„Der Euro kommt zu früh!“ So lautete ein anno 1998 von 155 namhaften Wirtschaftswissenschaftlern in der „FAZ“ veröffentlichter Aufruf. Vergebens. Das Lieblingsprojekt der politischen Eliten wurde – ohne Rücksicht auf Verluste, wie wir heute erleben – dennoch ins Werk gesetzt.
Es ging dabei nicht ums Geld, nicht um die keineswegs schlechte Idee einer gemeinsamen Währung. Der Euro war von Anbeginn an kein monetäres, sondern ein lupenrein politisches Projekt und sollte der Schaffung eines neuen Imperiums nach US-Vorbild, der „Vereinigten Staaten von Europa“, Vorschub leisten. Auf dem direkten Weg – über entsprechende Referenden – wäre dieser größenwahnsinnige Plan unmöglich zu realisieren gewesen, das war der herrschenden Klasse sonnenklar. Niemals hätten die so grundverschiedenen Völker der Alten Welt der Aufgabe ihrer Eigenarten und ihrer Fernsteuerung durch Brüssel freiwillig zugestimmt.
Europa hat der Welt einst eben nicht als zentral verwalteter Monolith seinen Stempel aufgedrückt, sondern als Sammelsurium miteinander konkurrierender Völker und Ideen. Zu sehr war und ist den Bürgern Europas auch heute noch bewusst, dass die Stärke ihres Kontinents in der Vielfalt und nicht in der Einfalt und der erzwungenen Nivellierung liegt.
Daher spannten die abgehoben agierenden Politeliten den Ochsen trickreich hinter den Karren und führten zunächst die Gemeinschaftswährung ein – in der sicheren Gewissheit, dass diese ohne eine – gegenwärtig in Umsetzung befindliche – totale Gleichschaltung der Provinzen des neuen Reiches keinen Bestand haben könnte.
Nun wird die Verteidigung des Euro – kontrafaktisch – zu einer „Frage von Krieg und Frieden in Europa“ stilisiert: Helmut Kohl meint „Der Euro ist ein Friedensprojekt“; Von höchsten Vertretern der Union werden Verschwörungstheorien lanciert, wonach wir es mit einem „Angriff“ finsterer Mächte (der perfiden Märkte!) auf das heilige Brüsseler Reich zu tun hätten. „Ohne Gemeinschaftswährung hat Europa keine Zukunft“ – so oder so ähnlich tönt es aus den EU- und Staatskanzleien. Und so trommeln es auch die gleichgeschalteten Medien des Meinungshauptstroms von Lissabon bis Helsinki. Alle nicht in das Konzept eines zentralistisch organisierten Molochs passenden Fakten werden entweder kleingeredet oder totgeschwiegen.
Dass etwa Frankreich und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg Frieden machten und hielten – und zwar ohne gemeinschaftliche Währung – wen interessiert es? Die Grundlage für Frieden zwischen den Völkern und deren steigenden Wohlstand ist allein der Freihandel, wie der französische Physiokrat Frédéric Bastiat meinte, wenn er vor langer Zeit formulierte: „Wenn Güter die Grenzen nicht passieren, werden es Armeen tun!“
Eines politisch zwangsverordneten Geldes bedarf es dafür aber ganz sicher nicht. – wer bedenkt das dieser Tage? Der Euro wird zur Religionsfrage erhoben. Es wird – entgegen der historischen Evidenz – so getan, als ob ein gemeinsamer Wirtschaftsraum nicht auch ohne einheitliche Währung zu verwirklichen wäre.
Dass eine europäische Freihandelszone bereits vor weit mehr als 100 Jahren – in der Zeit vor 1914 – existierte, und zwar ohne Gemeinschaftswährung (die faktisch allerdings durch die Goldbindung der verschiedenen Währungen gegeben war) wissen heute nur noch die wenigsten. Die politischen Eliten haben größtes Interesse, diese Tatsache gar nicht erst zu thematisieren, um die Fadenscheinigkeit ihrer Argumente für das schwindsüchtige Esperantogeld Euro nicht ans Licht zu bringen.
Einen interessanten Beitrag zum tieferen Verständnis der Problematik der europäischen Gemeinschaftswährung leistet das kürzlich bei Olzog erschienene und von Peter Altmiks herausgegebene Buch „Die optimale Währung für Europa?“
Fünf Beiträge sehr unterschiedlicher Autoren beleuchten Geschichte, Wesen und mögliche Zukunft des Euro. Glühende Befürworter, wie etwa der eben aus dem Direktorium der EZB ausscheidende Volkswirt Jürgen Stark, und Kritiker, wie der Herausgeber selbst, der als Wirtschaftsreferent im Liberalen Institut der Friedrich Naumann Stiftung tätig ist, verdichten eine Fülle von Informationen und analytischen Überlegungen zu einer guten Grundlage für den interessierten Beobachter, um sich seine eigenen Gedanken zu diesem für Europa so überaus wichtigen Thema bilden zu können.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien