Die roten Meinungsmacher (19): Welches Monopol? – Die Kampfrhetorik der Monopolisten

Da seit Mitte der 80er Jahre die Forderungen nach einer Liberalisierung des heimischen Rundfunkmarktes immer lauter werden und die Diskussion um das Rundfunkmonopol nicht und nicht verstummen will, die SPÖ aber wenig bis kein Interesse hat, den von ihr gelenkten ORF privater Konkurrenz auszusetzen, entwickelt sie im Laufe der Jahre eine breite Palette an Scheinargumenten zur Verteidigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkmonopols und gegen die Pressefreiheit im elektronischen Bereich.

Eines der beliebtesten „Argumente“ zur Einzementierung des menschenrechtswidrigen ORF-Sendemonopols war, dass es dieses Monopol eigentlich gar nicht gibt. Viele Sozialisten sprechen deshalb nur vom „sogenannten“ Monopol. Denn schließlich könne, so SPÖ-Chef und Bundeskanzler Franz Vranitzky, „jedermann empfangen, was er wolle.“[i]

Ohne Störsender ist es kein Monopol

Dieser zynische Sager des Parteichefs war damals verbreitete und anerkannte Argumentations- und Parteilinie. Da man in Österreich ausländische TV-Sender via Kabel oder aufgrund der unvermeidbaren Einstrahlungen aus den Nachbarländern empfangen konnte, gebe es schließlich nur ein Sende-, aber kein Empfangsmonopol.

Die SPÖ war also stolz darauf, nicht, wie zu den Zeiten der Nationalsozialisten, das Empfangen und Abhören von ausländischen Sendern zu verbieten und unter Strafe zu stellen bzw., so wie in den kommunistischen Diktaturen üblich, Störsender zu betreiben, um den Empfang von Westsendern zu verhindern[ii] Obwohl es innerhalb der SPÖ immer wieder einzelne Bestrebungen in diese Richtung gab[iii].

ORF Generalintendant Teddy Podgorski zieht deshalb den Schluss: „Es gibt keinen Grund, das ORF-Monopol in Frage zu stellen. Bereits 40 Prozent aller österreichischen Haushalte können zusätzlich ausländische Fernsehprogramme empfangen. Damit seien Wettbewerb und Wahlmöglichkeit gegeben.“[iv] Punkt. Diskussion beendet.

Immer wieder verkauft die SPÖ diesen demokratie- und medienpolitischen Mindeststandard, den Empfang ausländischer Sender nicht zu verbieten, als große Errungenschaft und als Privileg für ihre österreichischen Untertanen. In einer Parlamentsdebatte zum Rundfunkmonopol weist etwa SPÖ-Zentralsekretär Josef Cap zum wiederholten Male daraufhin, dass es kein Empfangsmonopol gebe. „Man kann ja wirklich breit auswählen“[v], deshalb, so die nicht ganz schlüssige Folgerung des Zentralsekretärs, werde der Begriff Monopol von der FPÖ „missverständlich, fast agitatorisch“[vi]verwendet.

Sprich, der österreichische Bürger solle froh sein, dass ihm die SPÖ den Empfang ausländischer Sender nicht verbietet. Das deutsche RTL oder der britische SKY CHANNEL sind – folgt man dieser obskuren Argumentation – die Garanten für die Presse- und Meinungsfreiheit im elektronischen Bereich in Österreich. Dieses Nicht-Argument wird von allen Monopolhardlinern geradezu inflationär gebraucht.

Bereits 1983, zu einem Zeitpunkt, als die wenigen bereits verkabelten Haushalte gerade einmal die öffentlich-rechtlichen Sender aus Deutschland und der Schweiz empfangen konnten, verkündet Gewerkschafter Günter Nenning: „Das Monopol gibt’s ja nimmer, denn es kommen Programme aus dem Ausland.“[vii]

ORF: Der Schutz vor „Überfremdung“

Während auf der einen Seite die bösen kulturzersetzenden ausländischen Sender als Bannerträger der heimischen Rundfunkfreiheit herhalten müssen, werden gleichzeitig deren Betreiber, die ausländische Medienkonzerne, als große Gefahr für die heimische Medienlandschaft, die Hochkultur und die Identität Österreichs verkauft. Im Kampf für ihr anachronistisches Rundfunkmonopol setzen die Sozialisten und der ORF gerne und oft auf die nationale oder besser nationalistische Karte.

