Die „Schuldenbremse“ – eine Farce?

Einer der Grundsätze des abendländischen Rechtssystems lautet: „Verträge sind einzuhalten“. Das gilt natürlich auch für Kreditverträge. Die exzessive Überschuldung, die sich Österreich, wie die meisten anderen Staaten der Eurozone, aufgeladen hat, wird zur Nagelprobe für diesen Grundsatz. Werden die eingegangenen Verbindlichkeiten bedient werden? Oder werden die Kreditoren auf uneinbringlichen Forderungen sitzenbleiben?

Eine beunruhigende Antwort auf diese Frage gibt der große österreichische Nationalökonom Ludwig Mises: „Es gibt keinen Weg, den finalen Kollaps eines Booms durch Kreditexpansion zu vermeiden. Die Frage ist nur, ob die Krise früher durch freiwillige Aufgabe der Kreditexpansion kommen soll, oder später zusammen mit einer finalen und totalen Katastrophe des Währungssystems“.

Eine „Aufgabe der Kreditexpansion“ würde den sofortigen Sturz in eine scharfe Rezession bedeuten – mit allen damit verbundenen Konsequenzen. Wie man sich die Auswirkungen einer „Katastrophe des Währungssystems“ vorzustellen hat, übersteigt wohl die Vorstellungskraft der meisten Zeitgenossen. Ein Dilemma. Die Zeche werden mit Sicherheit wir alle bezahlen – in welcher Form auch immer.

Entzugstherapien verlaufen stets traumatisch. Der Entzug des mittels künstlicher Zinsdrückung für Staat, Firmen und Private so leicht erhältlichen „billigen Geldes“ bildet da keine Ausnahme. Die nur auf kurzfristige Ziele gerichteten Interessen der politischen Klasse machen die Anwendung wirksamer Therapien – zumindest auf dem Boden des Wohlfahrtsstaats, der von Produzenten zu Nichtproduzenten umverteilt – so gut wie unmöglich.

Denn, dass jede Rezession die Folge eines mit nicht vorhandenen Mitteln, den „Zirkulationskrediten“, angeschobenen Booms und damit nichts weiter als die Wiederherstellung des „Normalzustands“ ist, ist eine für die hohe Politik und die auf die gegenleistungsfreie Entgegennahme von Regierungswohltaten konditionierte Wohlfahrtsstaatsklientel unzumutbare Tatsache. Daher erscheint die Fortführung des laufenden Pyramidenspiels immer noch vorteilhafter.

Schenkt man den aktuellen Einlassungen von Österreichs Kanzler und Vizekanzler, sowie den regierungsfreundlich gefärbten Berichten der Hauptstrommedien des Landes Glauben, wäre mit dem bloßen Erhalt des „Triple-A“-Status des Landes schlagartig wieder alles in Butter. Dazu bedürfe es nun aber einer staatstragenden „Übernahme von Verantwortung“ durch zumindest eine Oppositionspartei, um eine entsprechende Verfassungsbestimmung verabschieden zu können (die eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat erfordert).

Dass es dabei um eine Reaktion auf die Drohungen von eben noch als Ausgeburten der Hölle und Agenten im Solde der perfiden US-Plutokratie gebrandmarkte – horribile dictu – private (!) Bewertungsagenturen handelt, deren Diktat man sich unter keinen Umständen unterwerfen wollte, ist plötzlich vergessen. Mit einem Mal zählt nichts anderes mehr.

Was den hoffnungslos überschätzten Wert von Verfassungen ganz grundsätzlich angeht, sei auf ein Wort des aus Ungarn stammenden Philosophen Anthony de Jesay verwiesen: „Die Verfassung gleicht einem Keuschheitsgürtel, von dem die Lady selbst den Schlüssel hat: Wenn sie der Gewinnerkoalition nicht passt, wird man Wege finden, sie zu umgehen oder zu ändern.“

Mit „Schuldenbremsen“ würde es sich nicht anders verhalten. An besonderen Umständen, denen nur mit besonderen Maßnahmen zu begegnen ist, wird es niemals fehlen. Dass Verfassungsbestimmungen mit der aktuellen Verschuldungsproblematik nicht das Geringste zu tun haben, ist klar. 

