Die meisten von uns freuen uns auf Weihnachten, wenn auch der Advent bei vielen sicher nicht als besinnliche Zeit bezeichnet werden kann. Selbst Krisen können geraden diese Freude nicht besonders dämpfen. Eingekauft wird weiterhin ungebremst.
Aber nicht alle Christen können sich so auf dieses angeblich friedliche Fest freuen. Ist nicht auch für sie Christus, der Retter, geboren worden? Sicher, ihre spirituelle Freude wird wahrscheinlich unserer gleichen, aber die Umstände in den muslimischen Ländern, in denen sie noch leben, geben besonders in der Weihnachtszeit Anlass zu großer Sorge. Viele von ihnen ängstigen sich, dass sie Opfer dieses arabischen Frühlings, der neuen „Freiheit, Würde, Gerechtigkeit, Demokratie“ werden, für die sie doch gemeinsam mit den Muslimen gekämpft haben.
Wie lange wird es noch Christen in arabischen Ländern geben? Sie waren vor den Muslimen da. Viele von ihnen haben so lange in der Region gelebt, dass in jedem Christen ein Teil des Islam steckt. Nennen doch beide „ihren“ Gott Allah. Die Menschen teilen doch das Land, seine Geschichte, und Sprache!
In Ägypten leben die christlichen Kopten. Es gibt – je nachdem, wer die Schätzung vornimmt – 5 bis 11 Millionen Christen bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 70-80 Millionen. Aufgrund der zunehmenden Auswanderung gibt es nun auch koptische Gemeinden in vielen anderen Ländern, so auch in Österreich.
Heute gelten Kopten als Angehörige der koptischen Kirche; ursprünglich hießen alle Einwohner Alexandriens und ganz Ägyptens, die Ägyptisch sprachen, Kopten. Diese Bezeichnung wurde in römischer, byzantinischer und frühislamischer Zeit unabhängig von der Religionszugehörigkeit gebraucht. Die Koptische Sprache war aus dem Ägyptischen im 3. Jahrhundert nach Christus entstanden. Aber seit der zunehmenden Arabisierung und Islamisierung Ägyptens wird der Begriff nur mehr für die Christen der koptischen Kirchen verwendet.
Als Gründer der koptischen Kirche gilt der Überlieferung nach Markus, der Verfasser des Markusevangeliums, der im 1. Jahrhundert in Ägypten lebte. Markus war der erste Bischof von Alexandria, wo er 68 n.Chr. als Märtyrer starb. Die Koptische Kirche entstand auf Grund der Auseinandersetzungen beim Konzil von Chalcedon 451. Dort hatten sich die nicht-chalcedonischen oder altorientalischen Kirchen (u.a. Syrer, Armenier, Kopten, Äthiopier) von den chalcedonischen Kirchen (Orthodoxe Kirchen, Katholische Kirchen) über die Frage der gott-menschlichen Natur Christi nicht einigen können.
Wachsende Teile der Bevölkerung Ägyptens traten bis zum 7.Jahrhundert der Kirche bei, wobei es auch eine starke griechisch-orthodoxe Kirche in Ägypten gab. Das führte zu einer vehement ausgetragenen Konkurrenzsituation, die es Eroberern leicht machte. Im siebenten Jahrhundert begann die islamische Eroberung und Islamisierung Ägyptens.
Das Oberhaupt der koptischen Kirche, der Papst von Alexandria und Patriarch von ganz Afrika, seit 1971 ist dies Shenouda III. als 117. Nachfolger des Heiligen Markus, hat seinen Sitz offiziell sowohl in Kairo als auch in Alexandria. Das Patriarchat war aber bereits 1047 in das im Jahr 973 zur Hauptstadt erhobene Kairo verlegt worden. Dieser Papst genießt hohes Ansehen bei der christlichen ägyptischen Bevölkerung.
Auch das christliche Mönchtum hat seinen Ursprung bei den Kopten, es wurde durch den Heiligen Antonius (um 251–356) und durch Pachomios (um 292–346) begründet. Antonius war Eremit und strenger Asket, während seiner langen Wüstenaufenthalte wurde er immer wieder von quälenden Visionen heimgesucht. Der Teufel soll ihm in verschiedener Gestalt erschienen sein, um ihn von seinem asketischen und gottgeweihten Leben abzubringen.
Pachomios war Gründer der ersten Klöster. Diese Klostergründung wird in der Legende zurückgeführt auf den Empfang der Engelsregel, einer Tafel, die ihm durch einen Engel Gottes überreicht wird, und in der die ersten Regeln für das Zusammenleben von Mönchen dargelegt werden. Pachomios hatte, wie viele frühen Asketen, die Gabe der Visionen. Er „stand mit den Engeln im Gespräch”, der Himmel und die Hölle wurden ihm in allen Einzelheiten offenbart.
Das koptische Weihnachtsfest wird nicht am 24. Dezember sondern am 6/7. Jänner gefeiert. Nach der Mitternachtsmesse findet – traditionell – ein großes Bankett statt. Danach beginnt eine vierzehntägige Fastenzeit.