So meint etwa SPÖ-Chef und Bundeskanzler Franz Vranitzky:  „(…) gäbe aus gutem Grund – ein Sende-Monopol. dies ist im öffentlichen Interesse, weil es ein anliegen Österreichs sein muss, seine Kultur zu schützen und zu erhalten.“[viii] Die heimischen  Zeitungsverleger legen sogar noch einen drauf und sprechen wörtlich von „Überfremdung“. In einem Kommuniqué des VÖZ heißt es:

„Angesichts der allgemeinen Tendenz zur Überfremdung der österreichischen Wirtschaft sollte sichergestellt werden, dass die elektronischen Medien ausschließlich von Österreichern kontrolliert werden.“[ix]

Es geht sogar noch kriegerischer, wenn etwa ORF-Generalintendant Gerd Bacher die nahende Medienapokalypse verkündet: „Wir werden in der Schlacht um die Kultur hinweggefegt.“[x] Und linke ORF-Kuratoren warnen 1984: „Wir müssen jetzt sehr gut und schnell überlegen, wie wir verhindern, dass Ausländer in den österreichischen Markt einbrechen.“[xi]

In den 80er und frühen 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die Political correctness noch in den Kinderschuhen steckte, konnten Sozialisten, Intellektuelle und andere Monopolbefürworter noch mit markiger Kampfrethorik und nationalistischen Tönen ungeniert Stimmung gegen die Rundfunkfreiheit machen. Man durfte sich noch auf die österreichische Identität – was ja nichts anderes, als die Jahre später von den Linken so verhöhnte Leitkultur ist – berufen, ja sie sogar mit deftigen Sprüchen verteidigen. Auch wenn es nie mehr als ein billiger Vorwand war, die eigene Machtsphäre und die finanziellen Interessen zu verteidigen und abzusichern.

Auch der nunmehrige Bundespräsident und damalige stellvertretende SPÖ-Chef Heinz Fischer sah im ORF den Garanten für die Erhaltung einer  „eigenständigen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen österreichischen Identität"[xii].

Der Erhalt der „österreichischen Identität“, die bezeichnenderweise für die SPÖ nur in der Medienpolitik eine relevante Rolle spielte, wurde zum Mantra der Monopolbefürworter.

Auch in den folgenden Jahren bemühte man immer wieder dieses Argument, wenn es galt, dem ORF weitere Sonderstellungen, Sonderrechte oder einfach nur viel Geld zuzuschanzen. Lediglich die Formulierungen und Ausdrücke wurden dem immer stärker um sich greifenden politisch korrekten Zeitgeist angepasst. Im Jahr 2006 klingt das bei Josef Cap dann so:  „(…) in einer Zeit, in der es kein Empfangsmonopol und kein Sendungsmonopol mehr gibt, in der aber alle daran interessiert sind, dass der ORF als eine Art kulturelles Identitätselement natürlich weiter existiert um die österreichische Kulturidentität weiterzuentwickeln“[xiii].

Der ORF soll die österreichische Identität nun nicht mehr „bewahren oder schützen“. 2006 hätte so etwas bereits einen politisch unangenehmen Hautgout gehabt. Deshalb geht es im politisch korrekten Kauderwelsch um eine nicht näher definierte Weiterentwicklung der österreichischen Kulturidentität (was auch immer das sein oder bedeuten mag).

Obwohl die Formulierungen im Laufe der Jahre immer schwammiger werden, verkauft die SPÖ ihren ORF stets als einzig legitimen Bewahrer und Hüter der österreichischen Identität, als Felsen in der neoliberalen Brandung. Um diesem Argument zumindest etwas Substanz zu verleihen, musste man deshalb Bedrohungen für den ORF bzw. für Österreich konstruieren bzw. aufbauschen. Peter Schieder, neben Cap einer der vehementesten Verteidiger des ORF Monopols, warnt etwa im Jahr 2001: „Keinesfalls wollen die Menschen, dass der ORF in ausländischen Besitz übergeht."[xiv] So, als ob das jemals ernsthaft zur Debatte gestanden wäre.

Privatsender: Gefährliche Volksverdummung

Zum argumentativen Standardrepertoire jedes sozialistischen ORF-Monopolbefürworters, jedes Linksintellektuellen und jedes erstsemestrigen Publizistikstudenten gehört auch der angebliche Qualitäts- und Niveauverlust, die Nivellierung nach unten, die mit der Liberalisierung des Rundfunkmarktes zwangsläufig einhergehen soll. Privatrundfunk war in der ORF-Monopolära – und ist es zum Teil noch bis heute – der Beelzebub der Linken. Ein Instrument der von der Frankfurter Schule erdachten Kulturindustrie zur Verdummung der Massen.

„Im deutschen Sprachraum ist der kulturpessimistische und gesellschaftskritische Ansatz der Frankfurter Schule mit dem Fokus auf den Begriff „Kulturindustrie“ vorherrschend.“[xv]

Privatrundfunkbetreiber waren und sind der Klassenfeind, den es zu bekämpfen galt und gilt. Wolfgang Langenbucher, Professor am Wiener Publizistikinstitut, ein typischer Vertreter seiner Zunft: „Sie (die Privatsender, A.d.V.) kennen auf der nach unten offenen Einfaltsskala keine Grenzen"[xvi].

