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Wie wird 2012? – ein Plädoyer für Unternehmer

Beim  Blick in die Zeitungen springen dem Leser folgende Schlagwörter entgegen: „Schuldenbremse, IWF, EZB, EFSF, ESM, Hebel, Investoren“. Kaum mehr ein Wort über Unternehmer, Bruttonationalprodukt, Mut, Fleiß und Anständigkeit. Diese Begriffe wagt kaum jemand in den Mund zu nehmen, wenn er nicht als Moralisierer verspottet werden will.

Es wurde nach meinem Vortrag im Hayek-Institut behauptet, dass ich den Investoren unterstellt hätte, dass sie nur auf kurzfristigen Vorteil bedacht wären. Das stimmt aber nicht.

Die Mehrzahl der Investoren sind loyale Sponsoren der Banken und Wohltäter des Staates. Nehmen wir das Beispiel meiner Tante Rosi: Sie hat ihr Geld um zwei Prozent Zinsen mit einem Sparbuch bei der Bank eingelegt und zahlt brav ihre Spekulationssteuer, die sogenannte KESt, eine Art Austro-Tobin Tax für Sparbüchlsparer.

Bei ihren täglichen Einkäufen verliert sie laut dem Minipreisindex des statistischen Zentralamts rund sieben Prozent p.a. durch die Geldentwertung: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/preise/verbraucherpreisindex_vpi_hvpi/sonderauswertungen/023157.html

Aber Tante Rosi bleibt eisern bei ihrem Sparbuch und subventioniert damit unsere Banken, die mit jedem Euro, den Tante Rosi auf dem Sparbuch spart, gehebelte Kredite an bedürftige Länder wie Rumänien, Ungarn, Ukraine oder Kärnten vergeben können.

Die Investmentbanken und Hedgefonds wiederum helfen auf andere Weise, die Kredite, die andere vergeben haben, abzusichern, etwa indem Sie sogenannte CDS (Credit default swaps) abschließen. CDS sind Kreditausfallversicherungen. Laut Wirtschaftsmagazin „trend 11/2011“ sind derzeit CDS im Wert von 28 Billionen US-Dollar in Umlauf – das sind 28.000 Milliarden US $ (12 Nullen). Eine Gewissensfrage: Haben Sie auch schon CDS ?

Wetten Sie auf das Unglück anderer, shorten Sie Unternehmen, shorten Sie ganze Staaten oder shorten Sie nur Ihren Nachbarn: Schließen Sie ein CDS auf sein Haus ab und kassieren Sie die Prämie, wenn bei ihm ein Schaden eintritt. Wenn Sie CDS haben, sind Sie nie allein – und in guter Gesellschaft: 28 Billionen Dollar! So viele CDS-Fans können doch nicht irren: too big to fail - too many to be wrong?

Aber im Ernst: Man steht fassungslos vor unfassbaren Finanzprodukten, vor riesigen Staatsschulden und unglaublichen Korruptionsskandalen. Was – zum Teufel – ist denn in den letzten 20 Jahren passiert? Warum sind die Unternehmer so zurückgedrängt worden?

Die Unternehmer von Industrie, Handel, Dienstleistungen und die gesamte „Realwirtschaft“ kämpfen mit aller Kraft dafür, wettbewerbsfähig zu bleiben und Europa als Binnenmarkt zu erhalten. Und andere wetten mit CDS auf den Niedergang der EU.

Was haben toxische Finanzprodukte wie CDS mit Entrepreneurship zu tun? Diese Finanzprodukte sind keine Produkte, sondern Konstrukte. Sie haben keine positive Auswirkung auf die Wertschöpfung, auf das Bruttonationalprodukt, denn sie schaffen keine realen Werte. Es sind Wetten, reine Nullsummenspiele ohne Wertschöpfung.

Bei den sogenannten Leerverkäufen, die jetzt – leider viel zu spät – in einzelnen europäischen Staaten verboten wurden, wurde praktisch nichts, also die Leere verkauft, es wurde bloß gewettet.

Alle Unternehmer sind Investoren. Aber sind alle Investoren auch Unternehmer? Es wird oft so behauptet und auch in den Medien berichtet. Aber ich behaupte, es ist falsch und es ist eine fatale Verwechslung. Denn jeder Unternehmer ist auch ein Investor, aber Finanzinvestoren agieren selten wie klassische Unternehmer.

Die Wirtschaft braucht aber beide: Unternehmer und Investoren. Dabei sind die Geschäftsmodelle von Investor und Unternehmer so gegensätzlich wie CDS und die Entwicklung einer neuen Spitzen-Technologie:

Der Unternehmer will ein überlegenes Produkt oder Dienstleistung anbieten und mit Gewinn verkaufen. Deshalb hat er unablässig den Markt, seine Kunden und den Nutzen seiner Produkte und Dienstleistungen im Auge.

Der Finanzinvestor ist Experte für Kredit und Geld, orientiert sich am Shareholder Value. Er muss von der Führung der Unternehmen selbst nichts verstehen und bei Schwierigkeiten verkauft er seine Papiere – das ist auch in Ordnung so.

Der Unternehmer im Sinne des Eigentümers kümmert sich um sein Unternehmen bei jedem Wetter, er kämpft bei Schwierigkeiten, denkt in Generationen, kann und will auch nicht verkaufen, sein persönliches Schicksal ist mit seinem Unternehmen eng verbunden. Auch der Unternehmer tut das nicht aus edlen Motiven. Er will und muss Gewinne machen, um wieder re-investieren zu können.