Die Christenverfolgung geht weiter
Viele Kopten sind sehr arm. Sie bestritten ihren Lebensunterhalt durch das Müllsammeln in Kairos Straßen. Diesen Müll sortierten sie in ihren Elendsvierteln, suchen Verwertbares, das dann wieder verkauft wurde. Aber mit den weggeworfenen Essensresten fütterten sie Schweine, die ihnen dann einerseits als Nahrung dienten, die aber auch wieder teilweise vermarktet werden konnten. Das war strengen Muslimen immer ein Dorn im Auge, da ja das Schwein im Islam als unreines Tier gilt.
2009 wütete weniger die Schweinegrippe als die Angst davor. Das ägyptische Parlament hatte sich als Vorsichtsmaßnahme am 28. April 2009 für die Schlachtung von bis zu 250.000 Schweinen ausgesprochen. Einen Tag später wurde mit der Massenschlachtung begonnen. Als internationale Experten mit Unverständnis auf die Anordnung reagierten, rechtfertigte das Gesundheitsministerium die umstrittene Entscheidung als Maßnahme zur generellen Gesundheitsvorsorge. Eine Infektion von Schweinen in Ägypten war nicht aufgetreten. Dadurch sind religiöse Spannungen geschürt worden, die Christen, denen die Lebensgrundlage entzogen worden war, wurden zu Sündenböcken gestempelt.
Die Christenverfolgung hat seit 1990 erheblich zugenommen. Die Benachteiligung von Kopten im alltäglichen Leben ist zur Selbstverständlichkeit geworden, sie wurden zu Bürgern zweiter Klasse degradiert. Sie können Kirchen bzw. Versammlungsstätten weder renovieren noch bauen, ohne angegriffen zu werden. Sie können sich auf Sicherheitskräfte nicht mehr verlassen, niemand schützt sie und niemand verschafft ihnen Recht.
Besonders in Oberägypten sind Kopten Ziel von Gewalttaten, deren Zahl in den letzten Jahren stark zugenommen hat. 2001 wurden bei den Massakern von El Kosheh 21 Kopten und ein Muslim getötet, (http://de.wikipedia.org/wiki/Kopten - cite_note-5) 2002 kam es zu Unruhen nach der Einweihung einer koptischen Kirche und 2006 wurden bei Angriffen auf drei Kirchen in Alexandria ein Kopte getötet und 17 verletzt. Allein zwischen 2008 und 2010 wurden rund 60 solcher Gewalttaten gegen Christen gezählt. Im November 2010 wurde ein neunzehnjähriger Kopte bei einer Demonstration gegen das Bauverbot einer Kirche in Kairo nach gewaltsamen Auseinandersetzungen von der ägyptischen Polizei erschossen.
Im Februar 2007 nahm die ägyptische Polizei in Armant zwei koptisch-orthodoxe Familien fest, nachdem diese zur Polizeistation gekommen waren, um Brandanschläge auf ihre Häuser anzuzeigen; die Kopten wurden von der Polizei gezwungen ein Protokoll zu unterzeichnen, wonach sie ihre Häuser selbst angezündet hätten, um die Tat den Muslimen anzulasten und Polizeischutz anzufordern.
Am 5. März 2011 berichtete der Fernsehsender al-Arabiya, dass im Hauptquartier des Geheimdienstes in Alexandria offizielle Dokumente gefunden worden seien, die Pläne für einen Angriff auf koptische Kirchen bestätigen. (http://de.wikipedia.org/wiki/Kopten - cite_note-12)
Am 11. Januar 2011 schoss ein Polizist in Zivilkleidung während einer Zugfahrt von Asyut nach Kairo auf eine Gruppe von Kopten. Der 71-jährige Fathi Ghattas starb sofort, fünf weitere Kopten, darunter seine Frau, wurden schwer verletzt.
Am 23. Februar 2011 griffen Soldaten der ägyptischen Armee ein in der Sketischen Wüste, in Wadi Natrun, gelegenes Kloster mit Maschinenpistolen an. Bei dem Vorfall soll ein Mönch erschossen und ein weiterer entführt worden sein. Insgesamt 19 andere Mitarbeiter des Klosters wurden erheblich verletzt. Gemäß einer Stellungnahme des ägyptischen Militärrats haben die Soldaten „ein paar Mauern entfernt“, die auf der Straße und auf Land gebaut worden waren, das dem Staat gehört. Nach Angaben eines koptischen Bischofs hatte die Armee die Mönche in den Wochen davor aufgefordert, eine Schutzmauer um das Kloster zu bauen, weil die Sicherheitskräfte abgezogen und Tausende Gefangene aus den dortigen Gefängnissen freigelassen worden waren.
Am 7. Mai 2011 griffen Salafisten eine Kirche in Kairo an und setzten sie in Brand. Sie hatten vermutet, dass in der Kirche gegen ihren Willen eine Frau festgehalten wurde, die vom Christentum zum Islam konvertiert war und im Begriff stand, einen Moslem zu heiraten. Im Laufe heftiger Straßenschlachten vor der Kirche wurden zwölf Angehörige der Religionsgemeinschaften – sowohl Moslems als auch koptische Christen – getötet, 230 Menschen wurden verletzt. Auch eine weitere in der Nachbarschschaft liegende Kirche wurde angezündet.