Die Regierungsparteien hätten es also jederzeit in der Hand, ein Sparprogramm ins Werk zu setzen – wenn sie nur wollten – und sich nicht durch parteipolitisch zugeordnete Interessengruppen gegenseitig blockierten. Zur traditionell auf Obstruktionskurs segelnden Polit-Klientel zählen etwa Bauern, Beamte und Bundesbahner.

Auch an den rekordverdächtig hohen Subventionen für NGOs aller Kaliber wagt die Regierung nicht zu rütteln. 5,4 Prozent des BIP – das Doppelte des in Euroland üblichen Wertes – lässt die Alpenrepublik sich etwa die Förderung so ungemein wichtiger Dinge wie Tanzgruppen lesbischer Frauen kosten. Derlei grober Unfug wäre mit einem Federstrich – ganz ohne Verfassungsänderung – zu beenden.

Weshalb mit dem Geld von auf der – täglich ungemütlicher werdenden – freien Wildbahn der Privatwirtschaft tätigen Menschen (gleich ob selbständig oder unselbständig) Organisationen, Strukturen und Privilegien querfinanziert werden, die zum Wohlstand unserer Gesellschaft nicht den geringsten Beitrag leisten, ist nicht einzusehen.

Eine große Rolle für die mangelnde Vehemenz bei der Umsetzung von Sparprogrammen seitens der Regierenden spielt auch die Angst vor Macht- und Kontrollverlust. Dass eine einmal politisierte, und damit kostspielig und ineffizient gelöste Aufgabe wieder in private Hände gelegt werden könnte, ist – aus Regierungssicht – unerwünscht. Dass aus jedem nichtigen Anlass sofort ein neues Gesetz produziert wird, dessen Vollzug Unsummen kostet, ist Regierungsroutine. Schließlich geht es der Nomenklatura auch um möglichst zahlreiche, mit verdienten Parteigängern zu besetzende Dienstposten.

Wer nun einwendet, dass auch „die Wirtschaft“– besonders in der Krise – nach „antizyklischer“, für den Steuerzahler in jedem Fall sauteurer, Wirtschaftspolitik giert, ist auf dem Holzweg. Die Masse der heimischen Betriebe, und damit die Mehrzahl der Beschäftigten, sieht von den keynesianisch inspirierten „Investitionsprogrammen“ nie auch nur einen einzigen Cent.

Nutznießer der Investitionstätigkeit des Staates sind stets wenige, meist der Baubranche zugehörige Großbetriebe, mit besten Beziehungen zu den Machthabern. Anders ausgedrückt: Bei den Kleinen wird abkassiert, um den Großen (oft genug absolut unnütze) Aufträge zuschanzen zu können. Die von den Österreichischen Bundesbahnen in den kommenden Jahren zu tätigenden, milliardenschweren „Investitionen“ in unsinnige Tunnelprojekte sind ein Musterbeispiel. Die ersatzlose Aussetzung dieser Geldverbrennungsaktionen würde einen beherzten Schritt auf dem notwendigen Weg zur Budgetsanierung bedeuten.

Das Palaver um eine verfassungsmäßig verankerte „Schuldenbremse“, zu der sich letztlich wohl die Grünen – als Vorleistung für eine künftige Regierungsbeteiligung – herbeilassen werden, ist pure Spiegelfechterei. Wer sparen will, der tut es einfach. Merke: Sparen bedeutet, nicht auszugeben was man hat! Es bedeutet nicht, weniger von dem auszugeben, was man nicht hat! Es bedeutet mit Sicherheit nicht, Einnahmen zu maximieren.

Österreich wäre allerdings nicht Österreich, würde am Ende nicht einnahmenseitig „gespart“. Neue und höhere Steuern sind – unter tatkräftiger Mithilfe der einst bürgerlichen ÖVP – so gut wie beschlossene Sache. Dass Vizekanzler Spindelegger „Substanzsteuern“ ablehnt, sich die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer aber trotzdem vorstellen kann, wirft ein scharfes Licht auf dessen Kompetenz.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung