Die roten Meinungsmacher (11): Der Oberhammer: Kreiskys Rache

Zurück zu Kreisky und zum ORF. Eines der wichtigsten Ziele des Rundfunkgesetzes von 1974 war die Beseitigung von Gerd Bacher. „Kreisky ließ sich eine neue Rundfunkreform einfallen, um den widerborstigen Bacher endlich loszuwerden.“[i] Zu diesem Zweck wurde das ORF-Kuratorium geschaffen. In diesem Gremium hatte die SPÖ 16 Sitze, die ÖVP 12 und die FPÖ 2. Die Wahl des Tiroler Juristen Otto Oberhammer, der Favorit von Bruno Kreisky, sollte also reine Formsache sein:

„Nach 18 Stunden Beratungen hatten die 16 sozialistischen Kuratoriumsmitglieder auf einem Stimmzettel durch Streichung des Namens Gerd Bacher exekutiert, was Monate vorher ihr Parteichef Bruno Kreisky beschlossen hat.“[ii]

Karikatur: „Die Presse/Ironimus“

Oberhammer, ein ehemaliger Richter, der in Brodas Justizministerium Karriere gemacht hat, ist in Sachen Rundfunk und Unternehmensführung vollkommen unbeleckt. Dafür hat er andere Qualitäten. Er ist pflegeleicht und einfach zu steuern. „Oberhammer, ein Nur-Jurist aus Tirol, durfte nur noch verwalten, nicht mehr leiten.“[iii]konstatiert das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel.

Zudem hatte der Wahlerfolg des Juristen Rudolf Kirchschläger bei den Bundespräsidentenwahlen Kreisky beeinflusst: „Um die Chancen Kirchschlägers abzutesten, hatte Kreisky schon im Laufe des Jahres 1973 eine Untersuchung über das Image verschiedener Berufe machen lassen. Richter schnitten dabei fulminant ab. Was für einen Bundespräsidentschaftskandidaten gut war, sollte auch für den Generalintendanten taugen. Der neue Generalintendant sollte Jurist, möglichst Richter sein, lautete noch im Juli der Vorentscheid. “[iv]

Es ist auch kein Zufall, dass Oberhammer aus dem Ministerium von Christian Broda kommt. Broda hatte bereits Ende der 50er Jahre an den Parteiverhandlungen über den Rundfunk mitgewirkt und Broda „braucht wie kein anderer ein Massenmedium, das seine Reformen, die tiefe gesellschaftsverändernde Wirkungen haben, positiv gegenüber dem Wählervolk aufbereitet und jede Störung soweit als möglich zurückdrängt.“[v]

Die Umfärbung kommt wie erwartet

Der frischgebackene Generalintendant enttäuscht seine Genossen anfänglich nicht: Sein Team für die fünf Spitzenposten im ORF besteht aus drei parteilosen Sozialisten und zwei mehr oder (eher) weniger bürgerlichen Kreisky-Freunden:

Franz Kreuzer, ehemaliger Chefredakteur der Arbeiter Zeitung wird einer der beiden Fernsehintendanten, der andere ist Gerhard Weis. Weis gilt als ÖVP-nahe, da er seinerzeit für das Volksblatt schrieb und Mitglied beim ÖAAB war, er hatte aber auch stets sehr gute Kontakte zu Kreisky.[vi]

Auch der „bürgerliche“ Wolf in der Maur war ein Favorit Kreiskys. Um ihn auf den Posten des Hörfunkintendanten zu hieven, wurde sogar massiver Einfluss auf die ORF-Kuratoren ausgeübt. Im ersten Wahlgang fiel In der Maur noch mit 12 zu 16 Stimmen durch (bei zwei Stimmenthaltungen). „Daraufhin liefen die Telefonleitungen zwischen Argentinierstraße und Armbrustergasse – Funkhaus und Kanzlervilla – nächtens heiß, und auch Blechas Vergatterungstaktik auf vollen Touren.“ [vii]

In der Maur wird in einer zweiten Abstimmung mit 16 zu 14 doch noch durchgedrückt. Auch im Vorfeld zur Wahl Oberhammers soll Kreisky – laut einem Bericht der Wochenpresse – den Bildhauer Fritz Wotruba, der im Kuratorium saß, unter Druck gesetzt haben. Der Bundeskanzler  hatte ihn darauf hingewiesen, welch großzügige Förderungen er von staatlicher Seite bekomme.[viii] Kreisky hat dies allerdings stets bestritten.

Der kaufmännische Direktor Walter Skala ist ebenso wie der technische Direktor Norbert Wassiczek (der einzige überlebende aus Bachers Team) den Sozialisten zuzurechnen. Ein Intimfreund Oberhammers, Heinrich Keller, wird ORF-Generalsekretär.