Und selbst zu Weihnachten werden die Christen angegriffen: Weihnachten 2009 wurden sechs Christen vor einer Kirche in Nag Hammadi von drei Attentätern erschossen. Bei einem weiteren Bombenanschlag auf eine koptische Kirche in Alexandria wurden am Neujahrstag 2011 mindestens 21 Menschen getötet. Der damalige Präsident Ägyptens, Hosni Mubarak, verurteilte den Anschlag. Im ägyptischen Staatsfernsehen machte der Gouverneur von Alexandria die islamistische Terrororganisation Al-Qaida für den Anschlag verantwortlich.
Sind all diese Toten nicht Märtyrer, wie sie in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten ihren Glauben bezeugt haben? Diese Märtyrer verehren wir heute, aber was tun wir, um den Christen in den muslimischen Ländern zu helfen? Geht es Europa wirklich nur mehr um wirtschaftliche Interessen in islamischen Ländern? Es gibt schon mehr Märtyrer als unter Kaiser Nero! Muslime verachten Europäer, weil sie nicht nur zulassen, dass ihr Glaube lächerlich gemacht wird, ja ihren Glauben überhaupt verloren haben, sondern vor allem auch deshalb, weil sie ihren Glaubensbrüdern nicht zu Hilfe kommen.
Seit der Zeit des arabischen Frühlings
Wenn junge Kopten gemeinsam mit Muslimen am Tahrir Platz demonstrierten, waren sie genauso wie alle anderen den Angriffen der Polizei und des Militärs ausgesetzt. Selbst bei diesen Kämpfen versuchte das alte Regime, die Christen zu seiner Verteidigung zu mobilisieren. Aber schon im Oktober 2011 bezeichnet das ägyptische Fernsehen die Kopten als fremde Provokateure, die die Zersetzung des Staates zum Ziel hätten.
Am 9. Oktober 2011 sind bei einer Demonstration von koptischen Christen in Kairo mindestens 24 Menschen ums Leben gekommen. Es waren die schwersten Ausschreitungen in Ägypten seit dem Sturz von Ex-Präsident Mubarak. Die Kopten hatten zunächst friedlich dagegen protestiert, dass militante Moslems in der Provinz Assuan eine Kirche niedergebrannt hatten. Nach Augenzeugenberichten fuhr die Armee mit Panzern mitten in die Menge und überrollte mehrere Demonstranten.
Diese Untaten wurden nie aufgeklärt, kein Muslim wurde dafür zur Rechenschaft gezogen. Christen werden laufend verhaftet und verurteilt. Dennoch gibt es Lichtblicke für das Verhältnis von Christen und Muslimen; so haben in der Nacht vom 9. Oktober 2011 Christen in einem Fernsehgebäude Schutz gesucht. Als muslimische Mitarbeiter sie entdeckten, gaben sie ihnen ihre ID-Karten, versorgten sie mit Essen und Trinken und versuchten, sie in Sicherheit zu bringen. An der Demonstration für die Rechte der koptischen Minderheit hatten schätzungsweise 20 Prozent Muslime teilgenommen.
Was haben nun die Christen nach den Wahlen zu erwarten? Aus denen werden wahrscheinlich die Muslimbrüder gefolgt von den Salafisten als Sieger hervorgehen. Schon deren Wahlprogramm war fundamental-islamistisch, es richtet sich gegen den Fortschritt im Bereich der Frauen- und Kinderrechte. Gesetze, die im Gegensatz zur Scharia stehen, sollen abgeschafft werden.
Das wären Gesetze, die Frauen das Recht einräumen, sich unter bestimmten Umständen von ihren Männern scheiden zu lassen, aber auch das gesetzliche Verbot der Genitalbeschneidung von Frauen und ein Gesetz, das Frauen ermöglicht, ihre Kinder registrieren zu lassen, ohne deren Vater angeben zu müssen. Diese Islamisten meinen auch, dass Frauen nur dann das Recht hätten auszugehen, solange sie nicht durch ihre Kleidung oder ihr Benehmen die Bestimmungen der Scharia verletzten.
Auch Kinderehen könnten wieder zugelassen werden. Diese Gesetze beträfen dann auch koptische Frauen. Steht vielleicht zu befürchten, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten dadurch entstehen könnten, dass ganz allgemein islamische Kleidung vorgeschrieben wäre? Kämen dann noch immer so viele Touristen – ein wesentlicher Wirtschaftszweig Ägyptens – in dieses schöne Land?
Vielleicht halten die Versprechen, dass eine Demokratie angestrebt wird, in der man, unabhängig von der Religion, friedlich zusammen leben könnte. Aber das muss die Zukunft erst weisen.
Dr. Christa Chorherr ist Ökonomin, EDV-Expertin und Publizistin in Wien, die sich in den letzten Jahren vor allem mit islamischen Themen befasst hat. Zuletzt erschien ihr Buch „Halbmond über Österreich?“