Sein Fokus, sein Blick liegt auf dem Markt, der Innovation, dem Marketing, während der Investor auf den Börsenkurs blicken muss – er hat sein Auge am Börsen-Ticker. Den Investor interessiert der Wert seiner Aktien. Auch der Unternehmer hat ein Interesse am Wert seiner Aktien,  aber der Kurs genießt nicht sein ausschließliches Augenmerk.

Ein Unternehmer richtet seine Aufmerksamkeit nicht auf das kurzfristige Steigen des Aktienkurses, sondern auf die mittel- bis langfristige Entwicklung des Unternehmens am Markt. Wichtiger als der Aktienkurs sind dem Unternehmer die internationale Wettbewerbsfähigkeit seines Unternehmens und seine Stellung am Markt. Auch wenn ihm das nicht immer passt und nicht immer leicht fällt – Denn er hat gar keine andere Wahl.

Er kann sich nicht nur am Shareholder Value orientieren – der Unternehmer muss sein Unternehmen danach ausrichten, Customer Value zu schaffen. Um das zu erreichen, wird er mehrere Parameter im Unternehmen gleichzeitig beobachten und aktiv verändern: Deckungsbeiträge, Investitionen, Qualitätsmanagement, Forschung und Entwicklung, Cash Flow, Liquiditätsrechnung etc.

Dazu braucht er keine Börse. Unternehmen haben schon Jahrhunderte existiert, lange bevor diese überhaupt entstanden waren.

Die Marktwirtschaft braucht klare Regeln

Die Marktwirtschaft braucht also Unternehmer – und sie braucht auch Investoren und leistungsfähige Finanzmärkte. Konstruktive Finanzmärkte schaffen Wachstum, indem sie z. B. Kapital für Innovationen auch in sehr frühen Phasen der Entwicklung bereitstellen.

Die Marktwirtschaft funktioniert nur in Freiheit – aber Freiheit bedeutet nicht Regellosigkeit. Wettbewerb bedarf klarer Regeln, deren Einhaltung durchgesetzt werden muss. Allerdings darf das Marktprinzip nicht durch politische Kommandos vom grünen Tisch aus ersetzt werden, indem alles im Detail festgelegt und geplant wird, wie z. B. das Glühbirnenverbot.

Regelsetzung ist ein notwendiger Bestandteil von Innovations- und Entwicklungspolitik – insbesondere für die Finanzwirtschaft, die sich in den letzten 20 Jahren durch die schrittweise Abschaffung der Regeln (Glass-Steagall Act etc) immer mehr von der Realwirtschaft abgekoppelt hat. Was wir in den letzten Jahren  gesehen haben, widerspricht häufig dem Geist und den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft und hat zu einer Fehlallokation ökonomischer Ressourcen geführt.

Diese Fehlallokation hat natürlich massive Auswirkungen auf die Realwirtschaft: Seit etwa fünfJahren, als große Hedgefonds und Pensionsfonds in die derivative Spekulation mit Rohstoffen eingestiegen sind, spüren das auch die Hersteller von Lebensmitteln: Seitdem sind die Preise für Orangensaftkonzentrat, Kakao, Zucker, Weizen, Rohkaffee etc. zunehmend volatil geworden.

http://www.lebensmittelzeitung.net/news/top/protected/Rohstoffe-Einkauf-wird-Chefsache_89897.html

Rohstoffe sind innerhalb von 36 Monaten um ein Viertel teurer geworden. Der globale Rohstoffpreisindex für Lebensmittel, der von der UNO-Nahrungsmittelorganisation FAO monatlich errechnet und veröffentlicht wird (FAO Food Price Index) ist innerhalb von drei Jahren vom Index-Wert 172,4 (Oktober 2008) auf 216,1 (Oktober 2011) gestiegen.

Die Spekulation mit Grundnahrungsmitteln zwingt inzwischen selbst mittelständische Lebensmittelproduzenten zur Spekulation. Natürlich ist Spekulation nicht die einzige Ursache für die Rohstoff-Preissteigerungen, aber die Spekulation per Computerknopfdruck multipliziert die Volatilität der realen Märkte.

Die Performance-Vorstellungen mancher Funds-Manager, die heute fälschlich mit dem Unternehmer gleichgesetzt werden, haben fast gar nichts mehr mit der Performance gemeinsam, die ein Unternehmen braucht. Aber mit den kollabierenden Blasen hat die realwirtschaftliche Logik nun auch die anderen Wirtschaftsräume eingeholt.

Philanthrop George Soros, der 1992 erfolgreich gegen das britische Pfund spekuliert hat, erklärt uns in einem Video auf seiner Website (Interviews & Speeches) wie seine „Unternehmertätigkeit“ funktioniert: http://www.georgesoros.com/, Video, ca. ab 4:15 min.

Dr. hc. Soros gibt Investoren folgenden Rat: “Look: When I see a bubble, first thing I do is: I buy… Because, if I am right and the bubble is going to develop – then I´m going to make money. And if I see a bubble and I see the flow in(to) bubble, than I am really happy because I also know that I have to sell” … “But I lost a lot of money in the IT-bull-market, because I shorted it too soon…”

Was passiert derzeit im Bear-Market: alle gehen short… Wie die Lemminge. Aber vielleicht irre ich mich ja! Vielleicht wird alles gut und wir erleben 2012 eine Renaissance der Unternehmer und der Realwirtschaft?

Was denken Sie? Ihre Meinung würde mich interessieren.

Mag. Walter Schönthaler ist Unternehmensberater für Markenartikelunternehmen und Fachhochschullektor für Innovationsmarketing und Unternehmensführung;  zuvor arbeitete er mehr als drei Jahrzehnte in der Lebensmittelindustrie, u.a. als Vorstand der Manner AG, CEO der Felix Austria GmbH und CEO der S.Spitz GmbH.

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