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Verhaftet den politischen Gegner

Wir scheinen uns ja mittlerweile daran gewöhnt zu haben, es nicht abwarten zu können, dass die Strafe für einen mutmaßlichen Verbrecher im Gerichtssaal ausgesprochen wird. Vielmehr soll offensichtlich ein jahrelanges Vorverfahren dazu dienen, den Beschuldigten mit dem Übel seiner Tat zu konfrontieren. Durch die selektive Abführung des Vorverfahrens in der Öffentlichkeit erspart man sich mühsam erarbeitete rechtsstaatliche Regeln der Zivilisation. Waffengleichheit scheint etwas für weltfremde Theoretiker, nicht aber für die selbstgerechten Menschen der Tat zu sein.

Wir wissen zwar aus einem aufschlussreichen Interview des österreichischen Medienstaatssekretärs, dass wir in einem kleinen Land leben und es daher unbedenklich erscheint, dass die maßgeblichen Medienmacher dieser Republik miteinander „in Beziehung stehen“. Anderes gilt offensichtlich aus Sicht des KURIER bei der Verfolgung eines (ehemaligen) Politikers: Wenn dieser mehrere Leute kennt – was noch lange nicht jene Intensität bedeutet, wie das gerade zitierte „in Beziehung stehen“ – wird der Ruf der Straße nach einer Verfolgung wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Organisation laut. Nicht der Sinn des Gesetzes, sondern die Scharfmacherei steht hier im Vordergrund.

Interessant war in den letzten Tagen auch ein ZIB2-Interview mit einem Sektionschef aus dem Justizministerium. Allein die Verwendung der Wir-Form ließ den Zuschauer bereits fragen, wie sehr sich ein Vertreter des Ministeriums mit der Anklagbehörde identifiziert und wie es sich mit dem Objektivitätsgebot vereinbaren lässt, dass vor dem Vorliegen offensichtlich bedeutsamer Sachverhaltselemente von einer Fortführung des Verfahrens ausgegangen werden kann.

Dass er auf die Frage, ob das Verhalten des Beschuldigten kooperativer sein könnte, überhaupt antwortete, war unter dem Gesichtspunkt der vorprozessualen Einflussnahme auf ein Strafverfahren ein Fehler. Als er schließlich im letzten Satz korrigierend darauf aufmerksam machte, dass ein allfälliger Haftbefehl auch einen dringenden Tatverdacht erfordere, löste er möglicherweise einen ganz anderen Verdacht aus: Hier könnte die Anklagebehörde doch tatsächlich im Dunkeln tappen.

Die Frage nach dem möglichen Haftbefehl, den die SPÖ gefordert hatte, hätte übrigens eine ganz andere Antwort provozieren müssen. Die Unabhängigkeit der Justiz verlangt nämlich geradezu danach, dass man sich gegen Zurufe aus der Politik verwehrt. Zur Beurteilung der Frage, in welchen Fällen die Untersuchungshaft zu verhängen ist, ist – Gott sei Dank – niemand anderer berufen als ein unabhängiges Gericht.

Die Verhaftung eines politischen Gegners passt nicht in das rechtsstaatliche System einer westlichen Zivilisation – auch nicht der öffentliche Ruf danach. Wollen wir uns nicht auf die Stufe mit jenen semibarbarischen Staaten stellen, die ihren politischen Kampf mit Hilfe der Strafjustiz ausfechten, müssen wir uns mit allen Mitteln gegen derartige Vereinnahmungsversuche zur Wehr setzen.

Andernfalls würde selbst ein strafrechtlich verfolgter Bundeskanzler den Gedanken nahe legen, wegen allfälliger Tatbegehungs- und Verdunkelungsgefahr die Untersuchungshaft in Betracht zu ziehen.

Dr. Georg Vetter ist selbständiger Rechtsanwalt mit Schwergewicht auf Gesellschaftsrecht und Wahrnehmung von Aktionärsinteressen in Publikumsgesellschaften.

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