelehrter. Man muss kein Universitätsprofessor sein, um sehr bald zu erkennen, dass überall im Wesentlichen dasselbe drinnen steht: Der Islam ist mehr als eine Religion.

Er bietet seinen Gläubigen ein umfassendes, unveränderliches und universell gültiges Regelwerk für alle Lebensbereiche. Er unterscheidet zwischen Gut und Böse. Er verspricht den Guten das Paradies und den Bösen die Hölle. Klar definierte Sünden ahndet der Islam nicht erst im Jenseits, sondern schon im Diesseits. Real praktiziert man Auspeitschung und Steinigung für Gotteslästerung, Abfall vom Glauben, Mord und Unzucht (darunter auch Homosexualität). Zentral sind das Familienrecht (Ehe mit Kindern) und die Sexualmoral. Zur Vermeidung des Kapitalverbrechens der Unzucht dienen: Verheiratung in der Pubertät, Körperverhüllung und Geschlechtertrennung. „Gott hat jedes Familienmitglied an seinen Platz gestellt“ – heißt, der Mann bringt das Geld nach Hause, die Frau bringt Kinder zur Welt und kümmert sich um den Haushalt.

„Da nur die Männer zur Unterhaltsleistung verpflichtet sind, ist ihr Erbteil größer als der der Frau“ (Carla Amina Baghajati auf der früheren Website der islamischen Glaubensgemeinschaft). Lesende können also nicht übersehen, dass sich die islamische Ordnung in krasser Gegnerschaft zu in Europa herrschenden Vorstellungen sieht, die alleinige Wahrheit beansprucht und eine starke Durchsetzungskraft zeigt.

Gibt es „den Islam“ überhaupt?

Laut diesem neuen Buch jedoch gibt es „den Islam“ wohl nicht. Es meint: DEN Islam gibt es nicht, denn es existieren so viele Auslegungen und Praktiken und Volksbräuche… also kann man über den Islam gar nichts sagen. Das ist praktisch für die Politik. Denn was es nicht gibt, kann auch nicht Gegenstand von Arbeit sein. Ich stellte diese Frage auch Anas Schakfeh coram publico. Er antwortet klar „Es gibt einen Hauptstrom Islam, aber mit Verzweigungen am Ufer“.

Zwecks intelligenterer Diskussion müsste jeder Schreiber oder Redner immer klarstellen, was sein Thema ist:

  • Was sagt die Islamische Ordnung (z.B. Wort des Propheten: „Wer vom Glauben abfällt, den tötet.“)
  • Wie weit setzen staatliche Gesetze diese Vorschriften der Religion durch? (z.B. die Todesstrafe für den Abfall vom Glauben nur in den radikaleren Staaten)
  • Wie ist die Praxis der Gläubigen (z.B. Verstoßung aus der Familie bei Verlassen der islamischen Gemeinschaft im Fall der Heirat einer Frau mit einem Nichtmoslem)

Wenn man diese Betrachtungsebenen nicht definiert und auseinanderhält, lässt sich immer alles und sein Gegenteil behaupten. So turnt sich das Buch über die Todesstrafe für den Abfall vom Glauben mit folgenden Sätzen hinweg: „Die durchaus vorkommenden Konversionen vom Islam zu einer anderen Religion werden in den Medien meist wenig thematisiert. Sie wurden traditionell als Verrat angesehen und mit schweren Sanktionen belegt. Es zeichnet sich aber auf offizieller Ebene ein vorsichtiges Abrücken von überkommen radikalen Positionen zum Glaubensabfall ab.“

Das ist eines von zahlreichen Beispielen, wie dieses Buch verschleiert und beschwichtigt. Denn die sogenannte „überkommene radikale Position zum Glaubensabfall“ ist nichts anderes als das oben zitierte Wort des Propheten und der Konsens der Islamgelehrten. Dieses Wort nehmen auch 18,2 Prozent befragter islamischer Religionslehrer In Österreich ernst. Auf Seite 108 lesen wir tatsächlich von der Todesstrafe für den Abfall vom Glauben. Aber nichts zur Frage „wer verbreitet in Österreich diese Art von Islam?“.

Islam ohne Koran, Prophet, Überlieferung und Gelehrtenkonsens?

Diese Begriffe kommen zwar vor, aber an keiner Stelle informiert das Buch, dass es überhaupt klare Positionen im Islam gibt. Diese gibt es wirklich, weil sie entweder „in klarem Arabisch“ im Koran stehen, dem vorbildlichen Leben des Propheten entspringen oder „gesunden Hadithen“.

Das Buch ignoriert nicht nur die für Europäer unakzeptablen Aspekte (Körperstrafen, unveränderliches Patriarchat, Schlagen der Frau usw.), sondern verschweigt auch den positiven moralischen Anspruch des Islams, der von den Menschen das Gute verlangt und das Böse verbietet. Nicht einmal von den unzähligen Zitaten aus der Überlieferung, die das Gute und Gerechte predigen, ist mit Deutlichkeit die Rede. Ein bisschen aber schon: „Beide Geschlechter sind angehalten, gläubig, fromm, geduldig, wohltätig und demütig zu sein“.

