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Offenbarungseid vor dem Bezirksgericht

Die Koalition will durch Schließung Dutzender kleinster Bezirksgerichte rund 20 Millionen Euro zum Sparpaket beizutragen. Die Landeshauptleute zeigen jedoch, was sie von dem offiziell bejubelten Koalitionskonsens in Wahrheit halten: nämlich nichts.

Praktisch alle Bundesländer lehnen unter den verschiedensten Vorwänden die Gerichtssperren ab. Der Bund muss zwar zahlen, aber laut der in diesem Punkt recht seltsamen Bundesverfassung haben die Länder bei Gerichtssperren ein Vetorecht, obwohl die Justiz eine reine Bundeskompetenz ist. Die Landeshauptleute brabbeln als Begründung für ihr Njet etwas von der Bürgernähe der Justiz. Was ein ziemlicher Nonsens ist, muss der Durchschnittsösterreicher doch seltener als zwei Mal zu irgendeinem Gericht – und zwar im Laufe seines ganzen Lebens. Da gibt es Hunderte anderer Institutionen, die sie häufiger besuchen, auch über größere Distanzen.

In Wahrheit geht es nur um die Selbstwert-Neurosen einiger gegen die Gerichtsschließungen kämpfender Bürgermeister. Und es geht um die Umsatzsorgen einiger Rechtsanwälte in kleinen Orten. Kann das wirklich in Zeiten wie diesen entscheidend sein?

Die Neinsager haben noch ein weiteres, besonders absurdes Argument präsentiert: Die Justiz verdiene durch die Gerichtsgebühren ohnedies mehr, als sie koste. Das stimmt – freilich nur dann, wenn man die Gefängniskosten ignoriert.

Das daran angeschlossene Argument, dass man deshalb bei der Justiz auch nicht sparen müsse, muss man sich aber auf der Zunge zergehen lassen. Nach dieser Logik könnte nämlich beispielsweise das Finanzministerium in Saus und Braus leben. Nimmt es doch viel mehr ein, als es kostet. Offenbar gehen manche Provinzköpfe davon aus, dass man eh überflüssige Ausgaben machen könne, solange man den Bürgern nur genug Abgaben – in diesem Fall Gerichtsgebühren – abknöpft. Die Möglichkeit, dass man die Gebühren ja auch senken könnte und sollte, wenn man die Justiz (ohne Funktionsverlust!) effizienter macht, geht offenbar in ihre Hirne nicht hinein. Oder dass man den Bürgern bei einer Verbilligung der Justiz zumindest weniger Steuererhöhungen aufbrummen muss.

Private Konkurrenz für die Justiz

Unabhängig davon sollte die Justiz auch noch aus einem weiteren Grund vom hohen Ross herunter. Sie vergisst nämlich gerne: Zumindest im Bereich des Zivilrechts ist sie letztlich nur noch ein Dienstleistungsangebot an den Markt. Ihr Angebot steht in wachsender Konkurrenz mit privatwirtschaftlichen Schiedsgerichten. Diese sind oft schneller und billiger. Daher vereinbaren immer mehr Großunternehmen bei ihren Verträgen Schiedsklauseln, die den Weg zu staatlichen Gerichten ausschließen. Zunehmend sind es daher nur noch die kleinen Bürger, die das Gericht brauchen, um an ihr Recht zu kommen. Was eigentlich ein doppelter Anreiz zur strukturellen Sparsamkeit sein sollte.

Aber auch dort, wo der Staat schwerer durch eine privatisierte Justiz ersetzbar ist, müsste ein auf Effizienz bedachtes Ministerium schauen, wie man die Justiz schneller, billiger und einfacher macht. Diese Aufgabe kann ja nicht nur dann auf der Tagesordnung sein, wenn der Republik das Budgetwasser bei den Nasenlöchern steht.

Warum können beispielsweise Verwaltungsverfahren fast endlos zwischen den Instanzen hin und her geschickt werden? Warum dauern Urteilsausfertigungen viele Monate? Warum gibt es keine disziplinären Folgen für Richter, wenn sie einfache Entscheidungen nicht binnen weniger Monate treffen? Warum werden in den wirtschaftlichen folgenreichsten und psychologisch belastendsten Rechtsbereichen wie dem Familienrecht die blutigsten Anfänger eingesetzt? Warum dürfen Richter sich selbst bei den simpelsten Entscheidungen durch die teure und langwierige Einschaltung von Sachverständigen um die Arbeit drücken (die bei Richtern nun einmal im Entscheiden besteht)? Gibt es doch Beispiele, wo selbst der Streit um 30 Minuten mehr oder weniger Besuchsrecht bei Scheidungskindern erst einem Sachverständigen langmächtig zur Erstellung eines Gutachten vorgelegt wird!

Längst ist der Reformbedarf in der Justiz weit über das total im Argen liegende Strafrecht hinausgewachsen. Und längst sollte es primär um den Kunden der Justiz, also den Bürger gehen – noch lange vor allen Budgetnöten, vor allen Richtern, Anwälten und Landeshauptleuten.

Frau Minister: Jede Unterstützung für Ihren Kampf mit Provinzkaisern, aber auch jede Menge Verachtung für Ihre totale Untätigkeit in Sachen einer effizienteren, schnelleren, bürgernäheren Justiz.

 

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