Gehen wir davon aus, dass die überwältigende Mehrheit der Österreicher in den letzten beiden Jahrzehnten die Erfahrung gemacht hat, dass Faschismusvorwürfe der FPÖ nie ernstlich geschadet haben. Vermutlich war es sogar so, dass solche Vorwürfe der FPÖ umso mehr genutzt haben, je unverständlicher diese für den Durchschnittsösterreicher erscheinen mussten. Es stellt sich daher die Frage, warum sich die vermeintlich exponiertesten Gegner dieser Partei in unregelmäßigen Abständen für derartige Wahlkampfhilfen hergeben.
Nach all dem, was einst Jörg Haider sagte („ordentliche Beschäftigungspolitik“) oder H.C. Strache spielte („Paint-Ball“) kann ja kaum jemand ernstlich annehmen, dass ein medial hochgespielter Ball oder abgehörte Strache-Gespräche dieser Partei wirklich schaden könnten. Dass sich die breite Masse wegen ein paar tanzender Burschenschafter oder wegen der nunmehr pejorisierten Verwendung des Wortes „Reichskristallnacht“ nachhaltig abgestoßen fühlen wird, erscheint als eine Illusion. Davon ganz abgesehen wird kaum jemand verstehen, warum der Bundespräsident es als besonders mutig ansieht, einen Orden nicht zu verleihen, dessen Verleihung per se schon eigenartig anmutet.
Ähnlich wie bei der seinerzeitigen Am-Schauplatz-Affäre fühlt sich ein linker Journalismus in einer selbst empfundenen antifaschistischen Aufklärungsrolle offensichtlich ebenso wohl wie die Strache-FPÖ in der von ihr empfundenen Opferrolle.
Warum macht das die Linke? Ist sie wirklich von allen guten Geistern verlassen?
Keineswegs! Sie brauchte diese Solidarisierungsmöglichkeit wie einen Bissen Brot. Nachdem sie fast einen Monat öffentlich Krieg im eigenen Lager geführt und schließlich Niko Pelinka als Wrabetz-Büroleiter verhindert hat, mussten die Reihen wieder geschlossen werden. All das, was von Twitter bis YouTube an Zwistigkeiten ans Tageslicht gelangt ist und als Wasser auf die Mühlen der bürgerlichen ORF-Gegner bezeichnet wurde, musste möglichst rasch im Reich des Vergessens verschwinden.
Nichts regt die Linke mehr auf, als berechtigte Kritik aus den eigenen Reihen, die nach außen getragen wird. Erinnert sei etwa an die seinerzeitigen SPÖ-Reaktionen auf das Rabenhof-Stück „Freundschaft“ mit Erwin Steinhauer sowie dessen Verfilmung. Das Wort Verrat wird in diesen Kreisen ähnlich aggressiv in den Mund genommen wie in der FPÖ in Bezug auf die seinerzeitige Spaltung.
Was hat sich in dieser Situation besser angeboten als eine Attacke gegen den gemeinsamen Feind? Kurzfristig war die Einheit der Linken also wichtiger als irgendwelche indirekten Hilfsdienste für die FPÖ. Sollte diese Partei tatsächlich irgendwann in den Umfragen einen ersten Platz erringen, wird sich die Taktik, jene als die alten Nazis zu brandmarken, die sich selbst als die neuen Juden bezeichnen, als Schuss nach hinten erweisen. Spätestens dann wird die Frage nach der Selbstkritikfähigkeit der Linken und der Einheit der unfreiwilligen Strache-Macher neu zu stellen sein.
Die Tragik an all dem ist der Verlust der Mitte. Die schweigende Mehrheit erweist sich als Zaungast eines Scheingefechtes und finanziert nicht nur einen Staat, der diese Gruppen mit Polizeigewalt auseinander halten muss. Sie finanziert auch alle möglichen staatlichen und staatlich unterstützten Medien, die über all diese zunächst unbedeutenden Nebenereignisse genüsslich berichten. Wir alle laufen Gefahr, auf der Strecke zu bleiben.
Dr. Georg Vetter ist selbständiger Rechtsanwalt mit Schwergewicht auf Gesellschaftsrecht und Wahrnehmung von Aktionärsinteressen in Publikumsgesellschaften.