Auf ganz journalistischem Niveau an der Grenze zur Infantilität erklären uns die Professoren: „Inzwischen haben muslimische Frauen die Auslegung des Korans selbst in die Hand genommen…“. Na, dann ist ja wirklich alles möglich.

Vieles in diesem Buch kommt vor, wird erwähnt, gestreift, fließt ein

Die Verfasser werden meiner Kritik vielleicht begegnen wollen, indem sie auf einzelne Wörter oder Sätze verweisen, wie z.B. von „Ge- und Verboten im Islam“, „konservativen katechetischen Konzepten“ (bei ständiger Vermischung von veränderbarer Pädagogik und unveränderbarem religiösem Inhalt), „Aussagen des Propheten Muhammad“, „Geschlechtertrennung“, „Probleme mit medizinischem Personal des anderen Geschlechts“, „zwingendes islamisches Recht“, „traditionelle Verteilung der Hausarbeit“, „religiös begründete Bekleidungsvorschrift“ (167).

Aber ausreichende Erklärungen zu diesen essentiellen Begriffen und deren Tragweite fehlen durchwegs. Unter der Überschrift „Muslimische Bekleidungsvorschriften“ (163) wird irreführenderweise nur die Frau erwähnt und dann geht es auf vier Seiten um das „Kopftuch“, ohne, dass die drei Universitätsprofessoren den Gesamtzusammenhang so erklären, wie Anas Schakfeh das tat: „Für beide Geschlechter gilt das Gebot der Keuschheit, daher auch die Bekleidungsvorschriften. Diese umfassen bei der Frau im Wesentlichen den ganzen Körper. Die Frau muss sich mehr verhüllen, da sie mehr erotische Zonen hat.“

Aber einmal liest man von „weiter Kleidung“ (164), jedoch ohne Information, dass diese für Frauen und Männer ebenfalls Teil der Vorschrift ist, weil die Unterdrückung jeglicher Erotik in der Öffentlichkeit als notwendiges Mittel der Vermeidung des mit Körperstrafen sanktionierten außerehelichen Geschlechtsverkehrs gesehen wird.

Das Buch ist ein Werk der Desinformation

Als Desinformation verstehe ich das absichtliche Verbreiten von Unwahrheit oder die überproportionale Betonung von Nebensächlichem bei gleichzeitigem Verschweigen der wichtigen Aspekte. Mein Beweis ist die viermalige Erwähnung des „vielleicht zur Zeit prominentesten sunnitischen Religionsgehlehrten“ Jusuf al Qaradawi. Man erzählt, dass er eine TV-Sprechstunde hält, von seiner Ablehnung des Weihnachtsfests in Islamischen Ländern und von seiner „Fatwa“ zur Verurteilung der weiblichen Genitalverstümmelung.

Doch nirgends klären die Professoren das Publikum auf, dass dieser Mann das wirkliche Standardwerk „Erlaubtes und Verbotenes im Islam“ geschrieben hat. Darin finden sich auf 356 Seiten genau jene von mir oben erwähnten detaillierten Regeln, nach denen Muslime zu leben haben – einschließlich der Körperverhüllung, Geschlechtertrennung bis zu Details wie das Verbot von Statuen.

Der Prophet erlaubte ja Puppen als Spielzeug, denn seine Frau Aisha „war ganz jung, als sie den Propheten heiratete“ (107, The Lawful and the Prohibited in Islam). Daher durfte vor 1400 Jahren Aisha und dürfen heute muslimische Kinder mit Puppen spielen, wurden jedoch Buddha-Statuen in Afghanistan gesprengt. Dass dieses Buch von Jusuf al Qaradawi den Islam charakterisiert, zeigt sich darin, dass es Jahre lang Schulbuch in Österreich für den islamischen Religionsunterricht war, bis es verboten wurde. Das hier besprochene Buch der drei österreichischen Professoren erwähnt nur stellenweise Gebote und Verbote.

Das Buch ist ein Standardwerk

Es ist ein Standardwerk im Sinn des in Österreich herrschenden Konsenses, die islamische Ordnung nicht als Gesamtbild darstellen zu wollen. Alle sind sich einig, dass man über den Islam sagen darf: „Der Islam ist die Religion des Friedens und der Toleranz“. Diesen Satz hörte die Öffentlichkeit gebetsmühlenartig per ORF am 11. September 2001 nach den Attentaten Saudischer Muslime in New York.

Als Beweis für diese pauschal positive Charakterisierung des Islams zitierten Erzbischof, Oberrabbiner und Anas Schakfeh von der Islamischen Glaubensgemeinschaft einen Vers des Korans. „Wenn jemand einen Menschen tötet (…), so ist es, als hätte er die ganze Menschheit getötet.“ Genau so steht dieser Vers bei Heine, Lohlker und Potz, einschließlich der kleinen Klammer mit den Punkten.