Auch SPÖ-Mediensprecher Josef Cap will seinen Untertanen, pardon Mitbürgern, keine qualitativ minderwertigen Programme zumuten. Cap über die Privatsender: „es lässt sich ein ungeheurer Banalisierungsgrad feststellen".[xvii]

Es scheint so, als setzten sich jene Kräfte, die mit allen Mitteln das ORF-Rundfunkmonopol erhalten möchten, lediglich für Qualität, (Hoch)Kultur, Objektivität, Identität, Gerechtigkeit etc. ein, man stilisiert sich als Kämpfer für das Wahre, Schöne und Gute. „Hand in Hand marschiert man also mit dem ORF gegen das Privatfernsehen und hängt sich auf beiden Seiten das Mäntelchen der Moral um.“[xviii]

Hans Mahr – einst Kreisky-Wahlkampfmanager und später RTL-Chefredakteur – hat bei einem Symposium der ÖVP zur Zukunft der elektronischen Medien viele der Argumente der sozialistischen Rundfunkmonopolisten als das entlarvt, was sie zumeist immer waren, Vorwände, um die Kontrolle und Macht über die elektronischen Medien in Österreich nicht abgeben zu müssen:

Private machen schlechtes Programm

"Was gut und schlecht ist, was tiefes und hohes Niveau hat – diese Entscheidung sollte man dem mündigen Bürger überlassen und nicht einer Geschmackskommission aus angeblichen Bildungspolitikern und vorgeblichen Kulturträgern. Ganz im Ernst: Der mündige Staatsbürger darf seinen Abgeordneten wählen, damit das Schicksal des Landes beeinflussen, er hat wohl auch das Recht, sich sein Programm auszusuchen. Und zweitens: Die Qualität, das Niveau und die Professionalität von Fernsehmagazinen wie „Spiegel TV“ muss der öffentlich-rechtliche ORF erst liefern. Die Ernsthaftigkeit, die Spannung, die Härte des „Talk im Turm“ würde ich mir für den müde gewordenen „Club 2“ nur wünschen.

Nur der ORF gewährleistet österreichische Identität in einem gewaltigen deutschsprachigen Programmangebot.

Wieso eigentlich nur der ORF? Jeder, auch der private Programanbieter aus Österreich, wird sich auf sein primäres Publikum zu konzentrieren haben. Und das heißt: Österreichische Information, österreichischer Sport, österreichische Kultur und österreichische Unterhaltung für österreichische Fernsehkonsumenten."[xix]

Geändert hat sich seit den Ausführungen Hans Mahrs nichts. All diese kulturpessimistischen linken Klischees und Scheinargumente dienen vielen Sozialdemokraten und Linken bis heute als Vorwand, um die nach wie vor existierenden Sonderrechte der von ihr beeinflussten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt aufrechterhalten zu können.

(Die „Roten Meinungsmacher“ erscheint – wie am 6. November erläutert – im wöchentlichen Abstand als Serie im Gastkommentarbereich des Tagebuchs.

Literatur

Luger, Kurt:  Lesarten der Populärkultur. In: Medienjournal, Nr. 4 1990

Mahr, Hans: Österreich – (K)ein Markt für private TV-Programmveranstalter?. In: Maier, Ferdinand (Hg.): Fernsehdämmerung über Österreich – Haben private Programmveranstalter eine Chance. Dokumentation eines Symposions der Österreichischen Volkspartei zur Neugestaltung der elektronischen Medienlandschaft am 24. Mai 1993 in 1993 in Wien, Technische Universität. Wien 1993

Maier, Ferdinand (Hg.): Fernsehdämmerung über Österreich – Haben private Programmveranstalter eine Chance. Dokumentation eines Symposions der Österreichischen Volkspartei zur Neugestaltung der elektronischen Medienlandschaft am 24. Mai 1993 in Wien, Technische Universität. Wien 1993

Sebor, Bernd: Radioliberalisierung - Die Diskussion in Österreich im Spiegel der internationalen Entwicklung. Diplomarbeit. Wien 1991

Endnoten

[i] Sozialistische Korrespondenz 1.12.1989.

[ii] Offensichtlich aus politischen Gründen wurden vom Rundfunk der DDR die Frequenzen 557 kHz (Sender Greifswald), 575 kHz (Sender Leipzig) und 1430 kHz (Sender Dresden) belegt, um die Sendungen des SFB (566 kHz), des Saarländischen Rundfunks (1421 kHz) und von Radio Luxemburg (1439 kHz) zu stören. Siehe dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%B6rsender (18.06.2011).

[iii] Siehe dazu etwa Kapitel 5. Der Himmelskanal

[iv] Austria Presse Agentur 12.6.1989.

[v] Stenographisches  Protokoll der 122. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich. 1.12.1989.

[vi] Ebenda.

[vii] Wochenpresse 3.5.1983

[viii] Sozialistische Korrespondenz; 9.6.1989.

[ix] Siehe Sebor. 1991. Seite 13.

[x] Siehe Kurier 25.1.1984.

[xi] Siehe Die Presse 26.1.1984.

[xii] Sozialistische Korrespondenz 2.6.1993.

[xiii] Stenographisches  Protokoll der 158. Sitzung des Nationalrates. 12.7.2006.

[xiv] Sozialistische Korrespondenz 27.3.2001.

[xv] Luger. 1990. Seite 182.

[xvi] Austria Presse Agentur 1.4.1998.

[xvii] Austria Presse Agentur 14.4.1998.

[xviii] Multimedia 18.9.1983.

[xix] Maier (Hg.). 1993 Seite 13f.

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