Vom Über-Ich zum Unter-Nichts

Seit einst der Doktor Freud sie schuf,
die Psyche vulgo Seele,
genießt sie nicht den besten Ruf
und sorgt für manch Querele.

War doch sie schon im Rohmodell
ein Wesen aus drei Teilen,
die sozusagen virtuell
sich miteinander keilen.

Bewusstes muss sich nämlich mit
dem Unbewussten schlagen,
und Vorbewusstes liegt selbdritt
noch obendrein im Magen.

Die zweite Version indes
erwies sich als stabiler:
Das Ich, das Über-Ich, das Es
sind hier die Gegenspieler.

Bei Software aber allgemein
 – zu der auch Seelen zählen –
kann nie was wirklich fertig sein,
und stets wird wer krakeelen.

Zudem ist jene heile Welt
von anno Freud entschwunden,
und manches wurde umgestellt
beim Wuchern mit den Pfunden.

Das Es, zwar umbenannt auf Spaß,
blieb praktisch unverändert –
nur seltsam, dass man drauf vergaß:
Der Spaß ist nicht gedschendert!

Das Ich gibt’s gleichfalls fürderhin,
gar deutlich ausgeweitet
und nicht durch Zucht und Disziplin
neurotisch fehlgeleitet.

Denn anders als im Jahre Schnee
gilt heute Oben-Ohne,
drum ist das Über-Ich passé
und kümmert nicht die Bohne.

In seine Rolle ist zum Teil
ein Ethik-Rat getreten,
hat der ja flugs die Meinung feil,
die vorher man erbeten.

Den zweiten Teil hat irgendwie
man ausgelagert eben –
in Billig-Ethik-Länder, die
dabei Diskonte geben.

Wo aber einmal etwas war,
verbleiben keine Lücken,
vermag doch jeweils wunderbar
recht bald was nachzurücken.

Und was? Es kam das Über-Nichts!
Das dient in unsern Tagen
als Grundprinzip des Unterrichts,
um Schüler nicht zu plagen.

So werden Nichtse langsam gleich –
und dann als Eltern, Lehrer,
an Nichtserfahrung überreich,
die besten Nichtsvermehrer.

Am Schluss verschmelzen Es und Ich,
Gerades weicht dem Schiefen,
Reales wird, weil hinderlich,
beseitigt vom Fiktiven.

Und da schon heut’ man Hausverstand
als zu gesund empfindet,
merkt keiner, wie das Abendland
im Unter-Nichts verschwindet…

Pannonicus 

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