Und genau diese Klammer mit den Punkten hätte es in sich! Jusuf al Qaradawi zitiert diesen Satz auch (323). Er füllt die Klammer und unterschlägt nicht den wichtigen Ausnahmetatbestand für das Verbot der Tötung: „other than for the killing of a person or sowing corruption in the land“. Eine meiner Koranübersetzungen drückt den Ausnahmetatbestand so aus „es sei denn, aus Vergeltung“, also nicht wirklich mit Christentum und Rechtsstaat vereinbar. An dieser Stelle vereinigen sich für mich in Harmonie „Desinformation“ und „Standardwerk“. Die Wahrheit wird gebogen, und das ist Standard.

Wer wagt den Befreiungsschlag?

Der perfekten Genderung des Buches entnehme ich, dass die Autoren gebildete, fortschrittliche, tolerante und im Rahmen des Erlaubten frei denkende Menschen sind. Mein Vorschlag: Sprengen Sie einfach die Schranken des Erlaubten! Gehen sie auf Seite 177 ihres Buches und greifen sie den dort geäußerten Gedanken noch einmal auf, dass die ganze Geschichte vom Koran und dem Propheten und all den Zigtausenden in Gesetzeskraft erwachsenen Details seines vorbildlichen Lebens vielleicht gar nicht stimmt.

Akzeptieren Sie einfach nicht die herrschende Gestalt des Islams, wie ihn Adel Khoury, von dem sie fünf Bücher erwähnen, korrekt beschreibt: „Das Wort Gottes (wie dem Propheten geoffenbart und im Koran niedergeschrieben) … bringt dem Menschen die rechte Leitung, beansprucht eine absolute Autorität, ist nicht mehr hinterfragbar und fordert von den Gläubigen unbedingten Gehorsam … denn der Mensch ist von sich aus nicht im Stande … den rechten Weg zu gehen.“ (21)

Vielleicht ist das alles gar nicht wahr, was wir über das angeblich in allen Einzelheiten überlieferte Leben des Propheten glauben müssen? Vielleicht müssen wir Europa doch nicht umbauen, wenn wir nicht in Ehrfurcht vor den angeblich 1400 Jahre alten Gesetzen erstarren? Können wir so viel Mut und Selbstbewusstsein aufbringen?

Dringend erforderlich für den „Dialog“: Was sagt und will der Islam bei uns?

Seit 20 Jahren frage ich unsere Islamvertreter nach authentischen schriftlichen Informationen auf Deutsch, wie denn sie konkret und zusammenhängend „ihren Islam“ beschreiben. Wobei es ohnehin nur einen Islam gibt, wie die Imamekonferenz in Graz erklärte „Es gibt keinen europäischen Islam, es gibt nur einen Islam in Europa“. Weder Anas Schakfeh noch Omar al Rawi noch Herr Baghajati und auch nicht ein Islamvertreter, der diesen Februar mit Staatssekretär Kurz an der Universität in Linz auftrat, konnten mir ein Buch aus Österreich nennen.

Ich fragte aus dem Publikum nach und zitierte auch das oben erwähnte „Erlaubtes und Verbotenes im Islam“ mit der Kritik des Autors an Verhältnissen in öffentlichen Räumen wie Kinos und Universitäten, wo die Geschlechter in verbotene Berührung miteinander kämen (Al Qaradawi, 164). Staatssekretär Kurz sagte gegenüber dem Publikum, er kenne das Buch; so etwas Rückschrittliches würde man in Österreich nicht akzeptieren. Im „Dialogforum Islam“ werde man sich um Klärung bemühen, was der Islam in Österreich sagt. Im privaten Gespräch erklärte mir der offizielle Islamvertreter, persönlich sehr sympathisch, den Islam genau so, wie ich ihn oben skizzierte: Als Lösung für eine verkommene Gesellschaft.

Die Autoren des hier kritisierten Buches erzählen uns auf Seite 70 selbst, dass eine Kontaktnahme mit dem türkisch-nationalistisch-islamischen Verein ATIB, der Einfluss über 80 000 Menschen hat, schwierig ist. Man kann nicht so recht sagen, was diese „führende Kraft“ in der in Österreich real existierenden Islamszene predigt.

Also fordere ich von unseren beamteten Professoren, dass sie sich mit unserem Steuergeld ehrlich und nachdrücklich bemühen, in diese Richtung zu forschen, anstatt mit Allgemeinplätzen über „Zuschreibungen“, „Angst vor Fremden, Vorurteilen und Missverständnissen“ von Fakten abzulenken und mit der grotesken Verallgemeinerung „Was religiös motivierte Menschen für Gewalt besonders anfällig macht, sind die Verheißungen der Religionen“ gleich noch unser heutiges Christentum in aktuell „islamistisch“ motivierte Mordgeschichten hineinzuziehen.

Edgar Pree stammt aus Linz. Er ist Jurist und nach fünf Jahren Aufenthalt in den USA heute für österreichische Firmen im Export tätig.

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