Auch auf den unteren Ebenen und beim Rundfunkfußvolk wird fröhlich umgefärbt. Oberhammer holt sich – ganz im Sinne der sozialistischen Medienpolitik – zahlreiche Mitarbeiter aus der SPÖ und ihrem Dunstkreis ins Haus. Unter anderem: Josef Broukal, damals SP-Organisationsreferent in Niederösterreich, Ulrich Brunner, Redakteur der Arbeiterzeitung und SP-Mitglied, oder Barbara Coudenhove-Kalergi, Redakteurin der Arbeiterzeitung, die zur Chefin des ORF-Auslandsdienstes ernannt wurde.

Mit den richtigen Leuten braucht es keine Inerventionen

Die dahinsiechende sozialistische Arbeiterzeitung bildet ein nahezu unerschöpfliches Personalreservoir für den ORF. Das hatte den großen Vorteil, dass die neuen ORF-Mitarbeiter nicht erst auf Linie gebracht werden mussten. Ein braver und halbwegs gebildeter AZ-Redakteur hat schließlich das Kapital von Karl Max oder die Dialektik der Aufklärung von Theodor W. Adorno bereits intus.

In so einem Umfeld muss von Seiten der Politik – sprich den Sozialisten – kaum noch interveniert oder gar zensuriert werden, die Vorgesetzten brauchen keinen Druck auszuüben, die bei der AZ sozialisierten Mitarbeiter wissen ohnehin ganz genau, worüber und wie man „richtig“ zu berichten hat.

Das gilt freilich nicht nur für den Informationsbereich. Auch in der Unterhaltungsabteilung bläst man zum medialen Klassenkampf. So startete in der Ära Oberhammer etwa die Serie „Ein echter Wiener geht nicht unter“. Verantwortlich für die Soap Opera im sozialistischen Arbeitermilieu zeichnet der deklarierte Kommunist und Autor Ernst Hinterberger. Bei der Fernsehfamilie Sackbauer in Favoriten ist die sozialistische Welt noch in Ordnung. In der wenig subtilen Propagandaserie wird kein linkes Klischee ausgelassen, alle Klassenfeinde, von den Gewerbetreibenden über die Hausbesitzer, den Unternehmern bis zu den Bauern[ix] – kurz: die gesamte ÖVP-Klientel – werden als dumm, bösartig und menschenverachtend vorgeführt.

Unterhaltung im Oberhammer-ORF: Liebenswerte, menschliche Sozialisten, kleingeistige und unsympathische Konservative. Die Rollen sind klar verteilt.

Und obwohl Oberhammer ganz im Sinne der Partei handelt und den Rundfunk im Allgemeinen und das Fernsehen im Speziellen im Sinne eines sozialistischen Volksfunks umgestaltet, ist er innerhalb der SPÖ nicht unumstritten. Der Jurist gilt in Medien- und Machtpolitik als zu wenig erfahren und mit dem Job des Generalintendanten schlicht als überfordert. „Brodas Homunculus hat sich auch innerhalb der SPÖ (…) als Fehlkonstruktion erwiesen.“[x]

1978, im Jahr der turnusmäßigen Wahl des Generalintendanten, bricht deshalb ein heftiger parteiinterner Streit um die Zukunft des führungsschwachen Oberhammers aus. „Die Person des Generalintendanten stand seit dem Frühjahr 1978 parteiintern zur Diskussion.“[xi]

(Die „Roten Meinungsmacher“ erscheint – wie am 6. November erläutert – im wöchentlichen Abstand als Serie im Gastkommentarbereich des Tagebuchs.)

Endnoten

[i] Der Spiegel, Nr. 40, 1978.

[ii] Die Wochenpresse zitiert nach Verein zur Förderung der politischen Bildung und Schulung „Josef Krainer Haus“, 1975.

[iii] Der Spiegel, Nr.40, 1978.

[iv] Die Wochenpresse zitiert nach Verein zur Förderung der politischen Bildung und Schulung „Josef Krainer Haus“, 1975.

[v] Siehe Dieman, 1978, Seite 98.

[vi] Siehe Dieman, 1978, Seite 50.

[vii] Siehe Dieman, 1978, Seite 49.

[viii] Siehe Dieman, 1978, Seite 52.

[ix] In einer Folge erbt Mundls Frau einen Bauernhof und wird von einem „typischen“ Bauern und ÖVP-Bürgermeister über den Tisch gezogen.

[x] Siehe Dieman, 1978, Seite 98.

[xi] Kriechbaumer, 2004, Seite 199.

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