Ein praxisorientiertes und kompetenzförderndes Rechenbeispiel gefällig?
„Wie oft darfst du dich beim Schwarzfahren in Wien nicht erwischen lassen, um dir die derzeitige Höchststrafe für das Schulschwänzen leisten zu können?“
Die Antwort hängt vom Zeitpunkt ab: Vor dem 1. Mai 2012 kann man mit drei Mal 70 Euro Schwarzfahrstrafe beinahe die Höchststrafe für Schulschwänzen (220 Euro) bedecken. Ab dem 1. Mai 2012 sind fürs Schwarzfahren in Wien 100 Euro fällig.
Sebastian Kurz wagte im Februar den Vorschlag, die Strafe für notorische Schulschwänzer auf deutsches Niveau (1500 Euro) anzuheben, da die derzeitige Höchststrafe wohl kaum abschreckende Wirkung zeige. Dieselbe rot-grüne Koalition, die jedem, der keinen Fahrschein vorweisen kann, ab 1. Mai hundert Euro abknöpfen lässt, beschuldigte daraufhin den Staatssekretär, tausende Familien mit dieser Strafdrohung in die Armutsfalle zu treiben.
Für mich stellen sich angesichts dieses Aufschreis zwei Fragen:
- Warum senkt Michael Häupl – mit Blick auf sein soziales Gewissen – den Schwarzfahrertarif nicht auf moderate zehn Euro, statt ihn auf 100 Euro hochzutreiben?
- Warum gibt sich Maria Vassilakou dafür her, Leuten, die ihr Auto zu Hause stehen und ihren Fahrschein ebendort liegen lassen, 100 Euro abzuknöpfen?
Glauben die Spitzen der Wiener Stadtregierung etwa, dass nur spürbare Strafen Menschen davon abhalten, Gesetze zu brechen?! Man muss doch, so sagen es uns sozialromantische Experten unablässig, mit den Menschen nur reden und ihnen erklären, was gut und richtig ist.
Bei Fahrscheinsündern macht man sicherheitshalber ernst. Immerhin geht es da um Tarifeinnahmen für die Wiener Stadtkasse. Bei Eltern, die das Recht ihrer Kinder auf Bildung mit Füßen treten und diesen damit ihre Zukunft verbauen, verlegt man sich aufs Zureden.
Alles eine Frage der Priorität.
Mag. Gerhard Riegler ist Vorsitzender der Österreichischen Professorenunion und oberster AHS-Personalvertreter.